BRD und Türkei – eine Langzeitbeziehung


Zu allen Abkürzungen und Namen von Organisationen findet ihr eine kurze Beschreibung in der Übersicht zu kurdischen Organisationen und anderen Parteien in Kurdistan oder in der Übersicht zu faschistischen Organisationen in Kurdistan.


Der kurdisch-türkische Konflikt

Im Jahr 2013 keimte in der Türkei Hoffnung auf Frieden und demokratischen Wandel. Die Verhandlungen zwischen der türkischen Regierung und dem kurdischen Repräsentanten Abdullah Öcalan führten zu einem Waffenstillstand zwischen der türkischen Armee und der PKK. Dieser wurde jedoch 2015 seitens der Regierung aufgekündigt, nachdem die AKP von Präsident Erdogan anfing, im politischen Prozess an Macht zu verlieren und die Gesellschaft demokratische Strukturen nach den Ideen Abdullah Öcalans in den kurdischen Städten errichtete.
Um diesen Prozess umzukehren wurde Abdullah Öcalan unter totale Isolation gestellt und die türkische Armee begann einen brutalen Krieg gegen die kurdische Bevölkerung, in dem tausende ZivilistInnen ihr Leben verloren und ganze Städte dem Erdboden gleich gemacht wurden.

Die Repressionen Deutschlands zu Gunsten Erdogans

Auch in Deutschland machte sich der türkische Kurswechsel bemerkbar. Durch seinen unmoralischen „Flüchtlingsdeal“, bei dem Erdogan die europäische Angst vor der Einwanderung syrischer Kriegsflüchtlinge nutzte, um seinen Krieg gegen die kurdische Freiheitsbewegung zu finanzieren, machte sich Deutschland erpressbar. Die türkische Politik gewann zunehmend Einfluss auf die deutschen Staatsorgane und die traditionelle Zusammenarbeit in der Unterdrückung kurdischer Freiheitsbestrebungen erreichte ein neues Level. Selbst kulturelle Institutionen, die jahrzehntelang für Vielfalt und Integration in Deutschland sorgten, wurden Opfer dieser Politik. Kurdische Presse, StudentInnen- und Kulturverbände und sogar ein Buch-verlag wurden nach türkischen Vorbild mit Repressionen überzogen. Jegliche Forderungen für die Freiheit von Abdullah Öcalan und sogar sein bloßes Abbild wurden kriminalisiert.

Deutschland – Türkei: Eine Langzeitbeziehung

Diese Zusammenarbeit gipfelte im völkerrechtswidrigen Überfall der türkischen Armee auf die kurdische Region Efrîn im benachbarten Syrien. Neben islamistischen Banden bestehend aus ehemaligen Kämpfern von Al-Qaida und dem IS, wurde die türkische Armee hierbei auch von deutschen Aufklärungsflügen und massiven Waffenlieferungen aus deutscher Produktion unterstützt. Die ganze Welt schaute zu wie hunderttausende Menschen vertrieben, Dörfer und Städte geplündert und Frauen und Mädchen versklavt und vergewaltigt wurden, doch statt Erdogan vor ein Kriegsgericht zu stellen oder zumindest Sanktionen gegen die Türkei zu verhängen, wurde dem mittlerweile alleinigen Herrscher der Türkei noch im gleichen Jahr in Deutschland der rote Teppich ausgerollt und Tee serviert.
Schon wieder ließ die deutsche Regierung sich erpressen und verschloss die Augen deshalb vor der Realität. Denn wie schon vor 140 Jahren der Bau der Bagdadbahn durch deutsche Unternehmen die schwächelnde Wirtschaft des Osmanischen Reiches ankurbelte, soll heute deutsches Geld und Know-How dafür sorgen, dass das innertürkische Schienennetz komplett modernisiert wird. Bei der Vergabe des attraktiven 35 Mrd. Euro schweren Auftrag buhlen derweil deutsche Unternehmen gegen chinesi-sche Industriekonzerne. Um die Wirtschaftsgiganten im eigenen Land gnädig zu stimmen, sollte die Bundesregierung also auf Maßnahmen verzichten, die den launischen Präsidenten in Ankara beim Bau seiner Schienen gen China blicken lassen würden. Diese Rechnung sichert der Türkei freie Fahrt auf dem politischen Spielfeld, doch wurde diese Rechnung ohne die freiheitlichen Kräfte der jeweiligen Länder gemacht.

Erdogans Verzweiflung gegen den Widerstand

Der heldenhafte Hungerstreik der kurdischen HDP-Abgeordneten Leyla Güven und den Tausenden, die mit ihr bereit sind sogar ihr Leben für eine freie und gerechte Gesellschaft zu geben, bewegt schon heute die Massen – in der Türkei und auch in Deutschland. Kein Wunder, denn die Umsetzung der einzigen Forderung Leyla Güvens, nämlich die Aufhebung der menschenrechtsverachtenden Totalisolation von Abdullah Öcalan, würde die Aufnahme des 2015 abgebrochenen Friedensprozesses mit der kurdischen Freiheitsbewegung bedeuten.

Quelle: YXK/ JXK Deutschland

WEITERE INFORMATIONEN:

Civaka Azad: Freunde fürs Leben – die strategische Dimension der deutschtürkischen Partnerschaft in Zeiten des Umbruchs

Der Mittlere Osten befindet sich in einer Phase tiefgreifender Umgestaltung. In diesem Zusammenhang kommt den deutsch-türkischen Beziehungen aus der Sicht beider Länder eine besondere Bedeutung bei der Sicherung ihrer jeweiligen Interessen zu. Die gemeinsame Verfolgung politischer, wirtschaftlicher, militärischer und geostrategischer Interessen fußt auf einer mehrere Jahrhunderte alten Tradition deutsch-türkischer Beziehungen. Beide Länder verbindet eine strategische Partnerschaft. Vor dem Hintergrund der historisch gewachsenen Verschränkung Deutschlands und der Türkei auf politischer, sozialer, kultureller, wirtschaftlicher und militärischer Ebene erscheinen die Streitigkeiten um inhaftierte Deutsche in der Türkei und Nazi-Beschimpfungen durch türkische Regierungsvertreter als kurzweilige Unannehmlichkeiten. Der strategische Bündnispartner Türkei reagiert auf die Umbrüche in seiner unmittelbaren Nachbarschaft mit der Errichtung eines autokratischen Regimes und einer zunehmenden Verwicklung in die militärischen Konflikte der Region. Dabei sieht sich die Türkei selbst mit zunehmendengesellschaftlichen Widersprüchen und einem Krieg im Südosten des Landes konfrontiert. Für die deutsche Bundesregierung stellen sich in diesem Zusammenhang zwei zentrale Fragen: In wie fern wird Deutschland auch zukünftig in der Lage bleiben eigene Interessen im Mittleren Osten über den Bündnispartner Türkei durchzusetzen? Wie weit ist Deutschland bereit mit einem türkischen Regime zusammen zu arbeiten, das offen diktatorische Züge trägt und zunehmend nationales und internationales Recht missachtet?