BRD als Global Player

Quelle: ANF – Wenn Deutschland weltweit „Verantwortung übernimmt“

Deutschland ist tiefer in die globale politische, wirtschaftliche, soziale und militäri-sche Krise verwickelt, als manch einer wahrhaben möchte. Verfolgt man die De-batten im Land, entsteht der Eindruck, dass bei weiten Teilen der bundesdeutschen Zivilgesellschaft ein Bewusstsein für die Tragweite der globalen Krise und die Ver-wicklung Deutschlands nur sehr schwach ausgeprägt ist. Während deutsche Staats- und Regierungsvertreter unter der Losung »neue deutsche Verantwortung« seit spätestens 2013 eine klare Strategie globaler Machtansprüche verfolgen, bleibt eine gesellschaftliche Antwort aus, die den Gefahren eines deutschen Machtstre-bens in Europa und darüber hinaus gerecht wird. Bürgerinitiativen, zivilgesellschaft-liche Vereine, Stiftungen, Gewerkschaften, die Kirche, politische Parteien oder Me-dien werden daher so schnell wie möglich eine gesellschaftliche Diskussion darü-ber anstoßen müssen, welche Rolle Deutschland im 21. Jahrhundert in Europa und weltweit spielen soll. Konkret bedeutet das, eine demokratische und friedliche Visi-on für Deutschland und Europa zu entwickeln und praktisch werden zu lassen – und damit ein Gegengewicht zu dem Programm »neue deutsche Verantwortung«, das bereits heute deutsche Innen- und Außenpolitik immer kriegerischer, kompro-missloser und menschenverachtender auftreten lässt.


DER SPRUNG AUS DEM SCHATTEN DER USA

Globale Großmachtphantasien der deutschen Eliten sind älter als der deutsche Nationalstaat selbst. Schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts träumte man hier zu Lande von einem deutsch dominierten Europa, mit dessen Hilfe man in Konkurrenz zu Großbritannien zu einer Weltmacht werden wollte. Zwei verlorene Weltkriege später war man vorerst dazu gezwungen, sich im Schatten der USA einzuordnen und wieder zu Kräften zu kommen. Mit dem Zusammenbruch des Realsozialismus und dem dadurch entstandenen Machtvakuum weltweit wurden keine fünfzig Jahre später auch deutsche globale Machtbestrebungen wieder le-bendig. Das wiedervereinte Deutschland machte sich mehr oder weniger direkt daran, in Ost- und Südosteuropa die eigene Dominanz durchzusetzen. In Serbien war man dafür zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg wieder bereit, die Bun-deswehr im Ausland Krieg führen zu lassen. Aber auch für den Mittleren Osten, vom Maghreb bis nach Pakistan, zeigt die bundesdeutsche Politik großes Inter-esse. Grund dafür sind neben dem Ressourcenreichtum und den potentiellen Ab-satzmärkten für deutsche Produkte auch die geostrategische Bedeutung der Regi-on. Bei der Durchsetzung deutscher Machtinteressen nahm man seit Anfang der neunziger Jahre auch Konflikte mit engen Verbündeten wie Frankreich und Eng-land, aber auch den USA in Kauf.

Mit einer gezielten Öffentlichkeitskampagne von Außenministerium und Bundes-präsidialamt wurde 2013 der Gesellschaft präsentiert, was Jahre zuvor bereits durch Debatten außenpolitischer, militärischer und wirtschaftlicher Führungskräfte vorbereitet worden war: das Programm »neue deutsche Verantwortung«. Seither bewegt sich Deutschland mit großen Schritten aus dem Schatten der US-Politik heraus. Das Mittel dafür ist altbewährt: Der Hauptpfeiler des globalen Machtstre-bens Deutschlands ist eine global konkurrenzfähige EU, die sich gemäß deutschen Interessen positioniert, und zwar auf so unterschiedlichen Feldern wie Wirtschaft, Außenpolitik, Militär, Kultur oder Sozialem. Jüngstes Beispiel dafür ist der diplomati-sche Vorstoß aus Berlin, eine eigene Marinemission im Persischen Golf zu organi-sieren – in offener Abgrenzung zu ähnlichen Plänen aus den USA. Ähnlich kann auch die Ablehnung Deutschlands gedeutet werden, sich an einer Militärmission in Nordsyrien unter US-Leitung mit Bodentruppen zu beteiligen. Die bundesdeutsche Politik will globale Machtpolitik betreiben – und zwar möglichst weitreichend zum eigenen Vorteil.


DIMENSIONEN »NEUER DEUTSCHER VERANTWORTUNG«

Die Folgen für die Gesellschaft Deutschlands sind weitreichend. Neben einem ste-tig wachsenden Anteil gesellschaftlichen Reichtums, der für militärische Zwecke bereitgestellt wird, bedarf es insbesondere einer gesellschaftlichen Stimmung, die bereit ist, deutsche Interessen global in den Vordergrund zu stellen. Nationalismus, Militarismus oder Sexismus werden in diesem Zusammenhang von verschiedens-ten Kreisen aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Medien bewusst angeheizt. Und auch liberale Diskurse, in denen die deutsche Verantwortung für Demokratie und Wohlstand in der Welt beschworen wird, bezwecken letztendlich die Durch-setzung deutscher Großmachtphantasien. Die bundesdeutsche Politik- und Medi-enlandschaft tritt in dieser Frage immer geschlossener und selbstbewusster auf.

Was einer umfassenden Diskussion bedarf, soll an dieser Stelle nur angedeutet werden. Denn die Dimensionen »neuer deutscher Verantwortung« erstrecken sich von militärischen über wirtschaftliche bis hin zu sozialen Aspekten. Im militärischen Bereich, der aus den oben genannten Gründen eng mit der sozialen Stimmung im Land verbunden ist, lassen sich sieben wichtige Bereiche nennen, die für die Durchsetzung globaler Machtbestrebungen Deutschlands zentral sind:

1. Die Rolle der BRD in der NATO
Deutschland fungiert als NATO-Drehkreuz und nutzt damit seine geostrategische Lage im Herzen Europas, um die eigene Machtposition zu stärken. Ob zehntau-sende US-amerikanische Soldaten auf bundesdeutschem Gebiet, die Lagerung US-amerikanischer Atomwaffen oder die Koordinierung von NATO-Truppenver-legungen nach Osteuropa – bundesdeutsche Politik positioniert sich damit als un-abdingbarer Bestandteil militärischer Pläne westlicher Militärbündnisse.

2. Waffenexporte

Insbesondere die verschiedenen Merkel-Regierungen verfolgen seit Jahren eine Waffenexportpolitik, mit der eigene Bundeswehreinsätze zum Teil überflüssig ge-macht werden und die Kooperation ausländischer Regierungen gesichert wird. Ganz oben auf der Liste stehen faschistische Regime wie die Türkei oder Saudi-Arabien, aber z. B. auch die algerische Regierung, die sich seit Monaten mit Pro-testen der Bevölkerung konfrontiert sieht. Die Besetzung des vorwiegend kurdisch besiedelten Kantons Efrîn in Nordsyrien mithilfe deutscher Leopard-Panzer und G3-Gewehre zeigte Anfang 2018, wozu Partner wie die Türkei durch deutsche Waffen in die Lage versetzt werden.

3. Kriegsbeteiligung der Bundeswehr
Als Ergänzung zu milliardenschweren Waffengeschäften ist die Bundeswehr seit 1999 mit tausenden Soldaten weltweit an Kriegen beteiligt. Afghanistan, Mali, Liba-non, Jordanien, der Balkan, Syrien, der Irak oder das Südchinesische Meer sind nur einige der Einsatzgebiete. Auffällig ist, dass in den Einsatzgebieten der Bundes-wehr auch nach mehrjährigen Operationen keine Stabilität eintritt, geschweige denn demokratische Verhältnisse. Die Aufgabe deutschen Militärs scheint mehr die Stei-gerung des außenpolitischen Gewichts Deutschlands zu sein, als gesellschaftliche Konflikte im Ausland zu lösen.

4. Aufrüstungsbestrebungen
Auch innenpolitisch zeigen sich deutliche Folgen. Die Steigerung militärischer Ausgaben auf ca. siebzig Milliarden Euro in den nächsten Jahren ist erklärtes Ziel bundesdeutscher Politik. In der Öffentlichkeit und in Schulen wirbt die Bundeswehr mit professionellen Imagekampagnen für den Kriegsdienst. Weite Teile deutscher Staats- und Regierungsvertreter scheinen sich als Ziel für die nächsten Jahre auf eine militärisch schlagkräftige Bundeswehr und ein gesellschaftliches Klima geei-nigt zu haben, das Krieg im Interesse Deutschlands gutheißt. Eine materiell und ideell militarisierte Gesellschaft wird die Folge sein.

5. Militär- und Kriegsforschung
Auch bedeutende Teile des deutschen Wissenschaftsbetriebs beteiligen sich aktiv an der Umsetzung der Doktrin »neue deutsche Verantwortung«. Zahlreiche Univer-sitäten verweigern sich trotz langanhaltender Proteste konsequent einer Zivilklau-sel. Dies ermöglicht ihnen, militärische Forschungsaufträge u. a. von der Bundes-wehr anzunehmen. Grundlagenforschung für die technische Überlegenheit deut-scher Kriegstechnik gehört damit zum Alltag der deutschen Universitätslandschaft.

6. Ausbildungsmissionen im Ausland
Die deutsche Bundeswehr, aber auch die Polizei sind in zahlreichen europäischen und außereuropäischen Ländern an Ausbildungsmissionen für den dortigen Rep-ressionsapparat beteiligt. Neben dem Training von Aufstandsbekämpfung und auf ähnlichen Feldern wird bereitwillig das materielle Equipment dazu verkauft, offen-sichtlich ohne ein allzu großes Augenmerk auf die Verhältnisse in den jeweiligen Ländern zu legen.

7. Rüstungsprojekte
Rüstungsprojekte auf europäischer Ebene werden von deutschen Staats- und Regierungsvertretern offensiv gefördert. Gemeinsam mit Frankreich und anderen europäischen Ländern läuft z. B. derzeit ein auf mehrere Jahre angelegtes und ca. hundert Milliarden Euro umfassendes Projekt, in dessen Rahmen die nächste Ge-neration eines europäischen Kampfjets entwickelt und gebaut werden soll. Damit würde der Eurofighter von einem Verbund aus modernem Kampfflugzeug, Drohnen und Drohnenverbänden abgelöst. Außenpolitische und militärische Verantwortungs-träger aus Deutschland diskutieren zudem zunehmend darüber, die französischen Atomwaffen zu europäisieren. Das würde letztendlich bedeuten, dass Deutschland Zugriff auf Atomwaffen bekäme, die man sicherlich gerne mit europäischem Siegel für deutsche Interessen einsetzen würde.

Die vielfältigen Maßnahmen auf dem Feld von Militär und Polizei begleitend nutzt die deutsche Außenpolitik traditionell Stiftungen und wirtschaftslobbyistische Ver-bände für die Durchsetzung eigener Interessen. Das ist insbesondere kulturell und sozial interessant, ist man sich doch des Umstandes bewusst, dass militärische Maßnahmen allein kostspielig und riskant sind. Über Institutionen wie das Goethe-Institut oder Parteistiftungen wie die Friedrich-Naumann-Stiftung kann man kontinu-ierlich und ohne viel Aufmerksamkeit politische Kreise im Ausland unterstützen, die man in das eigene Großmachtstreben einbinden will. Ob Wirtschaftsdelegationen nach Brasilien unter Bolsonaro oder Friedrich-Naumann-Delegationen in das von Protesten erschütterte Hongkong – die deutsche Außenpolitik weiß, wie man leise und zielgerichtet Einfluss nehmen kann.


NEUER GESELLSCHAFTLICHER PROTEST GEGEN EINEN ALTEN TRAUM DES DEUTSCHEN STAATES

»Neue deutsche Verantwortung« bedeutet, Deutschland in der Welt eine Stellung zu erkämpfen, die Staat und Wirtschaft möglichst viel Macht und Profit sichert. Die oben nur kurz angedeuteten Mittel zur Realisierung dieses Projekts verdeutlichen, dass dieser Plan auf dem Rücken der Gesellschaft in Deutschland umgesetzt wird. Seit Anfang der neunziger Jahre findet mit aller Heftigkeit eine globale Krise statt, in deren Rahmen politische und wirtschaftliche Einflussbereiche weltweit neu aufge-teilt werden und in der letztendlich die Krise der kapitalistischen Ordnung ihren Aus-druck findet. Es liegt in der Natur staatlichen Machtdenkens, diese Neuordnung der Verhältnisse für die Durchsetzung eigener Interessen zu nutzen. Ein Staat wie der deutsche, der seit seiner Gründung Großmachtphantasien hegt, tritt in solchen Zeiten besonders aggressiv auf. »Neue deutsche Verantwortung« ist die Losung der dazugehörigen Imagekampagne. Bleibt gesellschaftlicher Widerstand dagegen aus oder zu schwach, darf befürchtet werden, dass Deutschland düstere Jahr-zehnte erwarten, deren Tragweite auch Profis aus der Werbe- und Medienbranche nur schwer kaschieren können.

Es stellt sich daher die Frage: Wie kann die Zivilgesellschaft Deutschlands ein demokratisches und friedliches Projekt für Deutschland und Europa entwickeln, das sich moralisch-politische Prinzipien zur Grundlage nimmt? Während Staaten und Regierungen traditionell eher eigene Macht- und Profitinteressen in den Vorder-grund stellen und zu deren Durchsetzung auch vor dem Einsatz von Gewalt und Manipulation nicht zurückschrecken, liegt es im Interesse der Zivilgesellschaft, Werten wie Demokratie, Frieden und Vielfalt den Vorzug zu geben. Die deutsche Zivilgesellschaft trägt aufgrund der traditionell aggressiven Machtpolitik des deut-schen Staates eine besonders große Verantwortung für die Umsetzung dieser Werte in Europa und weltweit. Positiv ausgedrückt: Die immense europäische und globale Bedeutung Deutschlands kann von der Zivilgesellschaft genutzt werden, um Moral, Demokratie und Politik in Einklang miteinander über die Grenzen des eigenen Landes hinaus zu einem Gegenmodell zu staatlicher Macht- und Kriegs-politik zu machen. Dafür müssen die verschiedenen demokratischen Kreise im Land zusammenkommen, ein gemeinsames Verständnis der historischen Phase und der politischen Verhältnisse entwickeln und sich auf gemeinsame taktische und strategische Ziele einigen. Essentiell für ein Zusammenkommen wird sein, dass weite Teile der Gesellschaft einsehen, wie gefährlich, menschenverachtend und egozentrisch die Strategie »neuer deutscher Verantwortung« ist; und zwar für die deutsche und andere Gesellschaften. Durch gemeinsame Kongresse, Proteste und den Aufbau zivilgesellschaftlicher Strukturen wird die Gesellschaft hier zu Lande in die Lage versetzt werden, Verantwortung für sich, Europa und die Welt zu überneh-men und damit staatliches Großmachtstreben mit seinen verheerenden Folgen aktiv zu verhindern.

EN: Activist’s claims in light of the CDU-squat

These claims were read out by the activists during the occupation on 25.10.19. They were taken up by numerous media agencies.

Internationalists at the window of the CDU office

CLAIMS TO THE INTERNATIONAL COMMUNITY

1. We demand a broad, intensive and earth-shattering solidarity with Rojava!
We call for a comprehensive defence of the people in Syria and the unique
revolution in Rojava.

2.
We demand an active military intervention alongside the SDF against
Erdogan’s genozide against the peoples of Northern and Eastern Syria,
as much as the immediate establishment of a permanent no-fly zone over
Northern and Eastern Syria.

3.
We demand the immediate cessation of all measures that establish a
Turkish-Russian occupation zone at the border of Syria and Turkey.

4. Because of the threat posed by ISIS and other jihadist militias allied with turkey
to the established population and the international society, we demand for a new International Court of Justice solely founded to prosecute ISIS jihadists who are in the hands of the SDF or who fled during the Turkish invasion.

5. We demand the complete cessation of exports of arms and war technology to the Turkish state, as well as to its allies in war and governments that support the Jihad from all states and defence companies worldwide.

6. We also demand the immediate cessation of all political and economic cooperation as well as trade relations with the Turkish state and the
economic elite loyal to the AKP-MHP.

7. We demand the consistent boycott of Turkish Products, services and
institutions from the population. Accordingly, we demand society to refrain
from traveling to Turkey.

8.
We call on the governments to regard Turkey as an insecure travel destination.

9.
We demand all international agents to live up to their responsibility with sanction against the fascist AKP-MHP-regime because of its belligerent extermination rage against ethnic minorities, genocide and violations of international conventions. Furthermore, we demand the timely conviction of commanders of the Turkish invasion by the International Court of Justice for war crimes of systematic annihilation of the civilian population in Rojava.

10. We demand a UN resolution against Turkey because of the violations of
human rights, martial law, international law and the Geneva Convention.

11. We demand an immediate cessation of the European Union’s accession negotiations with Turkey and the associated financial subsidies from the
EU to the Turkish state.

12.
We demand the cancellation of the „refugee deal“ of the German Federal Government together with Turkey with all its conditions and services as well
as the unconditional admission of all refugees from the Turkey, Syria and
every other country!

13. We demand an immediate stop of deportations by the German Federal Government and by the EU to countries of origin like Turkey and Syria,
as well as all other countries.

14.
We insistently demand the withdrawal of the more than 3000 MIT
employees stationed in Germany.

15. We demand the lifting of the ban of the PKK issued in 1994 by the German Federal Government and the decriminalization of Kurdish flags and symbols, Kurdish culture and events!

16. We demand the immediate cessation and historical revision of the
prosecution of Kurds and other groups of people who perceive themselves
part of the liberation movement.

17.
From the bottom of our hearts, we demand the immediate release of the 70 years-old prison inmate for 21 years in almost complete isolation – the leader
of the freedom movement in Kurdistan – Abdullah Öcalan!

18. We demand the release of all political prisoners in Turkey and everywhere!

19. We demand from the CDU/CSU their immediate impeachment and
expulsion from the party for all their members, who have in the past and
present demonstrably supported Turkish fascists, were active in Turkish
nationalist associations or maintain connections to other Turkish fascist organizations like the Grey Wolves or DITIB.

Stop the massacres! Stop the war! Stop the genocide!

*

Störung der Soli-Kundgebung durch Neonazis während der CDU-Besetzung

Am 25. Oktober 2019 besetzten 13 Internationalist*innen erfolgreich das CDU-Wahlkreisbüro in Chemnitz. Vor dem CDU-Büro fand zeitgleich eine Kundgebung statt, die Solidarität mit den Internationalist*innen zeigte. Die Kundgebung wurde von den stadtbekannten Neonazis Robert Andres und Tim Kühn beobachtet. Um 14.20 Uhr tauchten die beiden Neonazis an der Kundgebung vor dem CDU-Büro auf und fertigten Foto/Video-Aufnahmen. Diese wurden wenig später auf der Face-book-Seite von Pro Chemnitz geteilt. Augenzeugen berichten, dass die beiden Neonazis die Kundgebung, auf der sich zu diesem Zeitpunkt hauptsächlich Schü-ler*innen und kurdische Familien aufhielten, mit Beleidigungen und Provokationen störten. Wenig später begannen sie, minderjährige Teilnehmer*innen der Kund-gebung zu schubsen. Daraufhin bildete die Kundgebung, hauptsächlich bestehend aus Minderjährigen, eine Traube um die Faschisten und drängte sie an den Rand des Kundgebungsortes. Daraufhin ergriffen die beiden Neonazis die Flucht. Die Polizei war indes damit beschäftigt, die friedlichen Internationalist*innen gewaltsam aus dem CDU-Büro zu räumen.

Tim Kühn (links) und Robert Andres (rechts) am Rand der Kundgebung vor dem CDU-Büro am 25.10.19 in Chemnitz

Robert Andres und Tim Kühn sind seit Jahren bekannte Gesichter der
rechten Szene in Chemnitz.

Robert Andres, (Jahrgang 1989, ursprünglich aus Cottbus) einer der engsten Vertrauten von Martin Kohlmann. *¹ Neben Kohlmann ist Andres die wichtigste Figur bei Pro Chemnitz. Er ist aktuell Fraktionsgeschäftsführer der extrem rechten Wählervereinigung Pro Chemnitz und ließ sich damit zum zweiten Mal für diese
zur Kommunalwahl im Mai 2019 aufstellen. Er sitzt für Pro Chemnitz im Stadtrat
und probiert sich seit wenigen Jahren als konservativer, bürgerlicher Politiker zu inszenieren. Doch im Hintergrund ist er darüber hinaus gut vernetzt mit Neonazis aus ganz Deutschland.

links: Robert Andres bei einem JN-Aufmarsch 2013 in Döbeln
rechts: Robert Andres als Fahrer des Tiwaz-Teams am 18.10.18 in Ostritz. (hinten links: Eric Fröhlich, hinten rechts: Max Hetzner)

In früheren Jahren war Andres des öfteren auf Neonazidemos zu sehen, so bspw. bei einer Demonstration der Jungen Nationaldemokraten / Jungen Nationalisten (JN, Nachwuchsorganisation der NPD) in Döbeln 2013, an der er mit einer Gruppe von Chemnitzer Neonazis teilnahm. Laut dem Sächsischen Innenministerium wird Andres der seit 2014 verbotenen Neonazi-Kameradschaft Nationale Sozialisten Chemnitz (NSC) zugerechnet. Den NSC gehörten auch Personen aus dem Unter-stützer*innenkreis der rechtsterroristischen Gruppe „Nationalsozialistischer Unter-grund“ (NSU) an. Andres stammt aus der Neonazi-Szene, in der er auch heute noch verortet werden kann. Er organisiert gemeinsam mit dem NSC-Anführer Eric Fröhlich in Chemnitz und Umland neonazistische Zeitzeug*innenvorträge, u.a. mit der Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck.

Andres war maßgeblich an der Koordinierung der rassistischen Aufmärsche im Spätsommer 2018 beteiligt. Neben seiner Funktion als Anmelder und Redner bei den rassistischen Mobilisierungen 2018 in Chemnitz übernimmt er eine koordina-tive Funktionen in der rechten Kampfsport-Szene. Er ist Mitglied des Organisa-tionsteams des Neonazi-Kampfsportevents TIWAZ. Andres nahm 2018 an den rechten Kampfsportevents TIWAZ in Grünhain-Beierfeld und Kampf der Nibelungen am 13.10.2018 in Ostritz teil. Auf dem Weg zum Kampf der Nibelungen 2018 fuhr Andres den blauen VW-Bus von Martin Kohlmann, in dem auch Eric Fröhlich und Max Hetzner (Kämpfer für das TIWAZ-Team) saßen.

Nach der zweiten Kundgebung, die Pro Chemnitz im April 2020 gegen die „Co-rona-Diktatur“ anmeldete, sagte Andres im Interview mit Michel Michael Wittwer am 24.04.20: „Der Staat so wie er jetzt ist, kann nicht ewig existieren. Ich denke auch nicht, dass die AfD das ändern könnte […] ich denke eher, dass der Staat tatsächlich scheitern muss. Es muss ein absolutes Ende und einen absoluten Neuanfang geben.“

Tim Kühn
(Jahrgang 1990) nahm mindestens seit 2009 in ganz Sachsen und
teilweise darüber hinaus an Nazidemonstrationen teil, insbesondere an Trauer-märschen. Hierbei bewegte er sich fast immer im Umfeld der Nationalen Sozialis-ten Chemnitz (NSC) und nach seinem zwischenzeitigen Wegzug aus Chemnitz ins Erzgebirge wirkte er bei den Nationalen Sozialisten Erzgebirge weiter. Er war Teil der neonazistischen Fangruppierung New Society/NS-Boys beim Chemnitzer FC. Zwischenzeitlich wurde er mit einen Stadionverbot belegt. Seine führende Rolle in der rechten Fanszene wurde u. a. bei der Beerdigung des Neonazi-Hooligans Thomas Haller im März 2019 deutlich. Dort wirkte er als Mittelsperson zwischen Familie und den Teilnehmenden des Trauermarsches.

Tim Kühn

Zusätzlich unterstütze Tim Kühn die NPD im Wahlkampf 2013 bei mindestens
fünf Veranstaltungen in Bayern. 2013 arbeitete er für die bayerische NPD als
Security-Kraft bei mehreren Wahlkampfständen im Landtagswahlkampf.

Kühn gehörte auch der Gruppe Rechtes Plenum an, welche sich im Juli 2015 offiziell gründete. Das Rechte Plenum versuchte im Jahr 2016 ein Stadtviertel in Chemnitz unter ihre Kontrolle zu bringen und auf dem Sonnenberg ein Neonazi-Kiez nach dem Vorbild von Dortmund-Dorstfeld zu errichten. Das Konzept der „National befreiten Zone“ stammt von der NPD und Kameradschaften aus den 1990er Jahren und bezeichnet ein Gebiet, in dem Gegner*innen der Neonazis
nicht nur zum Schweigen gebracht wurden, sondern wo die Rechten die Macht
ausüben. Mitglieder des Rechten Plenums sind darum gezielt auf den Sonnen-
berg gezogen und haben sich rund um den Lessingplatz angesiedelt. In Chemnitz tauchten seit dem Frühjahr 2016 vermehrt Schmierereien wie “Nazi-Kiez” und
“NS-Jetzt” auf, besonders im Stadtteil Sonnenberg. Eine Gruppe aus jungen Neo-nazis, die sich selbst als “Nazi-Hipster” bezeichneten, sorgten mit Angriffen auf Andersdenkende für die Wahrnehmung des Sonnenbergs als No-Go-Area für Menschen, die nicht in ein neonazistisches Weltbild passen.

Rechtes Plenum, 17.04.2016, Nudelholzposing vor der Diesterweg-Schule

Auch in den sozialen Netzwerken, wie Facebook, Instagram, Tumblr, etc. war das Rechte Plenum aktiv. Die bereits 2016 abgeschaltete Facebook-Seite “Kopfstein-pflaster” generierte Tausende Likes und verbreitete das Bild vom coolen, feschen Nazi, der mit Mate und Jutebeutel für eine “National Befreite Zone” eintritt. Es wur-den kurze Mobivideos gedreht, mit Hassmasken und Pyrotechnik, um für Jugend-liche attraktiv zu sein und das eigene Gefahrenpotential zu demonstrieren. Einen ersten Versuch, linke Chemnitzer Strukturen zu unterwandern, gab es im Mai 2016 als Karl Schittko, ein Mitglied des Rechten Plenums bei einem Treffen des antiras-sistischen Bündnisses “Chemnitz Nazifrei” auftauchte und versuchte vorgeblich In-sider-Informationen weiterzugeben, um ganz nebenbei die Struktur zu unterwan-dern und eigene Informationen zu sammeln.

Überschneidungen beim Rechten Plenum gibt es mit den ehemaligen Mitgliedern der NSC und den NS-Boys, einer Ultra-Gruppe vom Chemnitzer FC, die keinen Hehl aus ihrer neonazistischen Gesinnung macht. Die Gruppe war bundesweit sehr gut vernetzt, insbesondere in den Raum Dortmund. Speziell Christoph Dre-wer und Matthias Deyda aus Dortmund pflegten gute Kontakte zu Mitgliedern des Rechten Plenums, unter Anderen zu Tim Kühn, welcher bis heute gute Verbindun-gen nach Dortmund hat. Um ihre Verbindungen zu stärken und weiter auszubauen, versuchen sie sich an der Organisation von Veranstal-tungen. Im Mai und Juni 2016 organisierte die Gruppe eine “Demoschulung” und eine “Kiezschulung”, wo “Kameraden” beispielsweise lernen sollten, wie man Polizeiketten durchbricht oder was bei Hausdurchsuchungen zu tun ist. Die “Demoschulung” fand am 28.05. in einem Steinbruch bei Chemnitz statt, zahl-reiche Neonazis aus dem Bundesgebiet nahmen teil.

Seit September 2016 wurde es ruhig um die Gruppe. Der Grund lag vermutlich in internen Streitigkeiten. Es zogen dennoch weitere Nazis in den “Kiez” und die Pro-pagandawelle auf der Straße nahm sogar zu. Nach dem umfangreichen Outing des Rechten Plenums im November 2016 löste sich die Gruppe offiziell auf. Fast alle geouteten Mitglieder verließen die Stadt – nicht so Tim Kühn.

Kühn trat bereits auf dem ersten extrem rechten Schild & Schwert-Festival im April 2018 in Ostritz, in enger Kooperation mit dem Kampf der Nibelungen-Team um die Dortmunder Neonazis Alexander Deptolla und Jim Koal, als Standbetreuer für das TIWAZ auf. Tim Kühn ist einer der Hauptverantwortlichen des rechten Kampf-sportevents TIWAZ, welches 2018 das erste Mal stattfand.

Beteiligte Personen und Organisationen (Tiwaz 2018), (v.l.n.r.) Philipp Oertel (Wardon 21), Alexander Deptolla (Kampf der Nibelungen), Tim Kühn (Tiwaz), Tomasz Skatulsky (Pride France), Denis Nikitin (White Rex) und zwei Personen von Black Legion

Im Spätsommer 2018, als Pro Chemnitz zahlreiche rassistische Aufmärsche im Zuge der faschistischen Mobilisierungen in Chemnitz initiierte, übernahm Kühn ebenfalls organisatorische Aufgaben. Auch während des Aufmarsches Tag der deutschen Zukunft 2019, der eine Woche vor dem zweiten TIWAZ in Chemnitz stattfand, fungierte Kühn als Ordner und lokale Ansprechperson. Ebenso war er in Vertretung des TIWAZ als Teil der deutschen Reisegruppe ausmachbar, die zum rechten Kampfsportevent Pro Patria Fest im April 2019 nach Griechenland reiste.

links: Tim Kühn am 21.09.2018 beim Aufmarsch von Pro Chemnitz
rechts: v.l.n.r. Tomasz Skatulsky (Frankreich), Jim Koal (Dortmund, Ex-Chemnitz), Tim Kühn (Chemnitz), Marina Liszczewski (Dortmund)

Martin Kohlmann (Jahrgang 1977) ist der Kopf von Pro Chemnitz. Mit 18 Jahren trat er den Republikanern bei, wurde mit 21 Kreisvorsitzender und konnte 2004 mit 10,3% das beste Ergebnis einer rechten Partei in Deutschland seit dem zweiten Weltkrieg einfahren. Sein Weltbild ist zwar nicht als geschlossen national-sozialistisch zu betrachten, dennoch handelt es sich bei Kohlmann um einen ex-trem rassistischen, homophoben und auch antisemitischen Agitatoren. In Chemnitz ist Kohlmann bestens vernetzt. Dabei reichen seine Kontakte besonders weit so-wohl in christliche Gemeinden, die russischsprachige Community und die Neonazi-szene. Kohlmann, der als szenebekannter Rechtsanwalt sowohl zahlreiche Neo-nazis als auch Asylbewerber*innen (sowohl aus Tschetschenien als auch aus Afghanistan) vertritt, gehört die Immobilie Brauhausstraße 6, in der seine Kanzlei und das ursprünglich als „Begegnungszentrum“ beworbene Bürgerbüro der Partei untergebracht sind. Außerdem gibt es eine zweite, nichtöffentlichte Bar, in der sich regelmäßig junge Neonazis treffen, des Weiteren eine Klingel einer Gruppierung namens Heimat Tradition Sport. Von hier gingen auch versuchte Angriffe auf Be-sucher*innen des Clubs Transit im Frühjahr 2018 aus. Martin Kohlmann war ab dem 27.08.2018 Hauptorganisator der rassistischen Aufmärsche in Chemnitz nach dem Tod des 35-jährigen Daniel H. Rassistische Angriffe und Ausschreitungen im Zusammenhang mit den teilweise von ihm organisierten Demonstrationen bezeich-nete Kohlmann in einer Rede als „Nicht Selbstjustiz, sondern Selbstverteidigung“.

Martin Kohlmann als Redner bei einer rechten Demonstration im Zuge der rassistischen Mobilisierungen in Chemnitz 2018


ZUM WEITERLESEN:

Umfangreiches Outing des „Rechten Plenums“ (2016)
https://linksunten.archive.indymedia.org/node/195757/index.html

Kampfsportevent „TIWAZ“ 2019

«Tiwaz» 2019: Neonazis & Hooligans trainieren für Straßenkampf & „Tag X“

Aktuelle Entwicklung um das sog. „Bürger- und Begegnungszentrum“ (Haus von Martin Kohlmann) von Pro Chemnitz (Februar 2019)

Aktuelle Entwicklung um das sogenannte „Bürger- und Begegnungszentrum“ von Pro Chemnitz im Februar 2019

Das extrem rechte Kampfsportturnier „Tiwaz – Kampf der freien Männer“ (2018)

Das extrem rechte Kampfsportturnier „Tiwaz – Kampf der freien Männer“

Kritik an der CDU/CSU

Zu allen Abkürzungen und Namen von Organisationen findet ihr eine kurze Beschreibung in der Übersicht zu kurdischen Organisationen und anderen Parteien in Kurdistan oder in der Übersicht zu faschistischen Organisationen in Kurdistan.

1. ANMERKUNG

Es gibt viele Gründe, ein CDU-Büro zu besetzen.
Über die Komplexität der Verstrickungen der CDU/CSU in moralische Skandale und das Ausmaß der Folgen der jahrzehntelang andauernden CDU-Politik in der BRD könnten Bibliotheken gefüllt werden. Nicht erst seit Rezos Youtube-Offen-barung („Die Zerstörung der CDU“, 2019) zieht sich vom Wahlprogramm und konservativer Ideologie bis zur Genehmigung von Waffenexporten und Kriegs-technik eine autoritäre, kapitalistische, eurozentristische und diskriminierende Agenda sichtbar durch das Handeln und Wirken einer sich selbst als christlich-demokratisch inszenierenden Partei. Politisches Schauspiel, rückschrittliche Re-gierungsentscheidungen, Verbindungen von CDU/CSU-Politiker*innen in die Neo-naziszene oder zu türkischen Faschist*innen, Justizskandale und hetzerische Social Media Beiträge pflastern den steinernen Weg der Union.

Besonders aus einer Chemnitzer Perspektive ist die CDU nur auf allen Ebenen zu kritisieren, sei es aufgrund einer jahrzehntelangen Toleranzpolitik gegenüber fasch-istischen Strukturen und rechter Gewalt, einer konservativ bis rechtsradikalen Stadtratskomposition oder lokalpolitischer Apathie und Imagepolitik bei allen he-rausragenden politischen Ereignissen (NSU, Einsiedel 2016, Trauermärsche am 5. März, Chemnitz 2018..). An dieser Stelle soll jedoch weniger auf die CDU/CSU als Parteikomplex in all seinen Dimensionen eingegangen werden, sondern spezifisch widmen wir uns einer kurzen Analyse der Rolle der Union in der Bekämpfung der Kurd*innen und der Förderung des türkischen Faschismus.

Die drei aufgeführten Gründe sind im Zusammenhang mit der Befreiungsbewegung Kurdistans bedeutsame Entwicklungen in der BRD. Durch eine Jahrzehntelange Tradition der Verbrüderung zwi-schen CDU/CSU und dem türkischen Staat, sowie türkischen Organisationen in Deutschland wurden die gesellschaftlichen Rahmen-bedingungen geschaffen, um Erdogan in seiner kriegerischen Diktatur zu bestärken und Kurd*innen und der Befreiungsbewegung nahestehenden Internationalist*innen massiver Repression zu unterwerfen.


2. ZUSAMMENARBEIT DER CDU/CSU MIT DER MHP
UND DEN GRAUEN WÖLFEN

Schon in der Zeit der Dritten Reichs in Deutschland gab es enge Verbindungen zwischen türkischen Faschisten und den zu dieser Zeit herrschenden National-sozialisten. Aufgrund der vielen Überschneidungen in der Ideologie und dem spä-teren gemeinsamen Kampf gegen den Kommunismus, kam es zu einer engen Zusammenarbeit. Nachdem Deutschland den Krieg verloren hatte und kapitulieren musste, wurde innerhalb der deutschen Politik, keine konsequente Auseinander-setzung mit den faschistischen Funktionären in Institutionen des deutschen Staates durchgeführt. Daher ist es nicht verwunderlich, dass die Zusammenarbeit zwi-schen Faschisten aus der Türkei und Funktionären der konservativen Partei CDU/ CSU weiterging.

2.1 Anfänge der Zusammenarbeit mit der MHP und den Grauen Wölfen

Als Durchbruch für die Etablierung der „Grauen Wölfe“³ in Deutschland kann das Jahr 1978 begriffen werden. Nachdem Helmut Kohl, damaliger Fraktionschef von CDU/CSU, den türkischen Faschistenführer Türkeş das Gespräch verweigerte, beschwerte sich der über gute Kontakte zur CSU verfügende Istanbuler Unterneh-mer Murat Bayrak als Türkeş Kontaktmann in einem Brief an den bayerischen Mi-nisterpräsidenten und CSU-Vorsitzenden Franz Josef Strauß. Im April 1978 ge-währte Strauß in München Türkes, dem Vizevorsitzenden der MHP¹, Gün Sazak und Murat Bayrak die gewünschte Audienz. Es sei ein sehr herzliches Gespräch gewesen, berichtete Bayrak später. Übereinstimmung habe in der Beurteilung des Weltkommunismus als Gefahr für den freien Westen bestanden. „Strauß sagte dem Vernehmen nach den MHP-Politikern zu, dass in Zukunft für die MHP und die Grauen Wölfe ein günstiges psychologisches Klima in der Bundesrepublik geschaf-fen werden müsse, damit die MHP hier in einem besseren Licht erscheine. Bayern soll der Anfang sein.“

Besonders nach dem Militärputsch 1980 in der Türkei wurde die Zusammenarbeit intensiviert und viele faschistische Mörder und Funktionäre aus der Türkei fanden Unterschlupf in Deutschland und den hier gebildeten Strukturen, wie der Türk Fe-derasyon². Die Mitgliederanzahl stieg in diesen Jahren massiv, weil viele Graue Wölfe aufgrund von Strafverfolgung aus der Türkei fliehen mussten.

2.2 Mord an Celattin Kesim durch Graue Wölfe 1980

In der Reihe der Gewalttaten durch Graue Wölfe erlangte der Mord an Celattin Kesim in Berlin Kreuzberg besondere Aufmerksamkeit. Er wurde am 5. Januar 1980 von Grauen Wölfen und Islamisten, welche aus der nahen Mevalana Mo-schee kamen, überfallen und ermordet. Celattin Kesim war Kommunist, Gewerk-schaftler und Sekretär des „Berliner Türkenzentrums“, dessen Aktivist*innen an diesem Tag Flugblätter am Kottbuser Tor verteilten. Kesims Genoss*innen ver-dächtigen hinter diesem geplanten Mord den türkischen Geheimdienst.

2.3 Konsolidierung der politischen Einflussnahme durch Graue Wölfe

Die MHP pflegte nicht nur gute Kontakte zu CDU/CSU sondern hatte in den 1970er und 80er Jahren gute Beziehungen zur NPD. Diese Kontakte gingen aber nach den tödlichen Brandanschlägen von Neonazis auf türkeistämmige Migrant*innen in So-lingen, Mölln und anderen deutschen Städten zu Beginn der 1990er Jahre in die Brüche. Stattdessen rief Türkeş seine Anhänger bei der Jahresversammlung der „Türkischen Föderation“ 1995 zur aktiven Politik in CDU und CSU auf. Dort, aber auch bei anderen Parteien, gelangten „Graue Wölfe“ seitdem in örtliche oder regio-nale Vorstände sowie in Ausländerbeiräte und Kommunalparlamente.

Während die kurdische PKK verboten ist und türkische Kommunisten sich von deutschen Gerichten mit Terrorklagen konfrontiert sehen, können die „Grauen Wölfe“ bis heute in der Bundesrepublik weitgehend ungestört agieren. Mit Rücken-deckung der türkischen Konsulate können sie Hetze und Drohungen gegen ver-meintliche Feinde des Türkentums wie Kurd*innen, Alevit*innen, Armenier*innen, Juden, Linke und Homosexuelle verbreiten und als verlängerter Arm der türkischen Regierung Oppositionelle im Exil belästigen. Dabei profitieren die türkischen Fa-schisten bis zum heutigen Tage von dem günstigen psychologischen Klima, das der bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß seinem türkischen Gesin-nungsfreund, dem Hitler-Verehrer Alparslan Türkeş, 1978 angesichts der gemein-sam ausgemachten linken Gefahr zugesagt hatte.

Quelle: Wie die Grauen Wölfe nach Deutschland kamen,
Nick Brauns, Antifainfoblatt,2016


Die Grauen Wölfe – Türkische Faschisten in Deutschland, 2015

2.4 Neuere Ereignisse

Ein 41-jähriger Kurde, Ibrahim Demir aus Midyad in Mêrdîn (türk. Mardin), ist am 15.05.2020 in Dortmund im Zuge eines rassistisch motivierten Gewaltverbrechens ermordet worden. Auf dem Heimweg wurde der kleinwüchsige Mann mehrfach ge-treten, auch als er schon am Boden lag. Der von einem Zeugen herbeigerufene Notarzt konnte den Schwerverletzten nicht mehr retten, Demir starb noch am Tat-ort. Der Verdächtige, ein Anhänger der „Grauen Wölfe”, wurde verhaftet.

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Dortmund ist der 39 Jahre alte Asir A. am 17.05.2020 durch Zeugenhinweise ermittelt worden. Im Laufe der Ermittlungen habe er sich dann selbst gestellt. Die Familie des Opfers hatte einen Aufruf in den sozialen Medien gestartet und an Zeugen appelliert, sich zu melden. Dieser Aufruf habe geholfen. Bei seiner Vernehmung habe Asir A. schließlich eingeräumt, Ibrahim D. körperlich misshandelt zu haben. Wegen des dringenden Tatverdachts der Kör-perverletzung mit Todesfolge wurde er am 18.05. dem Haftrichter vorgeführt.

Ibrahim Demir war kleinwüchsig und nur 1,42 Meter groß. In der Tatnacht befand er sich auf dem Weg nach Hause. Zuvor hatte er noch seine Mutter besucht und war um 23.30 Uhr aufgebrochen. Zuletzt lebend wurde er in einem Kiosk gesehen, 300 Meter von seiner Wohnung in der Adlerstraße entfernt. Gegen ein Uhr nachts be-merkte ein Zeuge die Tat und sah einen Mann wegrennen.

Ibrahim Demir, ermordet von einem Grauen Wolf, 2020

Laut Polizei und Staatsanwaltschaft gibt es noch keine konkreten Hinweise auf ein Motiv, lediglich Anzeichen für einen Streit im Vorfeld. Ein Blick auf das Facebook-Profil des mutmaßlichen Täters zeichnet ein anderes Bild. Asir A. hat ganz offen-sichtlich eine zutiefst rassistische und faschistische Gesinnung und scheint An-hänger der rechtsextremen „Graue Wölfe“ zu sein, wie die Mitglieder der ultrana-tionalistischen türkischen Partei MHP genannt werden.

Ob es sich bei Asir A. auch um die Person handelte, die das Opfer bedrohte, ist allerdings unklar. Şaziye Demir, die Mutter von Ibrahim Demir, gab gegenüber Yeni Özgür Politika an: „Irgendjemand bedrohte Ibrahim in der letzten Zeit. Ich spürte, dass etwas mit ihm nicht stimmt, aber jedes Mal, wenn ich ihn fragte, wich er mir aus. Zuletzt fragte ich ihn zwei bis drei Tage bevor er ermordet wurde, was ihn bedrückt. Er sagte ‚Mama, misch dich nicht ein, sonst bringt er dich um‘“. Hasret Demir, ein Bruder des Getöteten, sagte: „Es ist eine unverständliche Tat. Ibrahim hat niemandem etwas getan. Er war schwach und konnte sich nicht selbst vertei-digen. Das Leben hat es ohnehin nicht gut mit ihm gemeint und nun wurde er so grausam getötet.“


3. GENEHMIGTE RÜSTUNGSEXPORTE DER BUNDESREGIERUNG

Nach dem 2. Weltkrieg hat die deutsch-türkische Partnerschaft einen neuen Rah-men angenommen. Beide Länder wurden NATO-Mitglieder, was zugleich die Fort-setzung und Intensivierung militärischer Zusammenarbeit bedeutete. Die BRD leistet im Rahmen bilateraler Abkommen einen wesentlichen Beitrag zur Ausbil-dung des türkischen Militärs und dem Aufbau der Sicherheitsorgane und militäri-scher Institutionen in der Türkei.

Zudem wurde die Türkei zu einem bedeutenden Absatzmarkt der deutschen Rüs-tungsindustrie. Zahlreiche Firmen wie Rheinmetall, Heckler & Koch, Mercedes und viele weitere exportieren Rüstungsgüter in die Türkei, abgesichert durch die deut-sche Exportwirtschaftsförderung (sog. Hermes-Bürgschaft). Um die strengen Ex-portrichtlinien für die militärischen Güter zu umgehen, verkauft Deutschland mittler-weile entsprechendes Know-How in die Türkei.

Die kriegstreiberische Politik der Türkei in der Region bedeutet für die deutschen Unternehmen eine Wertsteigerung ihrer Produkte auf dem internationalem Markt, da sie unter realen Kriegsbedingungen getestet werden können. So waren es deut-sche Leopard-II-Panzer, auf denen Dschihadisten schließlich in die monatelang umkämpfte und schließlich von türkischen Söldnern, hauptsächlich Anhänger isla-mistischer Milizen, besetzte Stadt Afrin gerollt sind. Die BRD war schon damals und ist heute im Angriffskrieg auf weitere kurdische Gebiete Nordsyriens durch wirtschaftliche Rückendeckung und umfassende Bewaffnung der Türkei eine direkte Kriegspartei.

Kampagne: Rheinmetall entwaffnen!
„Rheinmetall Entwaffnen Camp 2019 – Impressionen
(Lower Class Magazine, September 2019)


„Vom 1. bis 9. September 2019 fand, in Unterlüß bei Celle, das zweite Rheinmetall Entwaffnen Camp statt. Mehrere hundert Menschen haben sich hier zusammen-gefunden um die Waffen- und Munitionsfabriken des Rüstungskonzerns Rheinme-tall zu Blockieren. Erfolgreich wurden so, zwei Tage lang, die Abläufe gestört.“


4. KRIMINALISIERUNG DER KURDISCHEN FREIHEITSBEWEGUNG

Die Kurdische Befreiungsbewegung gehört zu den größten und aktivsten Bewe-gungen der revolutionären Linken, auch in Deutschland. Gleichzeitig ist sie von staatlicher Repression betroffen, wie kaum eine andere politische Bewegung.

Grundlage der permanenten und umfassenden Kriminalisierung ihrer Aktivist*innen und Strukturen ist das 1993 in der BRD erlassene Betätigungsverbot für die Arbei-terpartei Kurdistans (PKK). 1993 wurde die PKK von den damaligen Bundesinnen-mister der CDU Manfred Kanther verboten. Es lieferte die Legitimation für viele un-gezählte Jahre Gefängnis für kurdische Aktivist*innen in Deutschland, meist auf Grundlage des §129b („Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Verei-nigung“). Razzien, Anquatschversuche durch Geheimdienste und politische Polizei, Vorladungen und andere Schikanen wegen vermeintlichen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz prägen den Alltag der kurdischen Bewegung bis heute.

Zuletzt erließ Bundesinnenminister Horst Seehofer im Februar 2019 gar ein Verbot gegen den kurdischen Buchverlag Mezopotamien und den Musikvertrieb MIR.
Die Kriminalisierung der kurdischen Freiheitsbewegung in der BRD hat die Justiz stark geprägt. Vom „Düsseldorfer Prozess“ und dem „Kurden-Käfig“ 1988 über das PKK Betätigungsverbot 1993 bis hin zu den „Terrorismus-Paragraphen“ §§ 129a und 129b des Strafgesetzbuchs. Das sogenannte Symbolverbot spielt dabei eine essentielle Rolle. Längst sind nicht mehr nur die Fahnen und Symbole verbotener Organisationen, wie der PKK betroffen, sondern auch das Bildnis Abdullah Öcalans oder immer wieder auch die Fahnen der syrisch-kurdischen PYD, YPG und YPJ. Selbst Lieder oder Sprechchöre geraten ins Visier der Staatsschutzorgane. Damit hält Willkür Einzug in die Kriminalisierung. Wer legalen kurdischen Organisationen Räume zur Verfügung stellt, wird wegen Unterstützung der PKK verfolgt. Wer seine Solidarität mit dem Kampf der kurdischen Bewegung gegen den „Islamischen Staat“ und für ein freies Rojava zum Ausdruck bringt, muss mit Hausdurchsuch-ungen und Strafverfahren rechnen.

Im März 2017 hat der damalige Bundesinnenminister Thomas de Maizière in einem Rundschreiben an die Landesinnenministerien und Sicherheitsbehörden die Aus-weitung der Verbote von Symbolen kurdischer Organisationen angekündigt. Hier-unter fallen seither auch Kennzeichen der syrisch-kurdischen Partei PYD sowie der Volks- und Frauenverteidigungseinheiten YPG/YPJ, die seither allesamt der PKK zugeordnet wurden und unter das im November 1993 erlassene Betätigungsverbot der PKK fallen. Das Bundesinnenministerium rechtfertigte die Erweiterung der Kennzeichenverbote damit, dass sich die PKK ihrer bedienen würde, da die „eige-nen“ Symbole nicht erlaubt sind. Auf Nachfrage der Linksfraktion im Bundestag relativierte das Ministerium seine Einschätzung vom März 2017 dahingehend, dass das Zeigen der Symbole von PYD, YPG/YPJ u.a. erlaubt sei, sofern bei Veranstal-tungen oder Demonstrationen kein PKK-Bezug feststellbar sei. Schließlich sind diese Organisationen selbst in Deutschland nicht verboten. Das hindert allerdings Polizeibehörden und Staatsanwaltschaften nicht, solche Bezüge zu konstruieren, was zur Folge hat, dass Veranstaltungen verboten oder behindert werden bzw. massenhaft Verfahren wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz eingeleitet und Menschen zu Geldstrafen verurteilt werden. Selbst das Posten in Facebook oder Teilen von Beiträgen mit den inkriminierten Symbolen im Internet werden geahndet. Die Kriminalisierung und strafrechtliche Verfolgung von Kurd*innen ist seit den Rundschreiben des Bundesinnenministeriums insbesondere in Bayern explosions-artig gestiegen.

All die Verbote der letzten Jahrzehnte waren Zugeständnisse der Bundesregierung gegenüber den faschistischen Regimes aus Ankara. Das Vorzeigebeispiel ist der sogenannte „Flüchtlingsdeal“ mit Erdoĝan, welcher den Krieg gegen Rojava mit-finanziert und im Zuge dessen merklich die Angriffe auf die kurdische Freiheitsbe-wegung in Deutschland zunahmen.

Weitere Informationen zur Verfolgung von Kurdinnen und Kurden in der BRD (Infopartisan)

Ablauf der Besetzung des CDU-Parteibüros in Chemnitz am 25.10.19

Rebellion entsteht aus Hoffnung und Hoffnung entsteht aus Rebellion!

Als das türkische faschistische Regime am 9. Oktober 2019 mit ihrem Angriffs-krieg auf Rojava begann, waren unsere kurdischen Freund*innen mehr denn je auf unsere Solidarität und Unterstützung angewiesen. Ein anfänglich breites mediales Echo und die positiven Äußerungen vieler Politiker*innen gingen bald zu Resigna-tion über. Die Öffentliche Meinung verlor ihr Interesse an den Geschehnissen in Rojava mit der Zeit zunehmend und auf der politischen Bühne blieb der völker-rechtswidrige und unmenschliche Invasionskrieg für die Türkei weitgehend ohne Folgen. Daran schienen auch Massendemonstrationen und weltweite Aktionen nichts zu ändern. Wir wissen, dass alle Internationalist*innen ihre Bemühungen vor Ort verstärken müssen, um öffentlichen Druck aufzubauen. In Deutschland gibt es viele Organisationen, welche die Türkei direkt oder indirekt in ihren faschistischen und kriegerischen Aktivitäten unterstützen – wie etwa die konservative CDU/CSU.

Wir entschieden uns, am 25. Oktober das CDU-Büro in Chemnitz zu besetzen.

Als wir am 25.10. kurz nach 11:00 gewaltfrei das CDU-Büro betraten, wurde uns von Beginn an suggeriert, die CDU sei immer für Gespräche bereit und wir sollten uns doch einer argumentativen Diskussion stellen. Sicher ein aus parlamentari-scher Sicht legitimer Vorschlag, doch wenn ein Problem politischer und medialer Wirksamkeit bedarf, um den Handlungsdruck auf Regierungen zu erhöhen, er-scheint ein verbaler Schlagabtausch mit der lokalen CDU-Fraktion nicht als ziel-führende Option. Reaktionen wie Lippenbekenntnisse, Zurückweisungen und der „Ich bin auch nur ein Rädchen im System“-Argumentationsstrang bringen keinen gesellschaftlichen Diskurs voran, deswegen sparen wir uns, gegen eine Wand zu reden und kommen gleich zur Sache. Konkret: Wir kommen ins CDU-Büro, führen ein simuliertes Interview mit der Kreisvorsitzenden und besetzen anschließend euren Seminarsaal!

Nachdem gegen 11.15 Uhr alle Besetzer*innen im Seminarsaal ankamen, wurde umgehend begonnen, Transparente und Fahnen aus dem Fenster im 2. Stock zu hängen. Drei Aktivist*innen, davon zwei Frauen, ketteten sich mit Fahrradschlös-sern an die Absturzsicherung. Bereits wenige Minuten nachdem wir begonnen hat-ten, unser Anliegen und unsere Forderungen aus dem nun besetzten CDU-Büro zu rufen, bekamen wir von der Bevölkerung auf der Straße und besonders den hinzu-gekommenen Aktivist*innen von Fridays for Future breite Solidaritätsbekundungen. Sowohl auf der Kundgebung vor dem CDU-Büro, wo mittlerweile ein Infostand auf-gebaut und Redebeiträge gehalten wurden, als auch bei den Besetzer*innen war die Stimmung entschlossen. Davon konnte uns auch die Tomate nicht abhalten,
die der wütende Bürger vom Markt in Richtung der Kundgebung warf.

Trotz des raschen Eintreffen der Polizei und den damit beginnenden Repressi-
onen hielten wir uns kämpferisch und begleiteten den Einsatz der Polizei mit Parolen und Liedern. Wir kommunizierten mit den Menschen auf der Kundge-
bung vor dem Büro, verlasen unsere Forderungen und beschrieben die Situation während der Besetzung.

Gleich zu Beginn, als die Besetzer*innen an das Fenster gekettet und einhakt
auf dem Boden saßen, wurden sie intensivst von einem Mitglied der Jungen
Union Chemnitz beäugt, der sich vor der Besetzung nicht in dem CDU-Büro auf-hielt. Kurz danach kam ein Staatsdiener mit Kamera, welcher uns als Kriminalpo-lizist vorgestellt wurde. Die Einsatzleitung versuchte, uns mittels verschiedener diplomatischer Strategien, durch Einschüchterung zur freiwilligen Räumung des Büros zu bewegen.

Mit ihrer Anwesenheit belästigten uns außerdem Tim Kühn (ProChemnitz, spätes-tens seit dem Outing vom Rechten Plenum 2016 bekennender Neonazi, einer der Hauptorganisator*innen vom rechten Kampfsportevent TIWAZ und auch langjäh-riger Laufbursche von Martin Kohlmann) und Robert Andres (ProChemnitz, Stadt-rat, Mitorganisator vom rechten Kampfsportevent TIWAZ und langjähriger Laufbur-sche von Martin Kohlmann), welche sich, nachdem sie eine halbe Stunde um die Kundgebung vor dem CDU-Büro geschlichen waren, schließlich an die Kundge-bung heranwagten. Nach ersten Provokationen durch die beiden stadtbekannten Neonazis und einem verbalen Schlagabtausch mit standhaften Fridays For Future Aktivist*innen, begannen Kühn und Andres schließlich, Kundgebungs-teilnehmer*-innen physisch anzugreifen. Auf der Kundgebung befanden sich zu diesem Zeit-punkt hauptsächlich ältere und jugendliche kurdische Menschen und Schüler*innen von Fridays For Future, darunter viele Minderjährige. Als Kühn und Andres ver-suchten, einzelne Menschen zu schubsen, wurden sie erfolgreich von Jugendli-chen aus der Kundgebung gedrängt. Die Polizei war indessen damit beschäftigt,
die Räumung fortzusetzen. Respekt dafür nochmal an alle standhaften FFF-Kids.
Ihr seid cooler als die Polizei erlaubt! ❤️

Seit dem Eintreffen der Polizei sahen wir uns mit Repressionen gegen uns und unseren politischen Protest konfrontiert. Dies geschah sowohl im Versuch uns psychisch unter Stress zu setzen als auch durch physische Schmerzen. Ohne Vorwarnung wurde uns das Megaphon aus den Händen gerissen, was uns daran hindern sollte weiterhin mit Menschen vor dem Büro zu kommunizieren. Seitens der Einsatzkräfte wurde von Beginn an psychischer Druck auf uns Internationa-list*innen ausgeübt, in etwa durch das fortlaufende Androhen von unmittelbarem Zwang, also physischer Gewalt. Aber auch durch das Verhalten der Polizei vor
Ort, explizit durch einzelne Polizist*innen, die uns mit finsterem Blick anstarrten
und dabei permanent ihre schon stark ramponierten Quarzhandschuhe an- und
wieder auszogen.

Während der folgenden Räumung wurde kaum versucht, unsere ineinander einge-hakten Arme durch Hebel zu lösen, sondern es wurde sofort versucht, uns durch Schmerzgriffe, vor allem am Hals, zur Aufgabe zu zwingen. Einer der Polizisten wurde zwischendurch etwas emotional und trat mehrmals auf einen am Boden sit-zenden Internationalisten ein, woraufhin er schließlich von seinen Kollegen zurück gepfiffen wurde (das passiert nicht oft in Sachsen!). Das brachiale und unverhält-nismäßige Vorgehen wurde durch wüste Beschimpfungen und besonders für weib-liche Aktivistinnen durch einen widerlichen Sexismus seitens der Polizist*innen ver-schlimmert. Bei der körperlichen Durchsuchung wurden weiterhin grundlos massiv Schmerzgriffe angewendet.

Nach hilflosen Drohungen der Polizei gegen unsere körperliche Unversehrtheit, be-griff die Einsatzleitung schließlich, dass die Schlüssel für die Fahrradschlösser längst nicht mehr in diesem Haus waren. Die drei Aktivist*innen, die sich am Fen-ster angekettet hatten, mussten frei geschnitten werden. Die Überforderung der Einsatzleitung mit der Aufgabe, einen Bolzenschneider zu besorgen und anzuwen-den, verschaffte uns viel Zeit. Als sie versuchten die Ketten mit Bolzenschneider zu zerschneiden, nahmen sie keine Rücksicht auf körperliche Schäden der Aktivist*-innen. Eine Aktivistin wurde mitsamt der Absturzsicherung unter dem Rücken von einem wütenden Polizisten über den Boden geschleift.

Nachdem wir aus dem besetzen Büroraum getragen wurden, waren wir weiter-
hin den Schikanen der Einsatzkräfte ausgeliefert. Wir wurden gezwungen, bis zu über einer halben Stunde mit dem Gesicht zur Wand stehen. Weiterhin wurden Schmerzgriffe gegen uns angewendet. Ein Genosse hat dabei in Folge von der Anwendung fünf verschiedener Schmerzgriffe fast gänzlich das Bewusstsein verloren. Die Polizisten ließen Fotos der Internationalist*innen anfertigen und for-
derten einige von uns vergeblich auf, dass wir uns für ihre Fotos vermummen.

Anschließend wurde allen beiteiligten Personen ein Platzverweis ausgesprochen und eine Aktivistin wurde in Gewahrsam genommen. Die offizielle Begründung
der Polizei, die Aktivistin hätte den Platzverweis verweigert, ist nicht haltbar. Die Aktivistin wurde vom zweiten Stock bis zum Polizeitransport von zwei bis schließ-lich vier Polizist*innen getragen. Es bestand somit keine Möglichkeit, den Platzver-weis überhaupt wahrzunehmen.

Zwei Aktivistinnen mussten im Anschluss aufgrund ihrer Verletzungen das Krankenhaus aufsuchen. Dabei wurden Verletzungen am Kopf, an mehreren Rippen und an Handgelenken festgestellt.

Von unserer Seite gingen von Beginn der Besetzung bis zu unserer Freilassung keine Provokationen, Beschädigungen oder Gewalt aus. Wir haben uns jederzeit ruhig und besonnen verhalten. Es wurden weder unbeteiligte Menschen durch un-sere Aktion gefährdet noch haben wir uns den Mitarbeiter*innen des CDU-Büros oder der Polizei gegenüber aggressiv verhalten. Wir waren kreativ, ungehorsam und hartnäckig! Wir wollten mit der Aktion ein Bild von Widerständigkeit und Ent-schlossenheit vermitteln. Wir setzten ein Zeichen gegen die Ignoranz der Regie-rung und zeigen unseren Freund*innen in Rojava, dass sie mit ihren Hoffnungen und ihrer Entschlossenheit nach einer lebenswerten Welt nicht allein sind. Das aggressive und rücksichtslose Verhalten der Polizei zeigt, dass jeglicher legitimer Protest erstickt werden soll, um den wirtschaftlichen und strategischen Partner Türkei nicht zu verägern und die eigene demokratische Legitimation zu wahren.

Die mediale Rezeption der Besetzung verlief sehr positiv. In vielen überregionalen Zeitungen, aber auch international und in der Türkei wurde über die CDU-Beset-zung berichtet. Somit wurden kurzzeitig der kurdische Freiheitskampf und seine revolutionären Errungenschaften, der Krieg in Rojava und die Verstrickungen der BRD erfolgreich in den medialen Diskurs zurück geholt.

Interview mit zwei Aktivistinnen, MDR Sachsen , 27.10.19
Was passierte wirklich im Chemnitzer CDU-Büro?

Mit der endgültigen Räumung wurde nur unsere Besetzung beseitigt aber nicht unser solidarischer Geist für die kurdische Freiheitsbewegung in Rojava. Die gemeinsamen Erlebnisse von Widerständigkeit, Kollektivität und das Durch-
brechen alltäglicher Ungerechtigkeiten geben uns Kraft und Hoffnung für alle Kämpfe die noch kommen werden!

Berxwedan Jiyan e! – Widerstand heißt Leben!

*

Solidaritätsbekundung der Ya Basta Gruppe KMS mit Rojava und der CDU-Besetzung in Chemnitz

Redebeitrag von der Ya Basta Gruppe KMS, verlesen auf der Kundgebung vor dem CDU-Büro anlässlich der Besetzung des CDU-Parteibüros am 25.10.19 in Chemnitz

Liebe Menschen,

wir überbringen solidarische Grüße des Ya Basta Netzes.
Seit dem Aufstand der Zapatistas Mitte der 90er Jahre stehen wir in Kontakt mit der zapatistischen Bewegung und sehen uns als ein erweitertes Sprachrohr für die Compas in Mexiko. Außerdem versuchen wir, die zapatistischen Ideen im hier und jetzt gemäß den Umständen unserer Zeit und unserer Geografie umzusetzen, das heißt eine andere Welt von unten und links aufzubauen.

Wie unsere mexikanischen Compas, also Genoss*innen, sehen wir Parallelen in den Forderungen, Erfahrungen und Organisierungsformen der zapatistischen Be-wegung in Chiapas, sowie der kurdischen Bewegung in Rojava. In beiden Bewe-gungen werden basisdemokratische Konzepte umgesetzt, die auf Frauenbefreiung, Respekt gegenüber der Natur, Freiheit der Völker und der militärischen oder zivilen Selbstverteidigung basieren. Sie widersetzen sich den täglichen Provokationen und Angriffen der Staatspolitiken, der Diskriminierung und Ausbeutung, den paramilitäri-schen Angriffen und Missachtung ihrer Rechte, sowie Diffamierung durch staats-treue Medien. Und – besonders in Chiapas- den heuchlerischen „Entwicklungspro-jekten“ und weiteren kapitalistischen Großkampagnen.

Teirra y Libertad! (Land und Freiheit!)

Die internationale Gemeinschaft schaut weiterhin tatenlos zu, wenn wieder revolu-tionäre Projekte durch Faschismus und Kapital bedroht werden. Dies ist nicht erst seit dem spanischen Bürgerkrieg so und wird auch nicht mit Rojava und Chiapas beendet sein. Die Angst der Staatsregierungen, dass Menschen erkennen könnten, dass sie sich auch abseits von Staat und Nation, nach ihren eigenen Bedürfnissen organisieren können, ist offensichtlich zu groß. Aber auch andere politische Pro-zesse, wie der „Flüchtlingsdeal“ von 2016 oder wirtschaftliche Interessen, wie Waf-fenexporte an die Türkei, an denen die BRD wesentlich mit verdient, spielen eine wichtige Rolle.

Wir fordern:
Stoppt die Illegalisierung der Kurdischen Bewegung! Stoppt die Waffenexporte!
Stoppt den „Flüchtlingsdeal“ mit der Türkei und alle Abschiebungen!
Stellt alle wirtschaftlichen Beziehungen zur Türkei ein!

Da wir uns nicht auf Staaten und ihre Versprechen verlassen
können und wollen, appellieren wir an euch!

Informiert euch und andere darüber, was in Chiapas und Rojava passiert! Geht weiter auf die Straße! Seid ungehorsam und kreativ, denn ohne Druck von unserer Seite aus, werden auch die Staatsregierungen nicht handeln! Nutzt direkte Aktionen um Unternehmen und Firmen spüren zu lassen, was ihr von ihrer Kooperation mit der Türkei haltet! Nehmt das Sanktionieren der Türkei und ihrer Unterstützer*innen in die eigenen Hände!

Doch damit haben wir die grundlegenden Ursachen für all das Leid und die Unge-rechtigkeit noch nicht aus der Welt geräumt. Wir müssen anfangen, die Errungen-schaften der kurdischen und zapatistischen Freiheitsbewegungen in unserer täg-lichen Praxis umzusetzen: Lasst uns die Gesellschaft solidarisch und gemein-schaftlich organisieren und eine wirksame Gegenmacht zu Staat und Kapital aufbauen!

Rojava ist überall! Eine andere Welt ist möglich!
Es lebe der Widerstand gegen Unterdrückung und Krieg!

Ya Basta Gruppe KMS bei Facebook

Message from Rojava’s women movement to Zapatista’s women gathering (Women Defend Rojava, Jan 2020, english/german subtitles)

Ziviler Ungehorsam ist legitim!

„Freiheit bedeutet Aktion. Freiheit kann nur durch Aktion
erlangt werden. Aktion bringt Bewegung, die unter
den Menschen wiederhallt.“

– Hannah Arendt –

Ziviler Ungehorsam ist eine Form (subversiver) politischer Partizipation, deren Wurzeln bis in die Antike zurückreichen. Durch einen symbolischen, aus Gewis-sensgründen vollzogenen, und damit bewussten Verstoß gegen rechtliche Normen zielt die handelnde Person mit einem Akt zivilen Ungehorsams auf die Beseitigung einer Unrechtssituation und betont damit ihr moralisches Recht auf Partizipation. Die Normen können sich durch Gesetze, Pflichten oder auch Befehle eines Staates oder einer Einheit in einem staatlichen Gefüge manifestieren. Durch den symboli-schen Verstoß soll zur Beseitigung des Unrechts Einfluss auf die öffentliche Mei-nungsbildung genommen werden. Die/Der Ungehorsame nimmt dabei bewusst in Kauf, auf Basis der geltenden Gesetze für ihre/seine Handlungen bestraft zu wer-den. Häufig beansprucht er ein Recht auf Widerstand für sich, das sich jedoch von einem verfassungsgemäß gegebenen Widerstandsrecht unterscheidet. Der Per-son, die zivilen Ungehorsam übt, geht es damit um die Durchsetzung von Bürger- und Menschenrechten innerhalb der bestehenden Ordnung, nicht um Widerstand, der auf die Ablösung einer bestehenden Herrschaftsstruktur gerichtet ist. Die Me-thoden und Aktionsformen von zivilem Ungehorsam und Widerstand gleichen sich jedoch in vielen Fällen.

Bekannte Formen des zivilen Ungehorsams sind zum Beispiel Menschenketten, Sitzblockaden oder Besetzungen von Räumen oder Grundstücken.

Baggerbesetzung im Braukohletagebau Welzow Süd, Ende Gelände 2016

Ziviler Ungehorsam als solcher ist im deutschen Recht weder eine Ordnungswid-rigkeit noch ein Straftatbestand. Er äußert sich allerdings in Handlungen, die Ge-setze, Verordnungen oder Verfügungen verletzen. Damit ist nicht der zivile Unge-horsam sanktionierbar, sondern jeweils die konkrete Rechtsverletzung, neben anderen beispielsweise Hausfriedensbruch nach §§ 123 f. StGB, Bedrohung nach § 241 StGB und Sachbeschädigung nach §§ 303 ff. StGB. Störungen gerichtlicher Abläufe können gemäß Verfahrensrecht mit Ordnungsstrafen belegt werden.

Ziviler Ungehorsam ist eine legitime und gewaltfreie Form der Selbstverteidigung und gesellschaftlicher Intervention. Eine gut organisierte und erfolgreich durchge-führte Aktion des gemeinsamen zivilen Ungehorsams kann eine hohe Medienwirk-samkeit erreichen und trifft gerade bei jungen Menschen zunehmend auf Interesse, beispielsweise die Wald-Besetzungen in der Lausitz und im Hambacher Forst, oder die Tagebaubesuche von Ende Gelände.

„Der Widerstand wird fruchten, daran glauben wir ununterbrochen. In diesem Sinne rufe ich euch alle auf, Widerstand zu leisten! Lang lebe die Solidarität der Frauen und der Menschen!“
– Leyla Güven –

Warum die CDU besetzen?


Zusammenarbeit der CDU/ CSU mit türkischen Faschisten in Deutschland

Schon in der Zeit der Dritten Reichs in Deutschland gab es enge Verbindungen zwischen türkischen Faschisten und den zu dieser Zeit herrschenden Nationalsozialisten. Aufgrund der vielen Überschneidungen in der Ideologie und dem späteren gemeinsamen Kampf gegen den Kommunismus, kam es zu einer engen Zusammenarbeit.

Nachdem Deutschland den Krieg verloren hatte und kapitulieren musste, wurde innerhalb der deutschen Politik, keine konsequente Auseinandersetzung mit den faschistischen Funktionären in Institutionen des deutschen Staates durchgeführt. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass die Zusammenarbeit zwischen Faschisten aus der Türkei und Funktionären der konservativen Partei CDU/ CSU weiterging. Als Durchbruch für die Etablierung der „Grauen Wölfe“ in Deutschland kann das Jahr 1978 begriffen werden. Zwar blitzte der türkische Faschistenführer Türkeş beim damaligen Fraktionschef von CDU/CSU, Helmut Kohl, ab. Der zuständige Leiter der Abteilung für ausländische Beziehungen der CDU, Wegener, habe am Telefon erklärt, „dass Herr Dr. Kohl grundsätzlich ein Gespräch mit Herrn Türkeş ablehne“, beschwerte sich der über gute Kontakte zur CSU verfügende Istanbuler Unternehmer Murat Bayrak als Türkeş Kontaktmann in einem Brief an den bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Vorsitzenden Franz Josef Strauß.

Am 28. April 1978 gewährte Strauß in München Türkes, dem Vizevorsitzenden der MHP¹Gün Sazak und Murat Bayrak die gewünschte Audienz. Es sei ein sehr herzliches Gespräch gewesen, berichtete Bayrak später. Übereinstimmung habe in der Beurteilung des Weltkommunismus als Gefahr für den freien Westen bestanden. „Strauß sagte dem Vernehmen nach den MHP-Politikern zu, dass in Zukunft für die MHP und die ‘Grauen Wölfe’ ein günstiges psychologisches Klima in der Bundesrepublik geschaffen werden müsse, damit die MHP hier in einem besseren Licht erscheine. Bayern soll der Anfang sein“, berichtete die Gewerkschaftszeitung „metall“ später.

Besonders nach dem Militärputsch 1980 in der Türkei wurde die Zusammenarbeit intensiviert und viele faschistische Mörder und Funktionäre aus der Türkei fanden Unterschlupf in Deutschland und den hier gebildeten Strukturen, wie der Türk Federasyon².
Die Mitgliederanzahl steigt in diesen Jahren sehr stark an, da viele Graue Wölfe aus der Türkei fliehen müsste, da ihn dort oftmals Strafverfolgung wegen u.a. Mord droht.

Bekannt geworden ist der Mord an Celalettin Kesim in Berlin Kreuzberg. Dieser wurde am 5.Januar 1980 von den Grauen Wölfen und Islamisten, welche aus der nahen Mevalana Moschee kamen, überfallen und ermordeten. Celattin Kesim war Kommunist, Gewerkschaftler und Sekretär des „Berliner Türkenzentrums“, die an diesem Tag Flugblätter am Kottbuser Tor verteilten. Kesims Genossen sahen hinter diesen geplanten Mord den türkischen Geheimdienst.

Die MHP pflegte nicht nur gute Kontakte zu CDU/CSU sondern hatte in den 1970er und 80er Jahren gute Beziehungen zur NPD. Diese Kontakte gingen aber nach den tödlichen Brandanschlägen von Neonazis auf türkeistämmige MigrantInnen in Solingen, Mölln und anderen deutschen Städten zu Beginn der 1990er Jahre in die Brüche.
Stattdessen rief Türkeş seine Anhänger bei der Jahresversammlung der „Türkischen Föderation“ 1995 zur aktiven Politik in CDU und CSU auf. Dort, aber auch bei anderen Parteien, gelangten „Graue Wölfe“ seitdem in örtliche oder regionale Vorstände sowie in Ausländerbeiräte und Kommunalparlamente.

Während die kurdische PKK verboten ist und türkische Kommunisten sich von deutschen Gerichten mit Terrorklagen konfrontiert sehen, können die „Grauen Wölfe“ bis heute in der Bundesrepublik weitgehend ungestört agieren. Mit Rückendeckung der türkischen Konsulate können sie Hetze und Drohungen gegen vermeintliche Feinde des Türkentums wie Kurden, Aleviten, Armenier, Juden, Linke und Homosexuelle verbreiten und als verlängerter Arm der türkischen Regierung Oppositionelle im Exil einschüchtern.

Dabei profitieren die türkischen Faschisten bis zum heutigen Tage von dem günstigen psychologischen Klima, das der bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß seinem türkischen Gesinnungsfreund, dem Hitler-Verehrer Alparslan Türkeş, 1978 angesichts der gemeinsam ausgemachten linken Gefahr zugesagt hatte.

Quelle:

https://www.antifainfoblatt.de/artikel/wie-die-%E2%80%9Egrauen-w%C3%B6lfe%E2%80%9C-nach-deutschland-kamen-0

genehmigte Rüstungsexporte der Bundesregierung

Nach dem 2. Weltkrieg hat die deutsch-türkische Partnerschaft einen neuen Rahmen erhalten. Beide Länder wurden NATO-Mitglieder, was zugleich die Fortsetzung und Intensivierung militärischer Zusammenarbeit bedeutete. Die BRD leistet im Rahmen bilateraler Abkommen einen wesentlichen Beitrag zur Ausbildung des türkischen Militärs und dem Aufbau der Sicherheitsorgane und militärischer Institutionen in der Türkei.

Zudem wurde die Türkei zu einem bedeutenden Absatzmarkt der deutschen Rüstungsindustrie. Zahlreiche Firmen wie Rheinmetall, Heckler & Koch, Mercedes und viele weitere exportieren Rüstungsgüter in die Türkei, abgesichert durch die deutsche Exportwirt- schaftsförderung (sog. Hermes-Bürgschaft). Um die strengen Exportrichtlinien für die militärischen Güter zu umgehen, verkauft Deutschland mitlerweile auch entsprechen des Know-How in die Türkei. Die kriegstrei- berische Politik der Türkei in der Region bedeutet für die deutschen Unternehmen eine Wertsteigerung ihrer Produkte auf internationalem Markt, da sie unter realen Kriegsbedingungen getestet werden können.

So waren es deutsche Leopard-II-Parzer, die in Afrin gerollt sind. Die BRD war somit damals und blebt auch heute im Angriffikrieg auf weitere Gebicte Nordayriens, durch wirtschaftliche Rickendeckung und umfassende Bewaff nung der Türkei, eine direkte Kriegspartei.

Kriminalisierung der kurdischen Freiheitsbewegung

Die Kriminalisierung der kurdischen Freiheitsbewegung hat die Justiz in der BRD mitgeprägt. Vom „Düsseldorfer Prozess“ und dem „Kurden-Käfig“ 1988 über das PKK Betätigungsverbot 1993 bis hin zu den „Terrorismus-Paragraphen“ §§ 129a und 129b des Strafgesetzbuchs.

Die Kurdische Befreiungsbewegung gehört zu den größten und aktivsten Bewegungen der revolutionären Linken auch in Deutschland. Gleichzeitig ist sie von staatlicher Repression betroffen, wie kaum eine andere politische Bewegung. Grundlage der permanenten und umfassenden Kriminalisierung ihrer Aktivist*innen und Strukturen ist das 1993 in der BRD erlassene Betätigungsverbot für die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). 1993 wurde die PKK von den damaligen Bundesinninenmister der CDU Manfred Kanther verboten. Es lieferte die Legitimation für viele ungezählte Jahre Gefängnis für kurdische Aktivist*innen in Deutschland, meist auf Grundlage des §129b („Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung“). Razzien, Anquatschversuche durch Geheimdienste und politische Polizei, Vorladungen und andere Schikanen wegen vermeintlichen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz prägen den Alltag der kurdischen Bewegung bis heute.
Zuletzt erließ Bundesinnenminister Horst Seehofer im Februar 2019 gar ein Verbot gegen den kurdischen Buchverlag Mezopotamien und den Musikvertrieb MIR.

Das sogenannte Symbolverbot spielt dabei eine essentielle Rolle. Längst sind nicht mehr nur die Fahnen und Symbole verbotener Organisationen, wie der PKK betroffen, sondern auch das Bildnis Abdullah Öcalans oder immer wieder auch die Fahnen der syrisch-kurdischen PYD, YPG und YPJ. Selbst Lieder oder Sprechchöre geraten ins Visier der Staatsschutzorgane.
Damit hält komplette Willkür Einzug in die Kriminalisierung. Wer legalen kurdischen Organisationen Räume zur Verfügung stellt, wird wegen Unterstützung der PKK verfolgt. Wer seine Solidarität mit dem Kampf der kurdischen Bewegung gegen den „Islamischen Staat“ und für ein freies Rojava zum Ausdruck bringt, muss mit Hausdurchsuchungen und Strafverfahren rechnen.

Im März 2017 hat der damalige Bundesinnenminister Thomas de Maizière in einem Rundschreiben an die Landesinnenministerien und Sicherheitsbehörden die Ausweitung der Verbote von Symbolen kurdischer Organisationen angekündigt. Hierunter fallen seither auch Kennzeichen der syrisch-kurdischen Partei PYD sowie der Volks- und Frauenverteidigungseinheiten YPG/YPJ, die seither allesamt der PKK zugeordnet wurden und unter das im November 1993 erlassene Betätigungsverbot der PKK fallen. Das Bundesinnenministerium rechtfertigte die Erweiterung der Kennzeichenverbote damit, dass sich die PKK ihrer bedienen würde, da die „eigenen“ Symbole nicht erlaubt sind.

Auf Nachfrage der Linksfraktion im Bundestag relativierte das Ministerium seine Einschätzung vom März 2017 dahingehend, dass das Zeigen der Symbole von PYD, YPG/YPJ u.a. erlaubt sei, sofern bei Veranstaltungen oder Demonstrationen kein PKK-Bezug feststellbar sei. Schließlich sind diese Organisationen selbst in Deutschland nicht verboten.
Das hindert allerdings Polizeibehörden und Staatsanwaltschaften nicht, solche Bezüge zu konstruieren, was zur Folge hat, dass Veranstaltungen verboten oder behindert werden bzw. massenhaft Verfahren wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz eingeleitet und Menschen zu Geldstrafen verurteilt werden. Selbst das Posten in Facebook oder Teilen von Beiträgen mit den inkriminierten Symbolen im Internet werden geahndet.

Da die Kriminalisierung und strafrechtliche Verfolgung von Kurd*innen seit den Rundschreiben des Bundesinnenministeriums insbesondere in Bayern explosionsartig gestiegen ist und längst auch Menschen trifft, die sich mit Kurdistan solidarisieren.
All die Verbote der letzten Jahrzehnte waren Zugestädnisse der Bundesregierung gegennüber den faschischtischen Regimes aus Ankara. Bestes Beispiel dafür, ist die der sogennate Flüchtlingsdeal mit Erdogan mit dem nicht nur der Krieg gegen Rojava mitfinanzierte wurde, sondern darüber hinaus auch Angriffe auf die kurdische Freiheitsbewegung in Deutschland zu nahmen.

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1 Die Milliyetçi Hareket Partisi (Kurzbezeichnung: MHP; türkisch für „Partei der Nationalistischen Bewegung“) ist eine nationalistische Partei in der Türkei. Die MHP gilt als politischer Arm der „Idealisten“ oder „Grauen Wölfe“ des Parteigründers Alparslan Türkeş.
Seit 2018 ist die Partei der Nationalistischen Bewegung im Wahlbündnis „Volksallianz“ mit der regierenden faschistischen AKP. Mit der MHP stellt die AKP unter Erdoğan die Mehrheit im nationalen Parlament.

2 Türk Federasyon
Die von der MHP gegründete Avrupa Demokratik Ülkücü Türk Dernekleri Federasyon (ADÜTDF – Föderationder Türkisch – demokratisch Idealistenvereine in Europa. Diese kann als Hauptverband der Grauen Wölfe in Europa bezeichnet wetrden und setzt aus 200 Kultur-, Sport und Jugendvereine, sowie Moscheengemeinden zusammen

Solidaritätsbekundung von FFF Chemnitz mit Rojava und der CDU-Besetzung in Chemnitz

Redebeitrag von Fridays For Future Chemnitz, verlesen auf der FFF-Demo anlässlich des globalen Klimastreiks am 29.11.19 in Chemnitz

 

Einige fragen sich sicher, was es mit der Aktion am 25.10. auf sich hatte. Warum wir unsere Demonstration abgebrochen haben, warum wir zu dem besetzen CDU-Büro gegangen sind und was genau Rojava damit zu tun hat. Darüber würden wir gern einige Worte verlieren.

Am Freitag, dem 25. Oktober veranstalteten wir, als Fridays for Future Chemnitz, eine Demonstration. Unter dem Motto „Waffenexporte, Klimapaket – Kämpfe ver-binden, bis die GroKo geht“ gingen wir an diesem Freitag auf die Straße. Während wir uns normalerweise mit Klimaschutz auf nationaler Ebene beschäftigen, be-schlossen wir als Ortsgruppe, auch auf internationale Konflikte aufmerksam zu machen. Wir verurteilen den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg der Türkei auf die selbstverwaltete Region Rojava. Krieg ist nicht nur ein Vergehen an der Mensch-heit, sondern auch eine Katastrophe für die Umwelt. Mit den demokratischen Kräf-ten Nordsyriens empfinden wir tiefste Solidarität! Für sie spielt der Umweltschutz und ökologisches Wirtschaften eine zentrale Rolle, weshalb sie ein Vorbild für uns alle sind. Aktuell ist diese basisdemokratisch organisierte autonome Region durch den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg massiv gefährdet. Bedroht sind unter Ande-ren auch die Fridays For Future Ortsgruppen in Rojava. Fridays For Future Orts-gruppen, welche genauso wie wir heute, hier in Chemnitz, für eine bessere Zukunft kämpfen.

Wir lassen unsere kurdischen Freund*innen, welche Gewalt, Verfolgungen und töd-lichen Angriffen ausgesetzt sind, nicht allein! Ihr Ruf nach Solidarität europäischer Ortsgruppen, war für uns ein weiterer Grund unsere Forderungen nach Solidarität mit Rojava auf die Straßen zu tragen, so wie es europaweit auch andere Ortsgrup-pen getan haben. Wir stehen hier, als Fridays For Future, wir stehen für Klimage-rechtigkeit, wir werden Seite an Seite mit unseren kurdischen Freund*innen kämp-fen! Wir sind die größte Klimabewegung, welche es je gegeben hat! Und wir haben die Chance, etwas zu bewegen. Ob in Chemnitz, Rojava oder sonst irgendwo. In der Klimakrise versuchen Politik und Wirtschaft ihre faulen Kompromisse, als gro-ße Lösung zu präsentieren. Und im Krieg in Rojava präsentieren sich die globalen Mächte als Friedensbringer, während weiterhin Bomben aus türkischen NATO-Flugzeugen auf Menschen fallen und die Natur zerstören. Wir alle, die auf den Stra-ßen protestieren, wissen: Wirkliche Klimagerechtigkeit und weltweiter Frieden kann nur durch einen grundsätzlichen Systemwandel erreicht werden.

Das von europäischer Seite nur vorsichtig zugesehen wird und man sich durch Abkommen, wie den sogenannten „Flüchtlingsdeal“ in eine starke Abhängigkeit von der Türkei begeben hat, ist für uns unverständlich. Es macht uns fassungslos, wie sich unsere Regierung aus Angst vor einer potentiellen „Migrationswelle“ davon abbringen lässt, Menschenrechte und Humanität zu verteidigen. Sie unterstützt durch ihr Schweigen, politische und wirtschaftliche Abkommen und Waffenexporte die Türkei aktiv bei der Kriegsführung. Aufgrund dieser inakzeptablen Situation, gibt es derzeit bundesweite Aktionen, um auf die Problematik aufmerksam zu machen.

Eine dieser Aktionen, war die Besetzung des CDU-Büros in Chemnitz 2019. Die CDU, als stärkste Partei der Bundesregierung, führt seit Jahren eine reaktionäre Klimapolitik. Die Waffenexporte, welche die Türkei für den unmenschlichen Krieg in Rojava gerüstet haben, wurden von der Bundesregierung gebilligt. Als wir von der Besetzung des Büros hörten, welche zeitgleich mit unserer Demonstration statt-fand, haben wir nicht gezögert. Wir, als Fridays for Future Chemnitz, beschlossen, uns mit den Besetzer*innen solidarisch zu zeigen.

FFF Chemnitz am 25.10.19 auf der Kundgebung vor dem CDU-Büro

Durch eine spontane Kundgebung vor Ort unterstützten wir lautstark die Besetzer*-innen bei ihrem Protest gegen die Waffenexporte der GroKo. Schon in der Vergan-genheit solidarisierten wir uns mit Formen des zivilen Ungehorsam, wie z.B. den Massenaktionen von Ende Gelände im rheinischen Braunkohlerevier und solidari-sieren uns auch in Zukunft weiterhin mit zivilem Ungehorsam, welcher wie wir für Klimagerechtigkeit kämpft! Wenn unsere Regierung es weiterhin versäumt, unsere Forderungen ernst zu nehmen und unsere Formen des Protestes ignoriert, so ist ziviler Ungehorsam nicht nur legitim, sondern absolut notwendig!

Gemeinsam kämpfen wir für die Interessen aller Menschen und fordern ein selbst-bestimmtes und würdevolles Leben, nicht nach Maßstäben der Macht und des Profits. Wenn wir unsere sozialen Kämpfe verbinden und zusammen arbeiten, kann unser Netzwerk aus Solidarität Ketten sprengen! Für die Befreiung von Ge-walt, Unterdrückung und Ausbeutung, für den Planeten und für eine solidarische Gesellschaft! Biji Fridays for Future Rojava! Biji Rojava! Lang lebe Fridays for Future! Lang lebe die Frauenbefreiung und die ökologische Revolution in Rojava!