Beitrag mit Radio T – Besetzung, aktuelle Lage und Kampagne (März 2020)


Zu allen Abkürzungen und Namen von Organisationen findet ihr eine kurze Beschreibung in der Übersicht zu kurdischen Organisationen und anderen Parteien in Kurdistan oder in der Übersicht zu faschistischen Organisationen in Kurdistan.

Radio T versteht sich als lokales und zugangsoffenes Bürger*innenradio und als Bereicherung der Rundfunklandschaft, indem es sich in Programm und Struktur zu den öffentlich-rechtlichen und privat-kommerziellen Rundfunkanbietern in Sachsen abgrenzt. Die Berichterstattung soll sich auf Personen, Gruppen, Themen und Zusammenhänge konzentrieren, die in den etablierten Medien wenig oder gar nicht vorkommen. Radio T ist Mitglied im Bundesverband Freier Radios (BFR).


Beitrag vom 10.03.2020

GLIEDERUNG

1. PERSPEKTIVE ROJAVA
2. BESETZUNG DES CDU-BÜROS
3. SOLIKAMPAGNE „CDU BESETZEN? UNBEZAHLBAR!“
4. AKTUELLE LAGE IN SYRIEN UND DEN EU-AUßENGRENZEN
5. BILDUNGSWOCHEN: „ROJAVA – EINE UTOPIE?“

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1. PERSPEKTIVE ROJAVA

Radio T: Im vergangenen Jahr wurde in Chemnitz das Büro der CDU besetzt. Anlass war der türkische Angriffskrieg gegen die kurdische Bevölkerung, der in Nord-Syrien erneut ausgebrochen war. Was aus einem Artikel des MDR
Sachsen hervorgeht, ist, dass die Polizei laut den Besetzer*innen mit viel
Gewalt das Büro geräumt hatte. Ich habe zwei der Besetzer*innen als Gäste
eingeladen, um ihnen ein paar Fragen zu stellen. Danke, dass ihr hier seid, Clara und Coco! Am 9. Oktober 2019 startete die Türkei den völkerrechts-widrigen Vernichtungskrieg gegen Rojava. Aus diesem Grund wurde Ende Oktober das CDU-Büro von Internationalist*innen besetzt. Was ist Rojava?

Clara: Im syrischen Teil von Kurdistan wurden im Zuge des Arabischen Frühlings und dem Machtvakuum des syrischen Bürgerkriegs Gebiete von der Herrschaft der regierenden Baath-Partei unter Präsident Assad durch die Selbstverteidigungs-einheiten YPG/YPJ befreit und eine Revolution ausgerufen. Umgehend wurde von der Bevölkerung mit der Umsetzung des Demokratischen Konföderalismus in den Kantonen Rojavas – Afrîn, Kobanî und Cizîre – begonnen. Unter Kriegsbeding-ungen nahmen die Kurd*innen in diesen Gebieten zusammen mit den verschieden-sten ethnischen und religiösen Bevölkerungsgruppen die Selbst-verwaltung in Angriff. Dabei mussten neben der eigenen Bevölkerung auch hunderttausende Kriegsflüchtlinge aus anderen Teilen Syriens versorgt werden, wobei UN-Organisationen nicht die geringste internationale Hilfe leisteten. Des Weiteren wurde die Revolution in Rojava zusätzlich durch ein wirtschaftliches Embargo belastet, das sowohl durch die Türkei, an welche die Kantone Rojavas angrenzen, als auch durch die kurdische Autonomieregion im Nordirak verhängt wurde. Mit logistischer Unterstützung durch die Türkei vermehrten sich schnell die Angriffe islamistischer Milizen wie der al-Nusra-Front und des Islamischen Staates (IS) auf die kurdischen Kantone. Seitdem verteidigt die Bevölkerung der Demokratischen Föderation Nord- und Ostsyrien das Gebiet gegen den IS, andere dschihadistische Milizen und Angriffe imperialistischer Staaten und organisiert weiterhin erfolgreich und entschlossen die Revolution.

Radio T: Welche Bedeutung hat Rojava im Mittleren Osten?

Clara: In Nordostsyrien entwickelt sich ein demokratisches Projekt, das Menschen auf der ganzen Welt Hoffnung gibt. Rojava ist zum Symbol geworden, für eine neue Form des solidarischen Zusammenlebens, welches die Freiheit des Einzelnen, die Rolle der Frau und der Ökologie in den Mittelpunkt der Gesellschaft stellt. Die Men-schen, vor allem die Frauen in Rojava, haben nicht nur Syrien vom IS befreit, son-dern nachhaltig die verschiedensten Ethnien, Kulturen und Religionen in der Region vereint. Im Schatten von faschistischen Diktaturen und korrupten staatlichen Ver-waltungen organisieren die Menschen vor Ort demokratische Wege des gemein-schaftlichen Zusammenlebens, um jedem einzelnen, unabhängig von Herkunft und Religion, die Teilhabe an gesellschaftlichen Prozessen zu ermöglichen. Allgemein handelt es sich bei der Praxis in Rojava also um ein Gesellschaftsmodell, welches Lösungsansätze für gesellschaftliche und zwischenstaatliche Konflikte im Mittleren Osten und auf der ganzen Welt anbietet.

Radio T: Ihr als Internationalist*innen fühlt euch sehr verbunden mit der kurdischen Freiheitsbewegung und der Selbstverwaltung. Welche
Bedeutung hat Rojava für die Internationalistische Linke?

Coco: Laut unserer Analyse erlebten Linke Bewegungen auf der ganzen Welt einen ideologischen Tiefschlag und einen immensen Verlust von Utopie und Orientierung durch den Zusammenbruch der Sowjetunion. Spätestens seitdem befinden wir uns in einer tiefen ideologischen und organisatorischen Krise. Einer der Gründe dafür ist eine mangelnde historische Analyse in Bezug auf das Scheitern des Realsozialis-mus und die Ableitung angemessener Konsequenzen für die politische Organisie-rung revolutionärer Bewegungen. Die internationalistische Linke ist nicht in der Lage, den gegenwärtigen Krisen der Gesellschaft etwas entgegenzusetzen, ge-schweige denn, sie zu bewältigen. Die Ideen von Abdullah Öcalan, dem ideologi-schen Vorreiter der Freiheitsbewegung, bieten umfassende Analysen und Lösung-en für die Krisen dieser Welt, wie das Patriarchat, den Kapitalismus und die Klima-krise. Die Konzepte, die Öcalan im 5-Personen-Gefängnis auf Imrali entwickelt hat, wo er seit seiner illegalen Verschleppung durch Geheimdienste 1999 in nahezu vollständiger Isolation gefangen gehalten wird, bieten fortschrittliche Ansätze auf dem Weg zur Befreiung der Gesellschaft von Unterdrückung, Ausbeutung und Gewalt. Die Konzepte der Demokratischen Moderne, der Demokratischen Nation und der Demokratischen Autonomie, sowie das Organisierungsmodell des Demo-kratischen Konföderalismus, welche Öcalan basierend auf einer umfassenden historischen und gesellschaftlichen Analyse entwickelte, überbieten geläufige soziologische Theorien in vielen Aspekten wie Genauigkeit, Progressivität und Komplexität. Aus diesen Gründen sehen wir in der kurdischen Befreiungsbewe-gung und der praktischen Umsetzung der Theorien Öcalans in Rojava eine neue und möglicherweise weltveränderndernde Utopie, welche ein Lichtblick und Orien-tierung für fortschrittliche Bewegungen auf der ganzen Welt darstellen kann.


In diesem Lied geht es um die Suche nach der eigenen Identität in der Geschichte.


2. BESETZUNG DES CDU-BÜROS

Radio T: Aus internationalistischer Perspektive klingen die Ideen der Freiheitsbewegung ziemlich mitreißend und vielversprechend. Welche
Rolle spielt die Politik der CDU im Krieg gegen Rojava?

Clara: Die guten Beziehungen der Bundesregierung zum Türkischen Staat, türkisch-nationalistischen und faschistischen Organisationen in der Türkei und in Deutschland ziehen sich wie ein roter Faden durch die Geschichte. Besonders hervorzuheben ist die kontinuierliche Zusammenarbeit von Regierungsparteien wie der CDU/CSU und der SPD mit der MHP (also der Partei der Nationalistischen Bewegung) und den Grauen Wölfen, eine Organisation türkischer Rechtsextremis-ten. Durch die Genehmigung von Rüstungsexporten an die Türkei unterstützt die Bundesregierung den Krieg gegen Rojava ideologisch und militärisch. Auch durch umfassende Handelsbeziehungen zwischen Deutschland und der Türkei spielt die Regierung dem faschistischen Staat in die Hände. Vollständig abhängig gemacht von den politischen Zielen Erdogans hat sich die Regierung und ganz Europa durch das EU-Türkei-Abkommen von 2016. Schlussendlich arbeiten die Repressionsor-gane beider Regierungen eng zusammen. In Deutschland sind laut offizieller Infor-mation über 3000 Mitarbeiter*innen des Türkischen Geheimdienstes MIT statio-niert. Die Bundesregierung unterstützt die faschistische Kurd*innen-Politik der Türkei aktiv durch die Kriminalisierung der kurdischen Freiheitsbewegung. Politische Manöver der Türkei werden traditionell begleitet von massiven Repressionswellen der deutschen Strafverfolgungsbehörden, wie zB in den
90er Jahren nach der Verschleppung von Abdullah Öcalan und auch heute,
im Zuge des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges von Erdogan.


Dieses Lied ist insbesondere der Kämpferin Sara gewidmet, die zusammen mit den beiden anderen Revolutionärinnen Ronahî und Rojbîn im Auftrag des türkischen Geheimdienstes hingerichtet wurden. Am 9. Januar 2013 wurden die kurdischen Politikerinnen Sakine Cansiz, Fidan Dogan und Leyla Saylemez in den Räumen des Kurdischen Informationsbüros in Paris heimtückisch ermordet. Sakine Cansiz (Sara) und Fidan Doĝan (Rojbîn) wurden mit Kopfschüssen, Leyla Saylemez (Ronahî) mit Schüssen in Kopf und Bauch getötet.

Radio T: Was passierte am 25. Oktober im CDU-Büro in Chemnitz?

Clara: Um gegen die kriegerische Zusammenarbeit der Bundesregierung mit der Türkei zu protestieren, besetzten am 25. Oktober 13 Internationalist*innen erfolg-reich das CDU-Wahlkreisbüro am Markt in Chemnitz. Im Verlauf eines simulierten Interviews mit der Kreisvorsitzenden gelangten die Aktivist*innen gewaltfrei und unbewaffnet in das Parteibüro. Drei der Besetzer*innen ketteten sich mit Eisen-schlössern irreversibel an eine Absturzsicherung am Fenster. Aus den Fenstern im zweiten Stock wurde während der ganzen Besetzung mit Passant*innen und der unterstützenden Kundgebung vor dem Haus der CDU-Geschäftsstelle kommuni-ziert. Während den Verhandlungen mit der Polizei und der anschließenden Räu-mung verhielten sich alle Besetzer*innen ruhig und friedlich. Durch Angebote, Provokationen und Beleidigungen von Einsatzleitung und Beamten ließen sich die Internationalist*innen nicht aus dem Konzept bringen. Trotz aller Zurückhaltung wendete die Polizei bei der Räumung permanent Schmerzgriffe und rohe Gewalt an. Nach fast vier Stunden war das CDU-Büro vollständig geräumt. Allen Beset-zer*innen wurde nach der Räumung ein Platzverweis erteilt, eine Internationalistin wurde aus inszenierten Gründenfür mehrere Stunden in der Hauptwache gefangen gehalten. Nach der Aktion suchten zwei Internationalist*innen mit Verletzungen an Kopf, Händen und Rippen einen Notfallchirurgen auf. Im Nachgang der Aktion wurden alle 13 Besetzer*innen beschuldigt, sich strafbar gemacht zu haben des Hausfriedensbruchs, der Nötigung und des Verstoßes gegen das Verbot von
Vermummung u. Schutzwaffen bei Versammlungen.


3. SOLIKAMPAGNE „CDU BESETZEN? UNBEZAHLBAR!“

Radio T: Im Nachgang der CDU-Besetzung wird momentan eine Spendenkampagne unter dem Namen „CDU BESETZEN? UNBEZAHLBAR!“ organisiert. Welche Ziele werden mit der Kampagne verfolgt?

Clara: In der Hoffnung, eine keinesfalls vollständige, jedoch einführende Über-
sicht über die politische Motivation hinter der Besetzung, den Ablauf der Aktion
und die darauffolgende staatliche Repression geben zu können, wurde ein Blog
ins Leben gerufen: cdubesetzen.noblogs.org
Einerseits hoffen wir auf umfangreiche finanzielle, öffentlichkeitswirksame und organisatorische Unterstützung zur Realisierung unserer Spendenkampagne, andererseits ist es uns ein tiefes Anliegen, die Notwendigkeit der Verteidigung dieser einzigartigen Revolution in Rojava präsent zu halten. Der öffentliche
Umgang mit Repression soll somit nicht nur der Unterstützung der Inter-nationalist*innen dienen, sondern vor allem an den barbarischen Krieg
erinnern, der jeden Tag in Rojava tobt!

Radio T: Wie kann die Kampagne „CDU BESETZEN?
UNBEZAHLBAR!“ unterstützt werden?

Clara: Eine Spendenkampagne lebt vor allem durch Vielfältigkeit und
Multiplikator*innen. Auch wenn wir, die Internationalist*innen der CDU-
Besetzung vom 25.10.19 und unser soziopolitisches Umfeld, unser Bestes
geben, um weiterhin gegen den Genozid in Kurdistan vorzugehen, auf den
Komplex der kurdischen Freiheitsbewegung aufmerksam zu machen und die
Repressionskosten für die Verfahren im Nachgang der CDU-Besetzung zu
decken, sind unsere Möglichkeiten in Chemnitz doch begrenzt. Deswegen
brauchen wir die praktische Solidarität von euch! Wir hoffen, mit unserer
Analyse und unseren Aktionen, ein wenig für Inspiration zu sorgen und die
Notwendigkeit einer internationalistischen Intervention in Europa hervor zu
heben. Wir erwarten nicht, dass ihr eure Arbeitsschwerpunkte und sozialen
Kämpfe vernachlässigt, um uns zu unterstützen, aber wir wünschen uns ein
wenig Rückhalt und gedankliche Teilhabe. Wir hoffen darauf, dass ihr unsere
Kampagne und unsere Ziele bei euren Projekten mitdenkt.
Wir freuen uns auf eure Aktionen und Spenden!

Radio T: Auf der Website der Kampagne wurden verschiedene
Möglichkeiten aufgeführt, wie die Kampagne von Einzelpersonen
oder Gruppen, Vereinen und anderen Organisationen unterstützt
werden kann. Könnt ihr das etwas konkretisieren?

Coco: Macht über eure Internetkanäle, analoge Medien und in euren Räumlich-keiten auf den Krieg in Kurdistan, die CDU-Besetzung in Chemnitz und die Soli-kampagne aufmerksam! Schickt unseren Spendenaufrauf an alle befreundete Gruppen / Vereine / Organisationen. Je mehr Menschen von der Kampagne erfahren, desto mehr Spenden können aquiriert werden und umso mehr Men-
schen werden auf den unmenschlichen Krieg in Kurdistan aufmerksam!

Clara: Überlegt, ob in euren Räumlichkeiten oder in anderen Locations Soli-
material (Plakate, Flyer) aufgehängt oder verteilt werden können. Fragt direkt in den Locations, ob das möglich ist oder schickt uns gern eine Liste und wir übernehmen die Kommunikation. Wir bemühen uns, das Solimaterial zeitnah zu verschicken!

Coco: Überlegt, ob ihr als Gruppe / Verein / Organisation, Geld für die Soli-kampagne spenden könnt, um somit die Kampagne und Repressionskosten
teilweise zu finanzieren. Erzählt euren Mitgliedern und eurem Publikum von der Kampagne und bittet sie um eine Spende. Auch kleine Beträge sind wertvoll!

Clara: Überlegt, ob ihr Kapazitäten habt, um Spendenaktionen zu starten. Zum Beispiel könnt ihr bei euren Veranstaltungen Spenden sammeln. Auch in soli-
darischen Clubs oder bei kulturellen – oder Bildungsveranstaltungen können Spendendosen am Einlass aufgestellt werden. Mit einer Essensbude, einer
Cocktailbar oder anderen Verkaufsständen bei Festivals, Stadtfesten oder Nach-barschaftsevents kann schnell und einfach viel Geld eingenommen werden. Durch Solipartys kann in kurzer Zeit sehr viel Geld eingenommen werden. Es gibt viele Möglichkeiten! Schreibt uns gern an, um eure Ideen zu diskutieren oder falls ihr euch organisatorische Hilfe wünscht. Schickt uns gern Fotos von euren Aktionen!

Coco: Wenn ihr Kontakt zu Journalist*innen, Medienschaffenden oder Presse-vertreter*innen habt, oder es in eurer Stadt ein cooles Stadtmagazin gibt, könnt
ihr anfragen, ob die Möglichkeit besteht, unseren Spendenaufruf abzudrucken, ein Interview mit uns zu führen oder auf andere Weise auf die Kampagne aufmerksam zu machen! Andernfalls freuen wir uns auch über die Vermittlung von Kontakten oder Hinweise auf Medien, welche uns unterstützen könnten!


4. AKTUELLE LAGE IN SYRIEN UND AN DEN EU-AUßENGRENZEN

Radio T: Mit der Besetzung wolltet ihr auf den Krieg in Rojava aufmerksam machen, wie ist die Lage aktuell in Nord- und Ost-Syrien?

Coco: Im Januar/Februar 2018 erfolgte die Annexion von Afrin durch die Türkei und ihre dschihadistischen Verbündeten. Seitdem erlebt die lokale Bevölkerung die Er-richtung eines islamischen Kalifats. Damit einher gehen die Durchsetzung der Ge-setze der Sharia (v.a. durch FSA- u. Al-Nusra-Kämpfer, wovon besonders Frauen u. ethn. Minderheiten betroffen sind), Prozesse der ethnischen Säuberung, Vertrei-bung von Kurd*innen u. Armenier*innen, Vergewaltigungen, Entführungen u. Löse-gelderpressung und barbarische Exekutionen. Die Islamisten, welche Afrin beset-zen, widmen sich der Zerstörung von kulturellen u. religiösen Einrichtungen, Bau-werken und Gedenkstätten. Außerdem bemüht sich der türkische Staat um die Ansiedlung von dschihadistischen (meist arabischen) Familien aus der Türkei u. Syrien zur demografischen Veränderung der Region. Mit Befreiung der letzten Hochburg des IS in al-Bagouz wurde ein militäri-scher Sieg der YPG/YPJ über den sog. Islamischen Staat in Rojava errungen. Am 9. Oktober 2019 erfolgte schließlich der Beginn des völkerrechtswidrigen Angriffs-krieges der Türkei auf die demokratische Selbstverwaltung. Die Angriffe der Türkei auf Nord- und Ostsyrien nahmen nach dem Sieg über IS zu und mündeten schließ-lich in der Invasion, die mit Hilfe islamistischer Proxys im Dienste Ankaras seit knapp 4 Monaten andauert. Der türkische Besatzungsstaat führt gemeinsam mit seinen Dschihadistenmilizen und unter Einsatz von Panzergeschützen, Bodenartil-lerie, Kampfdrohnen und Kriegsflugzeugen entlang der gesamten Grenze zu Nord-syrien und Nordostsyrien genozidale Angriffe durch. Hervorzuheben sind beson-ders Angriffe der türkischen Armee und ihrer dschihadistischen Söldnertruppen auf Gefängnisse und Camps in Rojava, wo besonders viele IS-Kämpfer leben. Infolge dieser Angriffe gelang es hunderten Dschihadisten, zu fliehen – viele von ihnen reorganisierten sich nachweislich in islamistischen Milizen wie Jabhat al-Nusra und der FSA in Syrien. Der Großteil der Bodentruppen Erdogans besteht aus Söldnern der Freien Syrischen Armee, die sich nun „Syrische Nationale Armee“ nennen. Die-se Truppen wurden von der Türkei aus verschiedenen sunnitisch-muslimischen arabischen und turkmenischen bewaffneten Gruppen zusammengestellt. Alle Gruppen, die nun diese neue Bodentruppe bilden, sind in der Vergangenheit durch Kriegsverbrechen bekannt geworden. Die Mehrheit von ihnen hat direkte oder indirekte Beziehungen zum Islamischen Staat (IS). Die Aufstellung und Unterstüt-zung von dschihadistischen Söldnertruppen durch die Türkei, deren Zusammen-arbeit sowie weitreichenden Verbindungen zum IS sind ebenfalls während dieser Invasion dokumentiert worden. Der türkische Staat setzt dabei dschihadistische Gruppen als institutionellen Bestandteil seiner Bodentruppen ein, um die Beset-
zung aufrecht zu erhalten und die Bevölkerung in den eroberten Gebieten zu unterdrücken.


(deutsch)

Radio T: Wie geht die Türkei gegen Rojava vor?

Coco: Allgemein setzt die türkische Armee auf unterschiedslose Kriegsführung. Insbesondere entlang der Grenzlinie wurden und werden zivile Siedlungsbiete intensiv bombardiert. Nach QSD-Angaben hat die Türkei seit Beginn des Krieges gegen Nordsyrien über 380 Luftangriffe durchgeführt. Weitere knapp 1.100 Angriffe erfolgten mit Panzern, schweren Waffen und weiterer Bodenartillerie. Die Unter-schiedslosigkeit der türkischen Kriegsführung zeigt sich in Angriffen auf Personen der Zivilgesellschaft, wie zum Beispiel die gezielte Attackierung von zivilen Kon-vois. Ein Beispiel für diese Vorgehensweise ist die Hinrichtung der Politikerin Hervin Khalaf von der Zukunftspartei Syriens und ihrer Begleitpersonen.

Hevrin Khalaf, gewaltvoll ermordet von Dschihadisten von Ahrar al-Sharqiya in der Nähe der Verkehrsstraße M4 am 12. Oktober 2019

Zusätzlich nahmen mit Beginn der Invasion dschihadistische Anschläge in den Gebieten der Selbstverwaltung zu, wie etwa Selbstmordattentate und Autobomben im Zentrum von Städten. Die gezielte Zerstörung von ziviler Infrastruktur, wie der Bombardierung von Krankenhäusern, Trinkwasserversorgungsanlangen und der Stromversorgung, sowie der Begrenzung der Wasserzufuhr nach Syrien durch Stauung und Regulation der Wasserdurchlässigkeit von Staudämmen in der Türkei, verstehen wir als massiven Angriff auf die Zivilgesellschaft. Die Auswirkungen die-ser Kriegsführung äußern sich durch Wasserknappheit in den Städten und Dörfern Rojavas, folglich in der Einschränkung der Möglichkeiten der Landwirtschaft und massiver Versorgungsknappheit durch die Behinderung der autarken Lebensmittel-produktion. Von international anerkannten Wissenschaftler*innen wurde der Einsatz von weißem Phosphor gegen die Zivilgesellschaft bestätigt. Weißer Phosphor ist die gefährlichste Form des Phosphors. In Brandbomben wird die Substanz mit Kautschukgelatine versetzt. Somit bleibt die zähflüssige Masse an der bis dahin noch nicht brennenden Person, die Kontakt mit dem Kampfstoff hatte, haften und wird weiter verteilt. Neben der Brandwirkung und den schwer heilenden Verletzung-en sind weißer Phosphor und seine Dämpfe hochgiftig. Der Einsatz von Phosphor-bomben als Brandwaffen gegen Zivilpersonen ist entsprechend dem Verbot von unterschiedslosen Angriffen in den Zusatzprotokollen zur Genfer Konvention ver-boten. Es wurde dokumentiert, dass türkischen Streitkräfte in bewohnten Regionen wie Serêkaniyê und Girê Spî Chemiewaffen vor allem gegen Frauen und Kinder eingesetzt haben. Die OPCW (Organisation für das Verbot chemischer Waffen) hatte eine Untersuchung der Chemiewaffeneinsätze in Nordsyrien aufgrund fehlen-den Mandats abgelehnt, nachdem sie eine Spende über 30.000 Euro von der Tür-kei erhalten hatte. Die Besatzungstruppen greifen trotz angeblichem Waffenstill-standsabkommen weiterhin großflächig die selbstverwalteten Gebiete in Rojava an. Die Städte Serêkaniyê und Girê Spî, sowie die umliegenden Gebiete sind durch die Absegnung Russlands und der USA vollständig von der Türkei und ihren verbündeten Truppen besetzt worden.

Radio T: Welche demografischen Auswirkungen zeigen sich jetzt, 4 Monate nach Beginn des großangelegten Angriffskrieges der Türkei in Rojava?

Coco: Trotz größter Anstrengung konnte im Zuge des Angriffskrieges nur ein Teilgebiet von Rojava erobert werden. Das besetzte Gebiet entlang der türkisch-syrischen Grenze (also Gire Spi, Serekaniye) erstreckt sich ca 30km von der türkischen Grenze aus nach Süden und ca 170km entlang der Grenze. Dieses Gebiet entspricht ungefähr 10% der Gesamtfläche der Demokratischen Admini-stration Nord- u. Ostsyrien. Es gibt anhaltende Invasionsangriffe seitens der türki-schen Armee und der mit ihr verbündeten Truppen auf die Regionen und Städte von Tel Temer und Ayn Issa sowie an vielen Stellen entlang der internationalen Ver-kehrsstraße M4, um diese Städte zu kontrollieren und zu isolieren. Zudem wird die Bodeninvasion weiterhin durch Luftangriffe von türkischen Kampfflugzeugen und Drohnen (UAV) unterstützt. Infolge dieser Angriffe sind knapp 400.000 Menschen aus ihren Heimatorten vertrieben worden. Ca 500 Zivilist*innen wurden getötet, weitere 2.700 verletzt. Die QSD erwidern jegliche Art von Angriff auf Grundlage der legitimen Selbstverteidigung. Die QSD unterstreichen die besondere Rolle der Frauenverteidigungseinheiten YPJ (Yekîneyên Parastina Jin) beim Widerstand in Rojava. Im Zuge der Verteidigung wurden 1.500 türkische Soldaten und islamisti-sche Proxys getötet. Knapp 300 Angehörige der Invasionstruppen wurden verletzt. Infolge dieser Verstoße ist es bisher zu ca 500 Verlusten in den Reihen der Demo-kratischen Kräfte Syriens gekommen. 1.500 Kämpferinnen und Kämpfer wurden verletzt, weitere 70 Angehörige sind in Gefangenschaft geraten.


In diesem Lied geht es um die Verteidigung Rojavas.

Durch die türkische Invasion in Nordsyrien wurden hunderttausende Menschen zu Geflüchteten und Binnenvertriebenen, die sich noch immerin dem von der autono-men Selbstverwaltung Nord- und Ostsyriens verwalteten Gebiet befinden. Seit dem 2. November wurden ca 400.000 Menschen durch die türkische Invasion vertrie-ben, Frauen und Kinder sind dabei von gravierenderen Auswirkungen betroffen. 150.000 davon befinden sich nun in der Jazeera-Region. Die Geflüchtetenlager in Rojava, welche auch Tausende Menschen aufgenommen haben, die vor den Aus-wirkungen des Syrienkrieges fliehen mussten, sind maßlos überfüllt und erhalten keinerlei humanitäre Unterstützung durch internationale Hilfsorganisationen.

Radio T: Während der CDU-Besetzung wurden von den Internatio-
nalist*innen konkrete Forderungen verlesen. Welche Forderungen
stellt ihr nun in Anbetracht der aktuellen politischen Lage in Rojava
an die Internationale Gemeinschaft?

Clara: Unverzüglich müssen folgende Maßnahmen von der internationalen Gemeinschaft ergriffen werden, um die physische und soziale Krise zu
beenden, die durch die türkische Invasion verursacht wurde und in deren
Rahmen Gewalt, Vertreibung, Kriegsverbrechen, Not und Menschenrechtsverletzungen verübt werden:

• die Einrichtung einer “Flugverbotszone” über Nordsyrien zum Schutz
der Zivilbevölkerung vor willkürlicher Gewalt und Massakern

• der sofortige Rückzug der türkischen Besatzungsarmee und aller mit ihr verbundenen bewaffneten Gruppen aus dem Territorium Syriens, sowie die Beendigung der Besetzung, der Völkermordpraktiken und des Feminizids

• die Einrichtung einer Friedensmission der internationalen Gemeinschaft an
der türkisch-syrischen Grenze zur Verhinderung weiterer Angriffe der türki-
schen Armee und all ihrer verbündeter Milizen

• die umgehende Verhängung von Wirtschaftssanktionen gegen die Türkei
und die sofortige Einstellung des gesamten Waffenhandels mit der Türkei

• und schließlich Sofortmaßnahmen zur umfangreichen humanitären Unter-stützung der Regionen der Autonomen Selbstverwaltung Nord- und Ostsyriens

Radio T: Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg der Türkei auf die Selbst-
verwaltung ist nicht das einzige Schlachtfeld Erdogans in Syrien. Seit Februar scheint die militärische Situation um Idlib zu eskalieren. Was
genau bedeuten die Gefechte in der Region nördlich von Aleppo?

Coco: Entsprechend der Versprechungen von Russland und dem syrischen Re-gime zur Erhaltung der Souveränität Syriens befreiten syrische Truppen im Februar die letzten Rebellengebiete nördlich von Aleppo. Durch massive Bom-bardierungen des syrischen Regimes auf Militärstützpunkte von FSA und Al-Nusra wurden türki-sche Soldaten getötet, welche sich in den Stellungen ihrer verbündeten Dschihadis-ten aufhielten. Daraufhin begann die Türkei, massiv Truppen nach Idlib zu verlegen und Vergeltungsschläge gegen syrische Truppen zu verüben. Die Luftschläge der türkischen Armee konnten nur durch die Eröffnung des Luftraumes durch Russland ermöglicht werden, was ein weiteres Anzeichen für die Doppelmoral der russischen Syrienpolitik darstellt. Die schweren Gefechte in Idlib zwischen türkischen Truppen und dem syrischen Regime sind Ausdruck des Scheiterns der internationalen Mächte. Das Scheitern der Türkei drückt sich aus in der inneren politischen und wirtschaftlichen Krise der Türkei (auch durch die Beteiligung der Türkei im syri-schen Bürgerkrieg) und dem Scheitern der politischen Einflussnahme in Syrien durch die Zerschlagung der Rebellenhochburgen von Al-Nusra und FSA. Das Scheitern der Türkei zeigt sich auch in einer zunehmenden Destabilisierung des politischen Ansehens der Türkei in der EU und im Westen durch Verhandlungen mit Russland und kriegerischen Handlungen entgegen internationaler Konventionen u. NATO-Bestimmungen. Auch aufgrund des Verkaufs der S400-Raketensysteme von Russland an die Türkei scheiterten die Hoffnungen Erdogans auf militärische Unterstützung der NATO und der USA in den Kämpfen um Idlib auf der Seite der türkischen Armee. Das Scheitern westlicher Staaten drückt sich aus in dem Ver-sagen bei dem Versuch einer einheitlichen europäischen Syrien-Politik mit dem Ziel der Beendung des Krieges in Syrien zur Auflösung von Fluchtursachen und der Demokratisierung der Region. Der momentane Höhepunkt im Syrienkrieg bewirkt erneut massive Fluchtbewegungen innerhalb von Syrien. Der Westen scheiterte auch bei der Bekämpfung des Terrorismus in Syrien durch Toleranz von Rebellen-hochburgen und der terroristischen Kriegsführung Erdogans, sowie politischer und militärischer Unterstützung an die Türkei.

Radio T: Am 5. März 2020 schlossen Putin und Erdogan einen vorläufigen Waffenstillstand durch das Moskauer Abkommen. Könnte sich dadurch
die Situation zwischen Russland und der Türkei in Syrien entspannen?

Clara: Das Moskauer Abkommen zwischen Putin und Erdogan ist schwammig und widersprüchlich. Es beinhaltet das Ziel der Aufrechterhaltung des Sotschi-
Abkommens vom September 2018. Beide Kriegsparteien haben als Grund für Kampfhandlungen Verletzungen des Sotschi-Abkommens genannt, allerdings scheinen Putin und Erdogan die Bestimmungen des Abkommens unterschiedlich zu interpretieren. Erdogan erklärte, dass die Türkei jeden Angriff des syrischen Regimes erwidern wird u. dass ein „neuer Status in Idlib“ unausweichlich sei. Putin hingegen beruft sich auf den Schutz der Souveränität und der territorialen Gesamt-heit Syriens, was als klare Absage an Erdogans hegemoniale Absichten in Idlib verstanden werden kann. Außerdem konstituierte Putin erneut die Notwendigkeit des Kampfes gegen den internationalen Terrorismus. Diese Erklärungen deuten darauf hin, dass der ausgehandelte Waffenstillstand zwischen den beiden Groß-mächten nicht von Dauer sein wird. Ebenso werden im Rahmen des Abkommens viele Streitpunkte offen gelassen, wie zum Beispiel der Umgang mit den inter-nationalen Verkehrswegen M4 und M5, sowie den kürzlich von Assad zurück-eroberten Gebieten nördlich von Aleppo. Perspektivisch kann davon ausgegangen werden, dass Erdogan zur Reorganisierung der hegemonialen Macht der Türkei in Syrien weiterhin versuchen wird, Gebiete zu annektieren, vor allem in Rojava. Was Erdogan mit seiner Forderung nach einem neuen Status für Idlib vorschwebt, ist die Aufrechterhaltung seines Einflusses in der Region. Wenn er Idlib nicht vollständig halten kann, will er zumindest einen Teil des Gebiets einschließlich Efrin, Gire Spi und Serekaniye zum Ausbau seiner politischen und wirtschftlichen Interessen in der Hand behalten. Russland wird seine politische Präsenz in Syrien und im Mittleren Osten beibehalten und weiterhin danach streben, seine politische Einflussnahme in dieser Region zu konsolidieren.

Radio T: Im Zusammenhang mit Erdogans kriegerischen Absichten in Syrien öffnete die Türkei kürzlich die Grenze zu Griechenland für Geflüchtete. Was bedeutet diese Maßnahme für die EU und wie ist die Situation vor Ort?

Coco: Durch die Öffnung der Grenze zu Griechenland durch die Türkei wird das EU-Türkei-Abkommen (2016), der sog. Geflüchtetendeal, faktisch außer Kraft gesetzt. Erdogan benutzt schutzsuchende Menschen als Druckmittel gegen die EU, um militärische Unterstützung und weitere Gelder für die Finanzierung seines Krieges zu erpressen. Derzeit befinden sich ca 13.000 Geflüchtete an der Grenze der Türkei zu Griechenland. Die türkische Regierung betont, dass täglich tausende Menschen hinzukommen können. Die Ereignisse der letzten Tage zeigen, dass die Türkei aktiv und gewaltvoll Menschen dazu drängt, die Grenze zu Griechenland zu passieren. Das griechische Militär hat bereits zwei schutzsuchende Menschen an der Grenze erschossen und geht mit Schusswaffen, Tränengas und körperlicher Gewalt gegen die Geflüchteten vor. Griechenland hat faktisch das europäische Asylrecht außer Kraft gesetzt und bekannt gegeben, für einen unbefristeten Zeit-raum keine Asylanträge zu bearbeiten. Menschen, die es geschafft haben, die Grenze zu passieren, sind der Gefahr ausgesetzt, direkt durch den griechischen Grenzschutz unter Anwendung von menschenunwürdigen Praktiken zurück in die Türkei abgeschoben zu werden oder mit Angriffen militanter Faschist*innen kon-frontiert zu sein. Seit der Grenzöffnung der Türkei wurden mehrere Angriffe von griechischen Neonazis auf Infrastrukturen von Geflüchtetencamps und Hilfsorgani-sationen dokumentiert. Journalist*innen und Mitarbeiter*innen von NGOs wurden bereits wiederholt gewaltsam attackiert. Aufgrund der asylpolitischen Haltung der EU zugunsten der Fluchtursachen und zu missgunsten der Geflüchteten in den letzten Jahrzehnten, sowie der Aussetzung des EU-Türkei-Abkommens durch die kürzliche Grenzöffnung erleben wir ein enormes Erstarken der militanten rechts-extremen Bewegungen in Europa, vor allem in EU-Grenzländern. Durch die gesell-schaftliche Toleranz und Ignoranz gegenüber faschistischen Strukturen in Europa, war es diesen möglich, in den letzten Jahrzehnten umfassende Netzwerke aufzu-bauen und eine gemeinsame Handlungsfähigkeit zu entwickeln. Gewaltbereite Faschist*innen organisieren nicht nur illegale Aktivitäten im Untergrund, sondern verbreiten unter dem Schutz des Parlamentarismus legal ihre menschenverach-tenden Ideologien. Nun mobilisieren Rechtsextreme in ganz Europa an die Außen-grenzen, um die Abschottungspolitik in europäischer Tradition auf eigene Initiative fortzuführen. Die Reaktionen der Bundesregierung und der EU auf die Ereignisse an der türkisch-griechischen Grenze verstärken diese Entwicklungen ideologisch massiv. Die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen dankte Griechen-land dafür, dass „Europäische Schild“ zu sein und sagte weiterhin: „Die Türkei ist kein Feind und Menschen sind nicht nur ein Mittel, um ein Ziel zu erreichen.“ Basierend auf der Argumentation der Kontrollsicherung und der Verhinderung
von gesellschaftlicher Destabilisierung unterstützt die EU die Abschottungs-
und Aufrüstungsprozesse an der griechischen Grenze. Erst kürzlich bewilligte
die EU 700 Millionen Euro für den griechischen Grenzschutz.

Radio T: Was muss in der Welt passieren, damit der Krieg in Syrien und die neoosmanischen Bestrebungen der Türkei eingedämmt werden können?

Clara: Es gibt keine einfache oder vollständige Antwort auf diese Frage, aber wir teilen die Analyse, dass internationale Phänomene sowohl in ihren Ursachen, als auch in ihren Auswirkungen behandelt werden müssen. Bei der Behandlung von Ursachen des Krieges bedarf es einer grundlegenden Veränderung der politischen Haltung des Westens zum Mittleren Osten, vor allem zur Türkei – hin zu einem lösungsorientierten außenpolitischen Handeln. Es bedarf wirtschaftlicher Konse-quenzen (zum Beispiel der Stoppung laufender Rüstungsexporte u dem Abbruch der Zusammenarbeit mit staatlichen Wirtschaftsakteuren in der Türkei). Bei der Behandlung von Auswirkungen des Krieges bedarf es der sofortigen Öffnung der EU-Grenzen für Schutzsuchende, sowie einer grundlegenden Reorganisierung der europäischen Asylpolitik. Es bedarf einer massiven Verfolgung von IS-Kämpfern und islamistischen Organisationen in Deutschland und auf der ganzen Welt. Allgemein muss jedoch, besonders in Ostdeutschland, der Kampf gegen den Faschismus in den Parlamenten, den Medien und auf Straße kontinuierlich
und ehrgeizig geführt werden.


In diesem Lied geht es um den Widerstand der Guerilla in Kurdistan.


5. BILDUNGSWOCHEN: „ROJAVA – EINE UTOPOIE?

Die Menschen, welche die Veranstaltungen organisieren, wollen gemeinsam mit
den Besucher*innen die verschiedenen Aspekte der Selbstverwaltung und der Freiheitsbewegung kennenlernen und diskutieren. Dazu laden sie alle herzlich ein, zu der Veranstaltungsreihe „ROJAVA – eine Utopie?“, die von März bis Mai an unterschiedlichen soziokulturellen Orten in Chemnitz stattfinden wird.

Themen:
• Einführung Rojava
• Geschichte der kurdischen Bewegung
• Jugendbewegung in der Türkei
• Widerstand in türkischen Foltergefängnissen (Diyabakir)
• Demokratischer Konföderalismus
• Geschichte der Frauenbefreiungsbewegung
• Jineoloji
• Ökologie / Klimagerechtigkeit und Antifaschismus
• BRD und Türkei

Anmerkung: Die Verantstaltungsreihe „Rojava – Eine Utopie?“ wurde aufgrund der Corona-Krise auf unbestimmte Zeit vertagt.

Kritik an der CDU/CSU

Zu allen Abkürzungen und Namen von Organisationen findet ihr eine kurze Beschreibung in der Übersicht zu kurdischen Organisationen und anderen Parteien in Kurdistan oder in der Übersicht zu faschistischen Organisationen in Kurdistan.

1. ANMERKUNG

Es gibt viele Gründe, ein CDU-Büro zu besetzen.
Über die Komplexität der Verstrickungen der CDU/CSU in moralische Skandale und das Ausmaß der Folgen der jahrzehntelang andauernden CDU-Politik in der BRD könnten Bibliotheken gefüllt werden. Nicht erst seit Rezos Youtube-Offen-barung („Die Zerstörung der CDU“, 2019) zieht sich vom Wahlprogramm und konservativer Ideologie bis zur Genehmigung von Waffenexporten und Kriegs-technik eine autoritäre, kapitalistische, eurozentristische und diskriminierende Agenda sichtbar durch das Handeln und Wirken einer sich selbst als christlich-demokratisch inszenierenden Partei. Politisches Schauspiel, rückschrittliche Re-gierungsentscheidungen, Verbindungen von CDU/CSU-Politiker*innen in die Neo-naziszene oder zu türkischen Faschist*innen, Justizskandale und hetzerische Social Media Beiträge pflastern den steinernen Weg der Union.

Besonders aus einer Chemnitzer Perspektive ist die CDU nur auf allen Ebenen zu kritisieren, sei es aufgrund einer jahrzehntelangen Toleranzpolitik gegenüber fasch-istischen Strukturen und rechter Gewalt, einer konservativ bis rechtsradikalen Stadtratskomposition oder lokalpolitischer Apathie und Imagepolitik bei allen he-rausragenden politischen Ereignissen (NSU, Einsiedel 2016, Trauermärsche am 5. März, Chemnitz 2018..). An dieser Stelle soll jedoch weniger auf die CDU/CSU als Parteikomplex in all seinen Dimensionen eingegangen werden, sondern spezifisch widmen wir uns einer kurzen Analyse der Rolle der Union in der Bekämpfung der Kurd*innen und der Förderung des türkischen Faschismus.

Die drei aufgeführten Gründe sind im Zusammenhang mit der Befreiungsbewegung Kurdistans bedeutsame Entwicklungen in der BRD. Durch eine Jahrzehntelange Tradition der Verbrüderung zwi-schen CDU/CSU und dem türkischen Staat, sowie türkischen Organisationen in Deutschland wurden die gesellschaftlichen Rahmen-bedingungen geschaffen, um Erdogan in seiner kriegerischen Diktatur zu bestärken und Kurd*innen und der Befreiungsbewegung nahestehenden Internationalist*innen massiver Repression zu unterwerfen.


2. ZUSAMMENARBEIT DER CDU/CSU MIT DER MHP
UND DEN GRAUEN WÖLFEN

Schon in der Zeit der Dritten Reichs in Deutschland gab es enge Verbindungen zwischen türkischen Faschisten und den zu dieser Zeit herrschenden National-sozialisten. Aufgrund der vielen Überschneidungen in der Ideologie und dem spä-teren gemeinsamen Kampf gegen den Kommunismus, kam es zu einer engen Zusammenarbeit. Nachdem Deutschland den Krieg verloren hatte und kapitulieren musste, wurde innerhalb der deutschen Politik, keine konsequente Auseinander-setzung mit den faschistischen Funktionären in Institutionen des deutschen Staates durchgeführt. Daher ist es nicht verwunderlich, dass die Zusammenarbeit zwi-schen Faschisten aus der Türkei und Funktionären der konservativen Partei CDU/ CSU weiterging.

2.1 Anfänge der Zusammenarbeit mit der MHP und den Grauen Wölfen

Als Durchbruch für die Etablierung der „Grauen Wölfe“³ in Deutschland kann das Jahr 1978 begriffen werden. Nachdem Helmut Kohl, damaliger Fraktionschef von CDU/CSU, den türkischen Faschistenführer Türkeş das Gespräch verweigerte, beschwerte sich der über gute Kontakte zur CSU verfügende Istanbuler Unterneh-mer Murat Bayrak als Türkeş Kontaktmann in einem Brief an den bayerischen Mi-nisterpräsidenten und CSU-Vorsitzenden Franz Josef Strauß. Im April 1978 ge-währte Strauß in München Türkes, dem Vizevorsitzenden der MHP¹, Gün Sazak und Murat Bayrak die gewünschte Audienz. Es sei ein sehr herzliches Gespräch gewesen, berichtete Bayrak später. Übereinstimmung habe in der Beurteilung des Weltkommunismus als Gefahr für den freien Westen bestanden. „Strauß sagte dem Vernehmen nach den MHP-Politikern zu, dass in Zukunft für die MHP und die Grauen Wölfe ein günstiges psychologisches Klima in der Bundesrepublik geschaf-fen werden müsse, damit die MHP hier in einem besseren Licht erscheine. Bayern soll der Anfang sein.“

Besonders nach dem Militärputsch 1980 in der Türkei wurde die Zusammenarbeit intensiviert und viele faschistische Mörder und Funktionäre aus der Türkei fanden Unterschlupf in Deutschland und den hier gebildeten Strukturen, wie der Türk Fe-derasyon². Die Mitgliederanzahl stieg in diesen Jahren massiv, weil viele Graue Wölfe aufgrund von Strafverfolgung aus der Türkei fliehen mussten.

2.2 Mord an Celattin Kesim durch Graue Wölfe 1980

In der Reihe der Gewalttaten durch Graue Wölfe erlangte der Mord an Celattin Kesim in Berlin Kreuzberg besondere Aufmerksamkeit. Er wurde am 5. Januar 1980 von Grauen Wölfen und Islamisten, welche aus der nahen Mevalana Mo-schee kamen, überfallen und ermordet. Celattin Kesim war Kommunist, Gewerk-schaftler und Sekretär des „Berliner Türkenzentrums“, dessen Aktivist*innen an diesem Tag Flugblätter am Kottbuser Tor verteilten. Kesims Genoss*innen ver-dächtigen hinter diesem geplanten Mord den türkischen Geheimdienst.

2.3 Konsolidierung der politischen Einflussnahme durch Graue Wölfe

Die MHP pflegte nicht nur gute Kontakte zu CDU/CSU sondern hatte in den 1970er und 80er Jahren gute Beziehungen zur NPD. Diese Kontakte gingen aber nach den tödlichen Brandanschlägen von Neonazis auf türkeistämmige Migrant*innen in So-lingen, Mölln und anderen deutschen Städten zu Beginn der 1990er Jahre in die Brüche. Stattdessen rief Türkeş seine Anhänger bei der Jahresversammlung der „Türkischen Föderation“ 1995 zur aktiven Politik in CDU und CSU auf. Dort, aber auch bei anderen Parteien, gelangten „Graue Wölfe“ seitdem in örtliche oder regio-nale Vorstände sowie in Ausländerbeiräte und Kommunalparlamente.

Während die kurdische PKK verboten ist und türkische Kommunisten sich von deutschen Gerichten mit Terrorklagen konfrontiert sehen, können die „Grauen Wölfe“ bis heute in der Bundesrepublik weitgehend ungestört agieren. Mit Rücken-deckung der türkischen Konsulate können sie Hetze und Drohungen gegen ver-meintliche Feinde des Türkentums wie Kurd*innen, Alevit*innen, Armenier*innen, Juden, Linke und Homosexuelle verbreiten und als verlängerter Arm der türkischen Regierung Oppositionelle im Exil belästigen. Dabei profitieren die türkischen Fa-schisten bis zum heutigen Tage von dem günstigen psychologischen Klima, das der bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß seinem türkischen Gesin-nungsfreund, dem Hitler-Verehrer Alparslan Türkeş, 1978 angesichts der gemein-sam ausgemachten linken Gefahr zugesagt hatte.

Quelle: Wie die Grauen Wölfe nach Deutschland kamen,
Nick Brauns, Antifainfoblatt,2016


Die Grauen Wölfe – Türkische Faschisten in Deutschland, 2015

2.4 Neuere Ereignisse

Ein 41-jähriger Kurde, Ibrahim Demir aus Midyad in Mêrdîn (türk. Mardin), ist am 15.05.2020 in Dortmund im Zuge eines rassistisch motivierten Gewaltverbrechens ermordet worden. Auf dem Heimweg wurde der kleinwüchsige Mann mehrfach ge-treten, auch als er schon am Boden lag. Der von einem Zeugen herbeigerufene Notarzt konnte den Schwerverletzten nicht mehr retten, Demir starb noch am Tat-ort. Der Verdächtige, ein Anhänger der „Grauen Wölfe”, wurde verhaftet.

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Dortmund ist der 39 Jahre alte Asir A. am 17.05.2020 durch Zeugenhinweise ermittelt worden. Im Laufe der Ermittlungen habe er sich dann selbst gestellt. Die Familie des Opfers hatte einen Aufruf in den sozialen Medien gestartet und an Zeugen appelliert, sich zu melden. Dieser Aufruf habe geholfen. Bei seiner Vernehmung habe Asir A. schließlich eingeräumt, Ibrahim D. körperlich misshandelt zu haben. Wegen des dringenden Tatverdachts der Kör-perverletzung mit Todesfolge wurde er am 18.05. dem Haftrichter vorgeführt.

Ibrahim Demir war kleinwüchsig und nur 1,42 Meter groß. In der Tatnacht befand er sich auf dem Weg nach Hause. Zuvor hatte er noch seine Mutter besucht und war um 23.30 Uhr aufgebrochen. Zuletzt lebend wurde er in einem Kiosk gesehen, 300 Meter von seiner Wohnung in der Adlerstraße entfernt. Gegen ein Uhr nachts be-merkte ein Zeuge die Tat und sah einen Mann wegrennen.

Ibrahim Demir, ermordet von einem Grauen Wolf, 2020

Laut Polizei und Staatsanwaltschaft gibt es noch keine konkreten Hinweise auf ein Motiv, lediglich Anzeichen für einen Streit im Vorfeld. Ein Blick auf das Facebook-Profil des mutmaßlichen Täters zeichnet ein anderes Bild. Asir A. hat ganz offen-sichtlich eine zutiefst rassistische und faschistische Gesinnung und scheint An-hänger der rechtsextremen „Graue Wölfe“ zu sein, wie die Mitglieder der ultrana-tionalistischen türkischen Partei MHP genannt werden.

Ob es sich bei Asir A. auch um die Person handelte, die das Opfer bedrohte, ist allerdings unklar. Şaziye Demir, die Mutter von Ibrahim Demir, gab gegenüber Yeni Özgür Politika an: „Irgendjemand bedrohte Ibrahim in der letzten Zeit. Ich spürte, dass etwas mit ihm nicht stimmt, aber jedes Mal, wenn ich ihn fragte, wich er mir aus. Zuletzt fragte ich ihn zwei bis drei Tage bevor er ermordet wurde, was ihn bedrückt. Er sagte ‚Mama, misch dich nicht ein, sonst bringt er dich um‘“. Hasret Demir, ein Bruder des Getöteten, sagte: „Es ist eine unverständliche Tat. Ibrahim hat niemandem etwas getan. Er war schwach und konnte sich nicht selbst vertei-digen. Das Leben hat es ohnehin nicht gut mit ihm gemeint und nun wurde er so grausam getötet.“


3. GENEHMIGTE RÜSTUNGSEXPORTE DER BUNDESREGIERUNG

Nach dem 2. Weltkrieg hat die deutsch-türkische Partnerschaft einen neuen Rah-men angenommen. Beide Länder wurden NATO-Mitglieder, was zugleich die Fort-setzung und Intensivierung militärischer Zusammenarbeit bedeutete. Die BRD leistet im Rahmen bilateraler Abkommen einen wesentlichen Beitrag zur Ausbil-dung des türkischen Militärs und dem Aufbau der Sicherheitsorgane und militäri-scher Institutionen in der Türkei.

Zudem wurde die Türkei zu einem bedeutenden Absatzmarkt der deutschen Rüs-tungsindustrie. Zahlreiche Firmen wie Rheinmetall, Heckler & Koch, Mercedes und viele weitere exportieren Rüstungsgüter in die Türkei, abgesichert durch die deut-sche Exportwirtschaftsförderung (sog. Hermes-Bürgschaft). Um die strengen Ex-portrichtlinien für die militärischen Güter zu umgehen, verkauft Deutschland mittler-weile entsprechendes Know-How in die Türkei.

Die kriegstreiberische Politik der Türkei in der Region bedeutet für die deutschen Unternehmen eine Wertsteigerung ihrer Produkte auf dem internationalem Markt, da sie unter realen Kriegsbedingungen getestet werden können. So waren es deut-sche Leopard-II-Panzer, auf denen Dschihadisten schließlich in die monatelang umkämpfte und schließlich von türkischen Söldnern, hauptsächlich Anhänger isla-mistischer Milizen, besetzte Stadt Afrin gerollt sind. Die BRD war schon damals und ist heute im Angriffskrieg auf weitere kurdische Gebiete Nordsyriens durch wirtschaftliche Rückendeckung und umfassende Bewaffnung der Türkei eine direkte Kriegspartei.

Kampagne: Rheinmetall entwaffnen!
„Rheinmetall Entwaffnen Camp 2019 – Impressionen
(Lower Class Magazine, September 2019)


„Vom 1. bis 9. September 2019 fand, in Unterlüß bei Celle, das zweite Rheinmetall Entwaffnen Camp statt. Mehrere hundert Menschen haben sich hier zusammen-gefunden um die Waffen- und Munitionsfabriken des Rüstungskonzerns Rheinme-tall zu Blockieren. Erfolgreich wurden so, zwei Tage lang, die Abläufe gestört.“


4. KRIMINALISIERUNG DER KURDISCHEN FREIHEITSBEWEGUNG

Die Kurdische Befreiungsbewegung gehört zu den größten und aktivsten Bewe-gungen der revolutionären Linken, auch in Deutschland. Gleichzeitig ist sie von staatlicher Repression betroffen, wie kaum eine andere politische Bewegung.

Grundlage der permanenten und umfassenden Kriminalisierung ihrer Aktivist*innen und Strukturen ist das 1993 in der BRD erlassene Betätigungsverbot für die Arbei-terpartei Kurdistans (PKK). 1993 wurde die PKK von den damaligen Bundesinnen-mister der CDU Manfred Kanther verboten. Es lieferte die Legitimation für viele un-gezählte Jahre Gefängnis für kurdische Aktivist*innen in Deutschland, meist auf Grundlage des §129b („Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Verei-nigung“). Razzien, Anquatschversuche durch Geheimdienste und politische Polizei, Vorladungen und andere Schikanen wegen vermeintlichen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz prägen den Alltag der kurdischen Bewegung bis heute.

Zuletzt erließ Bundesinnenminister Horst Seehofer im Februar 2019 gar ein Verbot gegen den kurdischen Buchverlag Mezopotamien und den Musikvertrieb MIR.
Die Kriminalisierung der kurdischen Freiheitsbewegung in der BRD hat die Justiz stark geprägt. Vom „Düsseldorfer Prozess“ und dem „Kurden-Käfig“ 1988 über das PKK Betätigungsverbot 1993 bis hin zu den „Terrorismus-Paragraphen“ §§ 129a und 129b des Strafgesetzbuchs. Das sogenannte Symbolverbot spielt dabei eine essentielle Rolle. Längst sind nicht mehr nur die Fahnen und Symbole verbotener Organisationen, wie der PKK betroffen, sondern auch das Bildnis Abdullah Öcalans oder immer wieder auch die Fahnen der syrisch-kurdischen PYD, YPG und YPJ. Selbst Lieder oder Sprechchöre geraten ins Visier der Staatsschutzorgane. Damit hält Willkür Einzug in die Kriminalisierung. Wer legalen kurdischen Organisationen Räume zur Verfügung stellt, wird wegen Unterstützung der PKK verfolgt. Wer seine Solidarität mit dem Kampf der kurdischen Bewegung gegen den „Islamischen Staat“ und für ein freies Rojava zum Ausdruck bringt, muss mit Hausdurchsuch-ungen und Strafverfahren rechnen.

Im März 2017 hat der damalige Bundesinnenminister Thomas de Maizière in einem Rundschreiben an die Landesinnenministerien und Sicherheitsbehörden die Aus-weitung der Verbote von Symbolen kurdischer Organisationen angekündigt. Hier-unter fallen seither auch Kennzeichen der syrisch-kurdischen Partei PYD sowie der Volks- und Frauenverteidigungseinheiten YPG/YPJ, die seither allesamt der PKK zugeordnet wurden und unter das im November 1993 erlassene Betätigungsverbot der PKK fallen. Das Bundesinnenministerium rechtfertigte die Erweiterung der Kennzeichenverbote damit, dass sich die PKK ihrer bedienen würde, da die „eige-nen“ Symbole nicht erlaubt sind. Auf Nachfrage der Linksfraktion im Bundestag relativierte das Ministerium seine Einschätzung vom März 2017 dahingehend, dass das Zeigen der Symbole von PYD, YPG/YPJ u.a. erlaubt sei, sofern bei Veranstal-tungen oder Demonstrationen kein PKK-Bezug feststellbar sei. Schließlich sind diese Organisationen selbst in Deutschland nicht verboten. Das hindert allerdings Polizeibehörden und Staatsanwaltschaften nicht, solche Bezüge zu konstruieren, was zur Folge hat, dass Veranstaltungen verboten oder behindert werden bzw. massenhaft Verfahren wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz eingeleitet und Menschen zu Geldstrafen verurteilt werden. Selbst das Posten in Facebook oder Teilen von Beiträgen mit den inkriminierten Symbolen im Internet werden geahndet. Die Kriminalisierung und strafrechtliche Verfolgung von Kurd*innen ist seit den Rundschreiben des Bundesinnenministeriums insbesondere in Bayern explosions-artig gestiegen.

All die Verbote der letzten Jahrzehnte waren Zugeständnisse der Bundesregierung gegenüber den faschistischen Regimes aus Ankara. Das Vorzeigebeispiel ist der sogenannte „Flüchtlingsdeal“ mit Erdoĝan, welcher den Krieg gegen Rojava mit-finanziert und im Zuge dessen merklich die Angriffe auf die kurdische Freiheitsbe-wegung in Deutschland zunahmen.

Weitere Informationen zur Verfolgung von Kurdinnen und Kurden in der BRD (Infopartisan)

Internationale Kampagne: Make Rojava Green Again


Zu allen Abkürzungen und Namen von Organisationen findet ihr eine kurze Beschreibung in der Übersicht zu kurdischen Organisationen und anderen Parteien in Kurdistan oder in der Übersicht zu faschistischen Organisationen in Kurdistan.


„Make Rojava Green Again!“ (Februar 2018)


1. POLITISCHER KONTEXT EINER REVOLUTION

Sieben Jahre sind seit dem Beginn der Revolution 2012 in Rojava, Westkurdistan vergangen. Sieben Jahre, in denen sich die Menschen hier nach den Prinzipien von Frauen*befreiung, Ökologie und radikaler Demokratie selbst organisieren und verteidigen – gegen imperiale Mächte, den IS und andere islamistische Milizen und nun vor allem gegen den türkischen Faschismus. In Räten organisiert und geschützt durch die Verteidigungskräfte YPG/YP) versuchen in Nordostsyrien Kurd*innen, Araber*innen, Jesid*innen und viele andere ethnische und religiöse Gruppen eine neue Gesellschaft aufzubauen, die jetzt schon ein Leuchtturm für den Mittleren Osten und die ganze Welt ist. Inmitten des Kriegs in Syrien baut die lokale Bevölkerung eine revolutionäre Bewegung auf, mit dem Anspruch der kapitalistischen Moderne ein Ende zu bereiten. Doch trotz der anhaltenden Erfolge der Revolution stehen die Menschen unter Druck: Die Angriffe und Besetzungen durch die Türkei, der Krieg gegen den IS sowie ein umfassendes Wirtschaftsembargo erschweren den Aufbau der neuen Gesellschaft. In dieser Situation braucht die Demokratische Föderation Nordostsyrien, mehr denn je weltweite Unterstützung.


2. DIE INTERNATIONALISTISCHE KOMMUNE

Voneinander lernen, sich gegenseitig unterstützen
und gemeinschaftlich organisieren

Seit vielen Jahren arbeiten wir als Internationalist*innen aus aller Welt in verschiedenen Strukturen der Demokratischen Föderation. Inspiriert von der revolutionären Perspektive der Kurdischen Befreiungsbewegung sind wir hier, um zu lernen, die vorhandenen Arbeitsprozesse zu unterstützen und weiter zu entwickeln. Es ist unser Ziel eine neue Generation des Internationalismus zu organisieren, um die kapitalistische Moderne weltweit herauszufordern. Anfang 2017 etablierten wir, unterstützt von den Strukturen der demokratischen Selbstverwaltung, die „Internationalistische Kommune von Rojava“. Unsere bisherigen Arbeiten umfassen Sprachkurse und Bildungen in der zivilen internationalistischen Akademie Sehid Helin Qerecox, Delegationsreisen, Öffentlichkeitsarbeit und die Mitarbeit in verschiedenen Strukturen der Selbstverwaltung.


3. EIN GRUNDPFEILER DER REVOLUTION: ÖKOLOGIE

Die Kapitalismus funktioniert nur durch die rücksichtslose Aneignung und Zerstörung von jeglichen natürlichen Prozessen. Tiere, Menschen und Pflanzen werden gleichsam zu Ressourcen entwertet, Naturzerstörung und ökologische Krisen gehen Hand in Hand mit Unterdrückung und Ausbeutung des Menschen. Die Kapitalistische Moderne entfremdet uns selbst von unserer Lebensgrundlage – und gleichzeitig ist diese Entfremdung ein wichtiger Faktor im Fortbestehen dieses Systems. Um diesen Kreislauf aus Krisen, Profitmaximierung und planetarer Zerstörung zu durchbrechen ist ein neues Paradigma nötig, ein grundlegend anderes Verständnis davon, wie wir als Menschen in und mit der Natur agieren sollte, aber auch davon, wie sich eine Gesellschaft auf solidarische und gleichberechtigte Weise selbstorganisieren kann. Neben der Geschlechterbefreiung und der umfassenden Demokratisierung aller Lebensbereiche ist die Entwicklung eines ökologischen Gesellschaftssystems ein Grundpfeiler der Revolution von Rojava. Es gehe um mehr als Naturschutz und Schadensbegrenzung. Es geht um die Wiederherstellung des aus dem Gleichgewicht geratenen Verhältnisses zwischen Natur und Mensch, also um einen erneuten, bewussten und aufgeklärten Zusammenschluss zu einer natürlichen, organischen Gesellschaft (Abdullah Öcalan).

4. MONOKULTUR, WASSERKNAPPHEIT UND LUFTVERSCHMUTZUNG: Kolonialismus gegen Mensch und Natur

Die Folgen kapitalistischer Mentalität und staatlicher Gewalt gegen Gesellschaft und Umwelt sind in Rojava deutlich zu sehen. Das Baath-Regime war und ist in ganz Syrien wenig an einer ökologischen Gesellschaft interessiert. Besonders im kolonisierten Rojava standen stets die maximale Ressourcenausbeutung und hohe landwirtschaftliche Produktionsraten im Vordergrund. Systematisch wurden Wälder abgeholzt, um Platz für Monokulturen aus Weizen und Olivenbaumplantagen zu machen. Das heutige Rojava wurde traditionell als „Kornkammer Syriens bezeichnet“, da hier ca 80% des Weizens in Syrien angebaut wurden. Mühlen gab es bis zur Befreiung jedoch kaum – der Weizen wurde wie das Öl gefördert und in den Süden zur Weiterverarbeitung abtransportiert. Mit dieser Produktionsstrategie wurde Nord- und Ostsyrien jahrelang von der Baath-Regierung ausgeblutet und wirtschaftlich abhängig gemacht. Jahrzehntelang war es verboten, Bäume zu pflanzen und Gemüsegärten anzulegen – die Bevölkerung wurde durch repressive Politik und Unterentwicklung der Region systematisch zur Emigration als billige Arbeitskräfte in die umliegenden syrischen Metropolen wie Aleppo, Raqqa und Homs angehalten. Der Krieg, Energieproduktion und -verbrauch, mangelhafte Müllentsorgung und massiver Chemikalieneinsatz in der Landwirtschaft haben Boden, Luft und Wasser schwer belastet. Die Bevölkerung in Nordostsyrien und ihre Demokratische Föderation haben jedoch nicht nur mit dem umweltpolitischen Nachlass des Baath-Regimes zu kämpfen. Eine ernsthafte Bedrohung stellt die feindliche Politik des türkischen Staates gegen die Revolution dar. Neben militärischen Angriffen, Besatzungen wie in Afrin und der ständigen Drohung mit weiteren Invasionen und einem totalen wirtschaftlichen Embargo ist insbesondere der Bau von Staudämmen im von der Türkei besetzten Nordkurdistan und die ungezügelte massive Grundwasserentnahme für die eigene Landwirtschaft ein Problem. In der Folge gibt es einen dramatischen Rückgang der von Norden nach Nordostsyrien laufenden Flüsse und ein stetes Absinken des Grundwasserspiegels – die Turkei dreht Rojava systematisch das Wasser ab.


5. ÖKOLOGISCHES ARBEITEN IN ROJAVA
ZWISCHEN KRIEG UND EMBARGO

Der Versuch, sowohl des türkischen als auch syrischen Regimes, die Revolution in Nordostsyrien durch militärische, politische und wirtschaftliche Angriffe zu ersticken, der Krieg gegen den Islamischen Staat und das auch von der südkurdischen KDP (Irak) unterstützte Embargo gegen Rojava schaffen schwierige Verhältnisse für ökologische Arbeiten. Trotz verschiedenster Projekte, wie der Schaffung von Naturschutzgebieten über umweltgerechte Müllentsorgung bis zu Wiederaufforstung, befinden sich die Strukturen der Demokratischen Selbstverwaltung auch weiterhin in ernsthaften Widersprüchen und Sachzwängen. Die Arbeiten vieler regionaler Komitees und Projekte stecken oftmals noch in ihrer Anfangsphase oder kommen über die Planung nicht hinaus. Die ökologische Revolution in der Revolution steckt noch in den Kinderschuhen: Es fehlt an Bewusstsein in der Bevölkerung, Wissen und Ideen, notwendiger Technologie und vor allem an finanziellen Mitteln.

6. UNSER BEITRAG ZUR ÖKOLOGISCHEN REVOLUTION:
Make Rojava Green Again

Wir, die Internationalistische Kommune von Rojava, wollen unseren Teil zu dieser ökologischen Revolution in Nordostsyrien beitragen und haben deswegen die Langzeit-Kampagne Make Rojava Green Again, in Zusammenarbeit mit dem Ökologie-Komitee und dem Komitee für Naturschutz des Kantons Cizire, ins Leben gerufen. Die Kampagne umfasst drei verschiedene Aspekte:

I. Aufbau der internationalistischen Akademie entsprechend eines Lebens unter ökologischen Gesichtspunkten, mit Vorbildcharakter für vergleichbare Projekte und gesamtgesellschaftliche Konzepte (Bildungen von Internationalist*innen und der Bevölkerung zur Stärkung des Bewusstseins für den Aufbau einer ökologischen Gesellschaft)

II. Direkte Beteiligung an Arbeiten ökologischer Projekte zur Aufforstung und der Aufbau einer Baumschule als Teil der internationalistischen Akademie

III. Materielle Unterstützung laufender und zukünftiger ökologischer Projekte der Strukturen der Demokratischen Selbstverwaltung, sowie Vermittlung von Wissen zwischen Aktivist*innen, Wissenschaftler*innen, Expert*innen und den Komitees und Strukturen in Nordostsyrien, u.a. zur Entwicklung einer langfristigen Perspektive für eine ökologische Gesellschaft. Zudem ist die Kampagne auch in Europa aktiv und ist Teil der breiten Klimagerechtigkeitsbewegung und verschiedener ökologischer Kämpfe.


7. DIE REVOLUTION UNTERSTÜTZEN!

An unserer Akademie haben wir begonnen, eine Baumschule aufzubauen, um die Wiederaufforstung voranzubringen. Die gemeinsame körperliche Arbeit ist auch Teil der Bildung in der internationalistischen Akademie und ein konkreter Ausdruck der Solidarität mit den Kommunen, Institutionen und Strukturen der Bevölkerung. Mit dem Aufbau einer Wasseraufbereitungsanlage für die Akademie leisten wir einen kleinen Beitrag zur Lösung des Abwasserproblems. Weitere Projekte sind seit einiger Zeit geplant, konnten aber aufgrund der instabilen Situation nicht umgesetzt werden. Außerdem wollen wir an Konzepten für eine ökologische Energieversorgung und Recycling arbeiten. All diese Projekte erfordern viel Kreativität und Geduld, da das von den Nachbarstaaten verhängte Wirtschaftsembargo viele Standardlösungen schwer umsetzbar macht. Dafür wird viel Geld benötigt – aber Geld ist nicht alles!

Unterstützungsmöglichkeiten:

Weitersagen! Zögert nicht, diese Kampagne mit Freund*innen, Familie, Aktivist*innen, Journalist*innen, Wissenschaftler*innen und Expert*innen zu teilen. Schreibt, veröffentlicht und teilt Artikel und Interviews über die Kampagne. Verbreitet die Nachricht über die wachsende ökologische Revolution!

Teilt euer Wissen! Wenn ihr Ideen und Kenntnisse habt, die für uns nützlich sein könnten, würden wir uns sehr freuen, wenn ihr uns kontaktieren würdet.

Verbindet uns mit Expert*innen! Speziell für unsere Projekte in den Bereichen ökologische Land- und Forstwirtschaft, erneuerbare Energien, Abfallrecycling und Wasseraufbereitung suchen wir Ingenieur*innen und Techniker*innen.

Spendet Geld! Die ökologischen Projekte kosten bereits viel Geld. Unterstützt die Arbeiten finanziell!

Kommt nach Rojava!
Um von der Revolution zu lernen und an ihr teilzunehmen, sie mit ihren Erfahrungen zu unterstützen und euch mit der kurdischen Befreiungsbewegung zu organisieren.

Vernetzt euch! Die Kämpfe gegen die lokalen Symptome der kapitalistischen Moderne, wie zum Beispiel gegen die Ausbeutung der Natur, Frauenunterdrückung und globale patriarchale Hegemonie, müssen miteinander verbunden werden. Eine internationalistische Lösung dafür liegt im Konzept des Demokratischen Konföderalismus und seiner Praxis in der Demokratischen Föderation Nordostsyrien. Verbindet eure lokalen Kämpfe nach den Prinzipien des Demokratischen Konföderalismus und vernetzt euch mit den Freundinnen und Freunden in allen Ländern!

Internationale Kampagne: „Make Rojava Green Again“

 

1. Hintergrund

Sieben Jahre sind seit dem Beginn der Revolution 2012 in Rojava, Westkurdistan vergangen. Sieben Jahre, in denen sich die Menschen hier nach den Prinigien von Frauen*befreiung, Ökologie und radikaler Demokratie selbst organisierem und verteidigen – gegen imperiale Mächte, gegen den IS und andere istaIs- tische Banden und gegen den türkischen Faschismus. In Raten organisiert und geschützt durch die Verteidigungskräfte YPG/YP) versuchen in Nordostsyrien Kurdinnen, Araberinnen, Yezid*innen und viele andere ethnische und religiöse Gruppen eine neue Gesellschaft autizubauen, die jetzt schon ein Leuchtturm für den Mittleren Osten und die ganze Welt ist Inmitten des Kriegs in Syrien bauen sie eine revolutionäre Bewegung auf, mit dem Anspruch der kapitalistischen Moderne ein Ende zu bereiten. Doch tratz der anhaltenden Erfolge der Revolution stehen die Menschen unter Druck: Die Angriffe und Besetzungen durch die Türkei, der Krieg gegen den IS sowie ein umfassendes Wirtschaftsembargo erschweren den Aufbau der neuen Gesell- schaft. In dieser Situation braucht die Demokratische Föderation Nordostsyrien, mehr denn je weltweite Unterstützung.

2. Internationalistische Kommune

Voneinander lernen, unterstützen und organisieren

Seit vielen Jahren arbeiten wir als Internationalist*innen aus aller Welt in verschiedenen Strukturen der Demokratischen Föderation. Inspiriert von der revolutionären Perspektive der Kurdischen Befreiungsbewegung sind wir hier um zu lernen, die vorhandenen Arbeiten zu unterstützen und weiter zu entwickeln. Es ist unser Ziel eine neue Generation des Internationalismus zu organisieren, um die kapitalistische Moderne weltweit herauszufordern. Anfang 2017 etablierten wir, unterstützt von den Strukturen der demokratischen Selbst verwaltung, die Internationalistische Kommune von Rojava. Unsere bisherigen Arbeiten umfassen Sprachkurse und Bildungen in der zivilen internationalistischen Akademie Sehid Helin Qerecox, Delegationsreisen, Öffentlichkeitsarbeit und die Mitarbeit in verschiedenen Strukturen der Selbstverwaltung.

3. Ein Pfeiler der Revolution: Ökologie

Die Kapitalismus funktioniert nur durch die rücksichtslose Aneignung und Zerstörung von jeglichen natürlichen Prozessen. Tiere, Menschen und Pflanzen werden gleichsam zu Ressourcen entwertet, Naturzerstörung und ökologische Krisen gehen Hand in Hand mit Unterdrückung und Ausbeutung des Menschen. Die Kapitalistische Moderne entfremdet uns selbst von unserer Lebensgrundlage – und gleichzeitig ist diese Entfremdung ein wichtiger Faktor im Fortbestehen dieses Systems. Um diesen Kreislauf aus Krisen, Profitmaximierung und planetarer Zerstörung zu durchbrechen ist ein neues Paradigma nötig, ein grundlegend anderes Verständnis davon, wie wir als Menschen in und mit der Natur agieren, aber auch davon, wie sich eine Gesellschaft auf solidarische und gleichberechtigte Weise selbstorganisieren kann. Neben der Geschlechterbefreiung und der umfassenden Demokratisierung aller Lebensbereiche ist die Entwicklung eines ökologischen Gesellschaftssystems ein Grundpfeiler der Revolution von Rojava und ganz Nordost Syrien. Es gehe um mehr als Naturschutz und Schadensbegrenzung. Es geht um die Wiederherstellung des aus dem Gleichgewicht geratenen Verhältnisses zwischen Natur und Mensch, also um einen erneuten, bewussten und aufgeklärten Zusammenschluss zu einer natürlichen, organischen Gesellschaft“ (Abdullah Öcalan).

4. Monokultur, Wasserknappheit und Luftverschmutzung: Kolonialismus gegen Mensch und Natur

Die Folgen kapitalistischer Mentalität und staatlicher Gewalt gegen Gesellschaft und Umwelt sind in Rojava deutlich zu sehen. Das Baath-Regime war und ist ganz Syrien wenig an einer ökologischen Gesellschaft interessiert. Besonders im kolonisierten Rojava standen stets die maximale Ressourcenausbeutung und hohe landwirtschaftliche Produktionsraten im Vordergrund. Systematisch wurden Wälder abgeholzt, um Platz für Monokulturen aus Weizen und Olivenbaumplantagen zu machen. Jahrzehntelang war es verboten, Bäume zu pflanzen und Gemüsegärten anzulegen – die Bevölkerung wurde durch repressive Politik und Unterentwicklung der Region systematisch zur Emigration als billige Arbeitskräfte in die umliegenden syrischen Metropolen wie Aleppo, Raqqa und Homs angehalten. Energieproduktion und -verbrauch, mangelhafte Müllentsorgung und massiver Chemikalieneinsatz in der Landwirtschaft haben Boden, Luft und Wasser schwer belastet. Die Bevölkerung in Nordostsyrien und ihre Demokratische Föderation haben jedoch nicht nur mit dem umweltpolitischen Nachlass des Baath-Regimes zu kämpfen. Eine ernsthafte Bedrohung stellt die feindliche Politik des türkischen Staates gegen die Revolution dar. Neben militärischen Angriffen, Besatzungen wie in Afrin und der ständigen Drohung mit weiteren Invasionen und einem totalen wirtschaftlichen Embargo ist insbesondere der Bau von Staudämmen im von der Türkei besauten Nodkurdistan und die ungezügelte massive Grundwasserentnahme für die eigene Landwirtschaft ein Problem, In der Folge gibt es einen dramatischen Rickgang der von Norden nach Nordostsyrien laufenden Flüsse und ein stetes Absinken des Grundwasserspiegels – die Turkei dreht Rojava systematisch das Wasser ab.

5. Ökologische Arbeiten in Rojava zwischen Krieg und Embargo

Der Versuch sowohl des türkischen als auch syrischen Regimes die Revolution in Nordostsyrien durch militärische, politische und wirtschaftliche Angriffe zu ersticken, der Krieg gegen den Islamischen Staat und das auch von der südkurdischen KDP unterstützte Embargo gegen Rojava schaffen schwierige Verhättnisse für ökologische Arbeiten, Trotz verschiedenster Projekte wie der Schaffung von Naturschutzgebieten über umweltgerechte Müllentsorgung bis zu Wiederaufforstung befinden sich die Strukturen der Demokratischen Selbstverwaltung auch weiterhin in ernsthaften Widersprüchen und Sachzwängen. Die Arbeiten vieler regionaler Komitees und Projekte stecken oftmals noch in ihrer Anfangsphase oder kommen über die Planung nicht hinaus. Die ökologische Revolution in der Revolution steckt noch in den Kinderschuhen: Es fehlt an Bewusstsein in der Bevölkerung, Wissen und Ideen, notwendiger Technologie und vor allem an finanziellen Mitteln,

6. Unser Beitrag zur ökologischen Revolution: Make Rojava Green Again

Wir die Internationalistische Kommune von Rojava, wollen unseren Teil zu dieser ökologischen Revolution in Nordostsyrien beitragen und haben deswegen die Langzeit-Kampagne Make Rojava Green Again, in Zusammenarbeit mit dem Ökologie Komitee und dem Komitee für Naturschutz des Kantons Cizire, ins Leben gerufen. Die Kampagne umfasst drei verschiedene Aspekte:

1. Aufbau der internationalistischen Akademie entsprechend eines Lebens unter ökologischen Gesichtspunkten, mit Vorbildcharakter für vergleichbare Projekte und gesamtgesellschaftliche Konzepte. Bildungen von Internationalist*innen und der Bevölkerung zur Stärkung des Bewusstseins für den Aufbau einer ökologischen Gesellschaft

2. Direkte Beteiligung an Arbeiten ökologischer Projekte zur Aufforstung und der Aufbau einer Baumschule als Teil der internationalistischen Akademie

3. Materielle Unterstützung laufender und zukünftiger ökologischer Projekte der Strukturen der Demokratischen Selbstverwaltung. Vermittlung von Wissen zwischen Aktivistinnen, Wissenschaftlerinnen und Expert*innen und und den Komitees und Strukturen in Nordostsyrien, u.a. zur Entwicklung einer langfristigen Perspektive für eine ökologische Gesellschaft. Zudem ist die Kampagne auch in Europa aktiv und ist Teil der breiten Klimagerechtigkeitsbewegung und verschiedener ökologischer Kämpfe.

7. Die Revolution unterstützen

An unserer Akademie haben wir begonnen, eine Baumschule aufzubauen, um die Wiederaufforstung voranzubringen. Die gemeinsame körperliche Arbeit ist auch Teil der Bildung in der internationalistischen Akademie und ein konkreter Ausdruck der Solidarität mit den Kommunen, Institutionen und Strukturen der Bevölkerung. Mit dem Aufbau einer Wasseraufbereitungsanlage für die Akademie leisten wir einen kleinen Beitrag zur Lösung des Abwasserproblems. Weitere Projekte sind seit einiger Zeit geplans, kennten aber Aufgrund der instabilen Situation nicht umgesetzt werden. DRiei wollen wir an Konzepten für eine ökologische Energieversorgung und Recycling arbeiten. All diese Projekte erfordern viel Kreativität und Geduld, da das von den Nachbarstaaten verhängte Wirtschaftsembargo viele Standardlösungen schwer umsetzbar macht. Dafür wird viel Geld benötigt – aber Geld ist nicht alles!

Unterstützungsmöglichkeiten:

Weitersagen! – Zögert nicht, diese Kampagne mit Freund*innen, Familie, Aktivist*innen, Journalist*innen, Wissenschaftler*innen und Expert*innen zu teilen. Schreibt, veröffentlicht und teilt Artikel und Interviews über die Kampagne. Verbreitet die Nachricht über die wachsende ökologische Revolution!

Teilt euer Wissen! -Wenn ihr ideen und Kenntnisse habt, die für uns nützlich sein könnten, würden wir uns sehr freuen, wenn ihr uns kontaktieren würdet.

Verbindet uns mit Expert*innen – Speziell für unsere Projekte in den Bereichen ökologische Land- und Forstwirtschaft, erneuerbare Energien, Abfallrecycling und Wasseraufbereitung suchen wir Ingenieur*innen und Techniker*innen.

Spendet Geld! – Die ökologischen Projekte kosten bereits viel Geld. Unterstützt die Arbeiten finanziell!

Kommt nach Rojava! – Um von der Revolution zu lernen und an ihr teilzunehmen, sie mit ihren Erfahrungen zu unterstützen und euch mit der kurdischen Befreiungsbewegung zu organisieren.

Vernetzt euch!- Die ökolog lokale Symptome einer kapitalistische Moderne Ausbeutung der Natur, Fraueuterdrückung und globale Hegemonie miteinander verbunden werden. Eine internationalistische Lösung dafür liegt im Konzept des Demokratischen Konföderalismus und seiner Praxis in der Demokratischen Föderation Nordostsyrien. obleme hier in Mesopotamien sind Aogischen Katastrophe, die durch die uasas aydwy ap uassou nzeg p Tur Stadtverwaltung und Ökologie der demokratischen Selbstverwaitung Nordostsyriens.

Ablauf der Besetzung des CDU-Parteibüros in Chemnitz am 25.10.19

Rebellion entsteht aus Hoffnung und Hoffnung entsteht aus Rebellion!

Als das türkische faschistische Regime am 9. Oktober 2019 mit ihrem Angriffs-krieg auf Rojava begann, waren unsere kurdischen Freund*innen mehr denn je auf unsere Solidarität und Unterstützung angewiesen. Ein anfänglich breites mediales Echo und die positiven Äußerungen vieler Politiker*innen gingen bald zu Resigna-tion über. Die Öffentliche Meinung verlor ihr Interesse an den Geschehnissen in Rojava mit der Zeit zunehmend und auf der politischen Bühne blieb der völker-rechtswidrige und unmenschliche Invasionskrieg für die Türkei weitgehend ohne Folgen. Daran schienen auch Massendemonstrationen und weltweite Aktionen nichts zu ändern. Wir wissen, dass alle Internationalist*innen ihre Bemühungen vor Ort verstärken müssen, um öffentlichen Druck aufzubauen. In Deutschland gibt es viele Organisationen, welche die Türkei direkt oder indirekt in ihren faschistischen und kriegerischen Aktivitäten unterstützen – wie etwa die konservative CDU/CSU.

Wir entschieden uns, am 25. Oktober das CDU-Büro in Chemnitz zu besetzen.

Als wir am 25.10. kurz nach 11:00 gewaltfrei das CDU-Büro betraten, wurde uns von Beginn an suggeriert, die CDU sei immer für Gespräche bereit und wir sollten uns doch einer argumentativen Diskussion stellen. Sicher ein aus parlamentari-scher Sicht legitimer Vorschlag, doch wenn ein Problem politischer und medialer Wirksamkeit bedarf, um den Handlungsdruck auf Regierungen zu erhöhen, er-scheint ein verbaler Schlagabtausch mit der lokalen CDU-Fraktion nicht als ziel-führende Option. Reaktionen wie Lippenbekenntnisse, Zurückweisungen und der „Ich bin auch nur ein Rädchen im System“-Argumentationsstrang bringen keinen gesellschaftlichen Diskurs voran, deswegen sparen wir uns, gegen eine Wand zu reden und kommen gleich zur Sache. Konkret: Wir kommen ins CDU-Büro, führen ein simuliertes Interview mit der Kreisvorsitzenden und besetzen anschließend euren Seminarsaal!

Nachdem gegen 11.15 Uhr alle Besetzer*innen im Seminarsaal ankamen, wurde umgehend begonnen, Transparente und Fahnen aus dem Fenster im 2. Stock zu hängen. Drei Aktivist*innen, davon zwei Frauen, ketteten sich mit Fahrradschlös-sern an die Absturzsicherung. Bereits wenige Minuten nachdem wir begonnen hat-ten, unser Anliegen und unsere Forderungen aus dem nun besetzten CDU-Büro zu rufen, bekamen wir von der Bevölkerung auf der Straße und besonders den hinzu-gekommenen Aktivist*innen von Fridays for Future breite Solidaritätsbekundungen. Sowohl auf der Kundgebung vor dem CDU-Büro, wo mittlerweile ein Infostand auf-gebaut und Redebeiträge gehalten wurden, als auch bei den Besetzer*innen war die Stimmung entschlossen. Davon konnte uns auch die Tomate nicht abhalten,
die der wütende Bürger vom Markt in Richtung der Kundgebung warf.

Trotz des raschen Eintreffen der Polizei und den damit beginnenden Repressi-
onen hielten wir uns kämpferisch und begleiteten den Einsatz der Polizei mit Parolen und Liedern. Wir kommunizierten mit den Menschen auf der Kundge-
bung vor dem Büro, verlasen unsere Forderungen und beschrieben die Situation während der Besetzung.

Gleich zu Beginn, als die Besetzer*innen an das Fenster gekettet und einhakt
auf dem Boden saßen, wurden sie intensivst von einem Mitglied der Jungen
Union Chemnitz beäugt, der sich vor der Besetzung nicht in dem CDU-Büro auf-hielt. Kurz danach kam ein Staatsdiener mit Kamera, welcher uns als Kriminalpo-lizist vorgestellt wurde. Die Einsatzleitung versuchte, uns mittels verschiedener diplomatischer Strategien, durch Einschüchterung zur freiwilligen Räumung des Büros zu bewegen.

Mit ihrer Anwesenheit belästigten uns außerdem Tim Kühn (ProChemnitz, spätes-tens seit dem Outing vom Rechten Plenum 2016 bekennender Neonazi, einer der Hauptorganisator*innen vom rechten Kampfsportevent TIWAZ und auch langjäh-riger Laufbursche von Martin Kohlmann) und Robert Andres (ProChemnitz, Stadt-rat, Mitorganisator vom rechten Kampfsportevent TIWAZ und langjähriger Laufbur-sche von Martin Kohlmann), welche sich, nachdem sie eine halbe Stunde um die Kundgebung vor dem CDU-Büro geschlichen waren, schließlich an die Kundge-bung heranwagten. Nach ersten Provokationen durch die beiden stadtbekannten Neonazis und einem verbalen Schlagabtausch mit standhaften Fridays For Future Aktivist*innen, begannen Kühn und Andres schließlich, Kundgebungs-teilnehmer*-innen physisch anzugreifen. Auf der Kundgebung befanden sich zu diesem Zeit-punkt hauptsächlich ältere und jugendliche kurdische Menschen und Schüler*innen von Fridays For Future, darunter viele Minderjährige. Als Kühn und Andres ver-suchten, einzelne Menschen zu schubsen, wurden sie erfolgreich von Jugendli-chen aus der Kundgebung gedrängt. Die Polizei war indessen damit beschäftigt,
die Räumung fortzusetzen. Respekt dafür nochmal an alle standhaften FFF-Kids.
Ihr seid cooler als die Polizei erlaubt! ❤️

Seit dem Eintreffen der Polizei sahen wir uns mit Repressionen gegen uns und unseren politischen Protest konfrontiert. Dies geschah sowohl im Versuch uns psychisch unter Stress zu setzen als auch durch physische Schmerzen. Ohne Vorwarnung wurde uns das Megaphon aus den Händen gerissen, was uns daran hindern sollte weiterhin mit Menschen vor dem Büro zu kommunizieren. Seitens der Einsatzkräfte wurde von Beginn an psychischer Druck auf uns Internationa-list*innen ausgeübt, in etwa durch das fortlaufende Androhen von unmittelbarem Zwang, also physischer Gewalt. Aber auch durch das Verhalten der Polizei vor
Ort, explizit durch einzelne Polizist*innen, die uns mit finsterem Blick anstarrten
und dabei permanent ihre schon stark ramponierten Quarzhandschuhe an- und
wieder auszogen.

Während der folgenden Räumung wurde kaum versucht, unsere ineinander einge-hakten Arme durch Hebel zu lösen, sondern es wurde sofort versucht, uns durch Schmerzgriffe, vor allem am Hals, zur Aufgabe zu zwingen. Einer der Polizisten wurde zwischendurch etwas emotional und trat mehrmals auf einen am Boden sit-zenden Internationalisten ein, woraufhin er schließlich von seinen Kollegen zurück gepfiffen wurde (das passiert nicht oft in Sachsen!). Das brachiale und unverhält-nismäßige Vorgehen wurde durch wüste Beschimpfungen und besonders für weib-liche Aktivistinnen durch einen widerlichen Sexismus seitens der Polizist*innen ver-schlimmert. Bei der körperlichen Durchsuchung wurden weiterhin grundlos massiv Schmerzgriffe angewendet.

Nach hilflosen Drohungen der Polizei gegen unsere körperliche Unversehrtheit, be-griff die Einsatzleitung schließlich, dass die Schlüssel für die Fahrradschlösser längst nicht mehr in diesem Haus waren. Die drei Aktivist*innen, die sich am Fen-ster angekettet hatten, mussten frei geschnitten werden. Die Überforderung der Einsatzleitung mit der Aufgabe, einen Bolzenschneider zu besorgen und anzuwen-den, verschaffte uns viel Zeit. Als sie versuchten die Ketten mit Bolzenschneider zu zerschneiden, nahmen sie keine Rücksicht auf körperliche Schäden der Aktivist*-innen. Eine Aktivistin wurde mitsamt der Absturzsicherung unter dem Rücken von einem wütenden Polizisten über den Boden geschleift.

Nachdem wir aus dem besetzen Büroraum getragen wurden, waren wir weiter-
hin den Schikanen der Einsatzkräfte ausgeliefert. Wir wurden gezwungen, bis zu über einer halben Stunde mit dem Gesicht zur Wand stehen. Weiterhin wurden Schmerzgriffe gegen uns angewendet. Ein Genosse hat dabei in Folge von der Anwendung fünf verschiedener Schmerzgriffe fast gänzlich das Bewusstsein verloren. Die Polizisten ließen Fotos der Internationalist*innen anfertigen und for-
derten einige von uns vergeblich auf, dass wir uns für ihre Fotos vermummen.

Anschließend wurde allen beiteiligten Personen ein Platzverweis ausgesprochen und eine Aktivistin wurde in Gewahrsam genommen. Die offizielle Begründung
der Polizei, die Aktivistin hätte den Platzverweis verweigert, ist nicht haltbar. Die Aktivistin wurde vom zweiten Stock bis zum Polizeitransport von zwei bis schließ-lich vier Polizist*innen getragen. Es bestand somit keine Möglichkeit, den Platzver-weis überhaupt wahrzunehmen.

Zwei Aktivistinnen mussten im Anschluss aufgrund ihrer Verletzungen das Krankenhaus aufsuchen. Dabei wurden Verletzungen am Kopf, an mehreren Rippen und an Handgelenken festgestellt.

Von unserer Seite gingen von Beginn der Besetzung bis zu unserer Freilassung keine Provokationen, Beschädigungen oder Gewalt aus. Wir haben uns jederzeit ruhig und besonnen verhalten. Es wurden weder unbeteiligte Menschen durch un-sere Aktion gefährdet noch haben wir uns den Mitarbeiter*innen des CDU-Büros oder der Polizei gegenüber aggressiv verhalten. Wir waren kreativ, ungehorsam und hartnäckig! Wir wollten mit der Aktion ein Bild von Widerständigkeit und Ent-schlossenheit vermitteln. Wir setzten ein Zeichen gegen die Ignoranz der Regie-rung und zeigen unseren Freund*innen in Rojava, dass sie mit ihren Hoffnungen und ihrer Entschlossenheit nach einer lebenswerten Welt nicht allein sind. Das aggressive und rücksichtslose Verhalten der Polizei zeigt, dass jeglicher legitimer Protest erstickt werden soll, um den wirtschaftlichen und strategischen Partner Türkei nicht zu verägern und die eigene demokratische Legitimation zu wahren.

Die mediale Rezeption der Besetzung verlief sehr positiv. In vielen überregionalen Zeitungen, aber auch international und in der Türkei wurde über die CDU-Beset-zung berichtet. Somit wurden kurzzeitig der kurdische Freiheitskampf und seine revolutionären Errungenschaften, der Krieg in Rojava und die Verstrickungen der BRD erfolgreich in den medialen Diskurs zurück geholt.

Interview mit zwei Aktivistinnen, MDR Sachsen , 27.10.19
Was passierte wirklich im Chemnitzer CDU-Büro?

Mit der endgültigen Räumung wurde nur unsere Besetzung beseitigt aber nicht unser solidarischer Geist für die kurdische Freiheitsbewegung in Rojava. Die gemeinsamen Erlebnisse von Widerständigkeit, Kollektivität und das Durch-
brechen alltäglicher Ungerechtigkeiten geben uns Kraft und Hoffnung für alle Kämpfe die noch kommen werden!

Berxwedan Jiyan e! – Widerstand heißt Leben!

*

Solidaritätsbekundung der Ya Basta Gruppe KMS mit Rojava und der CDU-Besetzung in Chemnitz

Redebeitrag von der Ya Basta Gruppe KMS, verlesen auf der Kundgebung vor dem CDU-Büro anlässlich der Besetzung des CDU-Parteibüros am 25.10.19 in Chemnitz

Liebe Menschen,

wir überbringen solidarische Grüße des Ya Basta Netzes.
Seit dem Aufstand der Zapatistas Mitte der 90er Jahre stehen wir in Kontakt mit der zapatistischen Bewegung und sehen uns als ein erweitertes Sprachrohr für die Compas in Mexiko. Außerdem versuchen wir, die zapatistischen Ideen im hier und jetzt gemäß den Umständen unserer Zeit und unserer Geografie umzusetzen, das heißt eine andere Welt von unten und links aufzubauen.

Wie unsere mexikanischen Compas, also Genoss*innen, sehen wir Parallelen in den Forderungen, Erfahrungen und Organisierungsformen der zapatistischen Be-wegung in Chiapas, sowie der kurdischen Bewegung in Rojava. In beiden Bewe-gungen werden basisdemokratische Konzepte umgesetzt, die auf Frauenbefreiung, Respekt gegenüber der Natur, Freiheit der Völker und der militärischen oder zivilen Selbstverteidigung basieren. Sie widersetzen sich den täglichen Provokationen und Angriffen der Staatspolitiken, der Diskriminierung und Ausbeutung, den paramilitäri-schen Angriffen und Missachtung ihrer Rechte, sowie Diffamierung durch staats-treue Medien. Und – besonders in Chiapas- den heuchlerischen „Entwicklungspro-jekten“ und weiteren kapitalistischen Großkampagnen.

Teirra y Libertad! (Land und Freiheit!)

Die internationale Gemeinschaft schaut weiterhin tatenlos zu, wenn wieder revolu-tionäre Projekte durch Faschismus und Kapital bedroht werden. Dies ist nicht erst seit dem spanischen Bürgerkrieg so und wird auch nicht mit Rojava und Chiapas beendet sein. Die Angst der Staatsregierungen, dass Menschen erkennen könnten, dass sie sich auch abseits von Staat und Nation, nach ihren eigenen Bedürfnissen organisieren können, ist offensichtlich zu groß. Aber auch andere politische Pro-zesse, wie der „Flüchtlingsdeal“ von 2016 oder wirtschaftliche Interessen, wie Waf-fenexporte an die Türkei, an denen die BRD wesentlich mit verdient, spielen eine wichtige Rolle.

Wir fordern:
Stoppt die Illegalisierung der Kurdischen Bewegung! Stoppt die Waffenexporte!
Stoppt den „Flüchtlingsdeal“ mit der Türkei und alle Abschiebungen!
Stellt alle wirtschaftlichen Beziehungen zur Türkei ein!

Da wir uns nicht auf Staaten und ihre Versprechen verlassen
können und wollen, appellieren wir an euch!

Informiert euch und andere darüber, was in Chiapas und Rojava passiert! Geht weiter auf die Straße! Seid ungehorsam und kreativ, denn ohne Druck von unserer Seite aus, werden auch die Staatsregierungen nicht handeln! Nutzt direkte Aktionen um Unternehmen und Firmen spüren zu lassen, was ihr von ihrer Kooperation mit der Türkei haltet! Nehmt das Sanktionieren der Türkei und ihrer Unterstützer*innen in die eigenen Hände!

Doch damit haben wir die grundlegenden Ursachen für all das Leid und die Unge-rechtigkeit noch nicht aus der Welt geräumt. Wir müssen anfangen, die Errungen-schaften der kurdischen und zapatistischen Freiheitsbewegungen in unserer täg-lichen Praxis umzusetzen: Lasst uns die Gesellschaft solidarisch und gemein-schaftlich organisieren und eine wirksame Gegenmacht zu Staat und Kapital aufbauen!

Rojava ist überall! Eine andere Welt ist möglich!
Es lebe der Widerstand gegen Unterdrückung und Krieg!

Ya Basta Gruppe KMS bei Facebook

Message from Rojava’s women movement to Zapatista’s women gathering (Women Defend Rojava, Jan 2020, english/german subtitles)

Ziviler Ungehorsam ist legitim!

„Freiheit bedeutet Aktion. Freiheit kann nur durch Aktion
erlangt werden. Aktion bringt Bewegung, die unter
den Menschen wiederhallt.“

– Hannah Arendt –

Ziviler Ungehorsam ist eine Form (subversiver) politischer Partizipation, deren Wurzeln bis in die Antike zurückreichen. Durch einen symbolischen, aus Gewis-sensgründen vollzogenen, und damit bewussten Verstoß gegen rechtliche Normen zielt die handelnde Person mit einem Akt zivilen Ungehorsams auf die Beseitigung einer Unrechtssituation und betont damit ihr moralisches Recht auf Partizipation. Die Normen können sich durch Gesetze, Pflichten oder auch Befehle eines Staates oder einer Einheit in einem staatlichen Gefüge manifestieren. Durch den symboli-schen Verstoß soll zur Beseitigung des Unrechts Einfluss auf die öffentliche Mei-nungsbildung genommen werden. Die/Der Ungehorsame nimmt dabei bewusst in Kauf, auf Basis der geltenden Gesetze für ihre/seine Handlungen bestraft zu wer-den. Häufig beansprucht er ein Recht auf Widerstand für sich, das sich jedoch von einem verfassungsgemäß gegebenen Widerstandsrecht unterscheidet. Der Per-son, die zivilen Ungehorsam übt, geht es damit um die Durchsetzung von Bürger- und Menschenrechten innerhalb der bestehenden Ordnung, nicht um Widerstand, der auf die Ablösung einer bestehenden Herrschaftsstruktur gerichtet ist. Die Me-thoden und Aktionsformen von zivilem Ungehorsam und Widerstand gleichen sich jedoch in vielen Fällen.

Bekannte Formen des zivilen Ungehorsams sind zum Beispiel Menschenketten, Sitzblockaden oder Besetzungen von Räumen oder Grundstücken.

Baggerbesetzung im Braukohletagebau Welzow Süd, Ende Gelände 2016

Ziviler Ungehorsam als solcher ist im deutschen Recht weder eine Ordnungswid-rigkeit noch ein Straftatbestand. Er äußert sich allerdings in Handlungen, die Ge-setze, Verordnungen oder Verfügungen verletzen. Damit ist nicht der zivile Unge-horsam sanktionierbar, sondern jeweils die konkrete Rechtsverletzung, neben anderen beispielsweise Hausfriedensbruch nach §§ 123 f. StGB, Bedrohung nach § 241 StGB und Sachbeschädigung nach §§ 303 ff. StGB. Störungen gerichtlicher Abläufe können gemäß Verfahrensrecht mit Ordnungsstrafen belegt werden.

Ziviler Ungehorsam ist eine legitime und gewaltfreie Form der Selbstverteidigung und gesellschaftlicher Intervention. Eine gut organisierte und erfolgreich durchge-führte Aktion des gemeinsamen zivilen Ungehorsams kann eine hohe Medienwirk-samkeit erreichen und trifft gerade bei jungen Menschen zunehmend auf Interesse, beispielsweise die Wald-Besetzungen in der Lausitz und im Hambacher Forst, oder die Tagebaubesuche von Ende Gelände.

„Der Widerstand wird fruchten, daran glauben wir ununterbrochen. In diesem Sinne rufe ich euch alle auf, Widerstand zu leisten! Lang lebe die Solidarität der Frauen und der Menschen!“
– Leyla Güven –

Warum die CDU besetzen?


Zusammenarbeit der CDU/ CSU mit türkischen Faschisten in Deutschland

Schon in der Zeit der Dritten Reichs in Deutschland gab es enge Verbindungen zwischen türkischen Faschisten und den zu dieser Zeit herrschenden Nationalsozialisten. Aufgrund der vielen Überschneidungen in der Ideologie und dem späteren gemeinsamen Kampf gegen den Kommunismus, kam es zu einer engen Zusammenarbeit.

Nachdem Deutschland den Krieg verloren hatte und kapitulieren musste, wurde innerhalb der deutschen Politik, keine konsequente Auseinandersetzung mit den faschistischen Funktionären in Institutionen des deutschen Staates durchgeführt. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass die Zusammenarbeit zwischen Faschisten aus der Türkei und Funktionären der konservativen Partei CDU/ CSU weiterging. Als Durchbruch für die Etablierung der „Grauen Wölfe“ in Deutschland kann das Jahr 1978 begriffen werden. Zwar blitzte der türkische Faschistenführer Türkeş beim damaligen Fraktionschef von CDU/CSU, Helmut Kohl, ab. Der zuständige Leiter der Abteilung für ausländische Beziehungen der CDU, Wegener, habe am Telefon erklärt, „dass Herr Dr. Kohl grundsätzlich ein Gespräch mit Herrn Türkeş ablehne“, beschwerte sich der über gute Kontakte zur CSU verfügende Istanbuler Unternehmer Murat Bayrak als Türkeş Kontaktmann in einem Brief an den bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Vorsitzenden Franz Josef Strauß.

Am 28. April 1978 gewährte Strauß in München Türkes, dem Vizevorsitzenden der MHP¹Gün Sazak und Murat Bayrak die gewünschte Audienz. Es sei ein sehr herzliches Gespräch gewesen, berichtete Bayrak später. Übereinstimmung habe in der Beurteilung des Weltkommunismus als Gefahr für den freien Westen bestanden. „Strauß sagte dem Vernehmen nach den MHP-Politikern zu, dass in Zukunft für die MHP und die ‘Grauen Wölfe’ ein günstiges psychologisches Klima in der Bundesrepublik geschaffen werden müsse, damit die MHP hier in einem besseren Licht erscheine. Bayern soll der Anfang sein“, berichtete die Gewerkschaftszeitung „metall“ später.

Besonders nach dem Militärputsch 1980 in der Türkei wurde die Zusammenarbeit intensiviert und viele faschistische Mörder und Funktionäre aus der Türkei fanden Unterschlupf in Deutschland und den hier gebildeten Strukturen, wie der Türk Federasyon².
Die Mitgliederanzahl steigt in diesen Jahren sehr stark an, da viele Graue Wölfe aus der Türkei fliehen müsste, da ihn dort oftmals Strafverfolgung wegen u.a. Mord droht.

Bekannt geworden ist der Mord an Celalettin Kesim in Berlin Kreuzberg. Dieser wurde am 5.Januar 1980 von den Grauen Wölfen und Islamisten, welche aus der nahen Mevalana Moschee kamen, überfallen und ermordeten. Celattin Kesim war Kommunist, Gewerkschaftler und Sekretär des „Berliner Türkenzentrums“, die an diesem Tag Flugblätter am Kottbuser Tor verteilten. Kesims Genossen sahen hinter diesen geplanten Mord den türkischen Geheimdienst.

Die MHP pflegte nicht nur gute Kontakte zu CDU/CSU sondern hatte in den 1970er und 80er Jahren gute Beziehungen zur NPD. Diese Kontakte gingen aber nach den tödlichen Brandanschlägen von Neonazis auf türkeistämmige MigrantInnen in Solingen, Mölln und anderen deutschen Städten zu Beginn der 1990er Jahre in die Brüche.
Stattdessen rief Türkeş seine Anhänger bei der Jahresversammlung der „Türkischen Föderation“ 1995 zur aktiven Politik in CDU und CSU auf. Dort, aber auch bei anderen Parteien, gelangten „Graue Wölfe“ seitdem in örtliche oder regionale Vorstände sowie in Ausländerbeiräte und Kommunalparlamente.

Während die kurdische PKK verboten ist und türkische Kommunisten sich von deutschen Gerichten mit Terrorklagen konfrontiert sehen, können die „Grauen Wölfe“ bis heute in der Bundesrepublik weitgehend ungestört agieren. Mit Rückendeckung der türkischen Konsulate können sie Hetze und Drohungen gegen vermeintliche Feinde des Türkentums wie Kurden, Aleviten, Armenier, Juden, Linke und Homosexuelle verbreiten und als verlängerter Arm der türkischen Regierung Oppositionelle im Exil einschüchtern.

Dabei profitieren die türkischen Faschisten bis zum heutigen Tage von dem günstigen psychologischen Klima, das der bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß seinem türkischen Gesinnungsfreund, dem Hitler-Verehrer Alparslan Türkeş, 1978 angesichts der gemeinsam ausgemachten linken Gefahr zugesagt hatte.

Quelle:

https://www.antifainfoblatt.de/artikel/wie-die-%E2%80%9Egrauen-w%C3%B6lfe%E2%80%9C-nach-deutschland-kamen-0

genehmigte Rüstungsexporte der Bundesregierung

Nach dem 2. Weltkrieg hat die deutsch-türkische Partnerschaft einen neuen Rahmen erhalten. Beide Länder wurden NATO-Mitglieder, was zugleich die Fortsetzung und Intensivierung militärischer Zusammenarbeit bedeutete. Die BRD leistet im Rahmen bilateraler Abkommen einen wesentlichen Beitrag zur Ausbildung des türkischen Militärs und dem Aufbau der Sicherheitsorgane und militärischer Institutionen in der Türkei.

Zudem wurde die Türkei zu einem bedeutenden Absatzmarkt der deutschen Rüstungsindustrie. Zahlreiche Firmen wie Rheinmetall, Heckler & Koch, Mercedes und viele weitere exportieren Rüstungsgüter in die Türkei, abgesichert durch die deutsche Exportwirt- schaftsförderung (sog. Hermes-Bürgschaft). Um die strengen Exportrichtlinien für die militärischen Güter zu umgehen, verkauft Deutschland mitlerweile auch entsprechen des Know-How in die Türkei. Die kriegstrei- berische Politik der Türkei in der Region bedeutet für die deutschen Unternehmen eine Wertsteigerung ihrer Produkte auf internationalem Markt, da sie unter realen Kriegsbedingungen getestet werden können.

So waren es deutsche Leopard-II-Parzer, die in Afrin gerollt sind. Die BRD war somit damals und blebt auch heute im Angriffikrieg auf weitere Gebicte Nordayriens, durch wirtschaftliche Rickendeckung und umfassende Bewaff nung der Türkei, eine direkte Kriegspartei.

Kriminalisierung der kurdischen Freiheitsbewegung

Die Kriminalisierung der kurdischen Freiheitsbewegung hat die Justiz in der BRD mitgeprägt. Vom „Düsseldorfer Prozess“ und dem „Kurden-Käfig“ 1988 über das PKK Betätigungsverbot 1993 bis hin zu den „Terrorismus-Paragraphen“ §§ 129a und 129b des Strafgesetzbuchs.

Die Kurdische Befreiungsbewegung gehört zu den größten und aktivsten Bewegungen der revolutionären Linken auch in Deutschland. Gleichzeitig ist sie von staatlicher Repression betroffen, wie kaum eine andere politische Bewegung. Grundlage der permanenten und umfassenden Kriminalisierung ihrer Aktivist*innen und Strukturen ist das 1993 in der BRD erlassene Betätigungsverbot für die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). 1993 wurde die PKK von den damaligen Bundesinninenmister der CDU Manfred Kanther verboten. Es lieferte die Legitimation für viele ungezählte Jahre Gefängnis für kurdische Aktivist*innen in Deutschland, meist auf Grundlage des §129b („Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung“). Razzien, Anquatschversuche durch Geheimdienste und politische Polizei, Vorladungen und andere Schikanen wegen vermeintlichen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz prägen den Alltag der kurdischen Bewegung bis heute.
Zuletzt erließ Bundesinnenminister Horst Seehofer im Februar 2019 gar ein Verbot gegen den kurdischen Buchverlag Mezopotamien und den Musikvertrieb MIR.

Das sogenannte Symbolverbot spielt dabei eine essentielle Rolle. Längst sind nicht mehr nur die Fahnen und Symbole verbotener Organisationen, wie der PKK betroffen, sondern auch das Bildnis Abdullah Öcalans oder immer wieder auch die Fahnen der syrisch-kurdischen PYD, YPG und YPJ. Selbst Lieder oder Sprechchöre geraten ins Visier der Staatsschutzorgane.
Damit hält komplette Willkür Einzug in die Kriminalisierung. Wer legalen kurdischen Organisationen Räume zur Verfügung stellt, wird wegen Unterstützung der PKK verfolgt. Wer seine Solidarität mit dem Kampf der kurdischen Bewegung gegen den „Islamischen Staat“ und für ein freies Rojava zum Ausdruck bringt, muss mit Hausdurchsuchungen und Strafverfahren rechnen.

Im März 2017 hat der damalige Bundesinnenminister Thomas de Maizière in einem Rundschreiben an die Landesinnenministerien und Sicherheitsbehörden die Ausweitung der Verbote von Symbolen kurdischer Organisationen angekündigt. Hierunter fallen seither auch Kennzeichen der syrisch-kurdischen Partei PYD sowie der Volks- und Frauenverteidigungseinheiten YPG/YPJ, die seither allesamt der PKK zugeordnet wurden und unter das im November 1993 erlassene Betätigungsverbot der PKK fallen. Das Bundesinnenministerium rechtfertigte die Erweiterung der Kennzeichenverbote damit, dass sich die PKK ihrer bedienen würde, da die „eigenen“ Symbole nicht erlaubt sind.

Auf Nachfrage der Linksfraktion im Bundestag relativierte das Ministerium seine Einschätzung vom März 2017 dahingehend, dass das Zeigen der Symbole von PYD, YPG/YPJ u.a. erlaubt sei, sofern bei Veranstaltungen oder Demonstrationen kein PKK-Bezug feststellbar sei. Schließlich sind diese Organisationen selbst in Deutschland nicht verboten.
Das hindert allerdings Polizeibehörden und Staatsanwaltschaften nicht, solche Bezüge zu konstruieren, was zur Folge hat, dass Veranstaltungen verboten oder behindert werden bzw. massenhaft Verfahren wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz eingeleitet und Menschen zu Geldstrafen verurteilt werden. Selbst das Posten in Facebook oder Teilen von Beiträgen mit den inkriminierten Symbolen im Internet werden geahndet.

Da die Kriminalisierung und strafrechtliche Verfolgung von Kurd*innen seit den Rundschreiben des Bundesinnenministeriums insbesondere in Bayern explosionsartig gestiegen ist und längst auch Menschen trifft, die sich mit Kurdistan solidarisieren.
All die Verbote der letzten Jahrzehnte waren Zugestädnisse der Bundesregierung gegennüber den faschischtischen Regimes aus Ankara. Bestes Beispiel dafür, ist die der sogennate Flüchtlingsdeal mit Erdogan mit dem nicht nur der Krieg gegen Rojava mitfinanzierte wurde, sondern darüber hinaus auch Angriffe auf die kurdische Freiheitsbewegung in Deutschland zu nahmen.

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1 Die Milliyetçi Hareket Partisi (Kurzbezeichnung: MHP; türkisch für „Partei der Nationalistischen Bewegung“) ist eine nationalistische Partei in der Türkei. Die MHP gilt als politischer Arm der „Idealisten“ oder „Grauen Wölfe“ des Parteigründers Alparslan Türkeş.
Seit 2018 ist die Partei der Nationalistischen Bewegung im Wahlbündnis „Volksallianz“ mit der regierenden faschistischen AKP. Mit der MHP stellt die AKP unter Erdoğan die Mehrheit im nationalen Parlament.

2 Türk Federasyon
Die von der MHP gegründete Avrupa Demokratik Ülkücü Türk Dernekleri Federasyon (ADÜTDF – Föderationder Türkisch – demokratisch Idealistenvereine in Europa. Diese kann als Hauptverband der Grauen Wölfe in Europa bezeichnet wetrden und setzt aus 200 Kultur-, Sport und Jugendvereine, sowie Moscheengemeinden zusammen

Repression #1

Um gegen die kriegerische Zusammenarbeit der Bundesregierung mit der Türkei zu protestieren, besetzten am 25. Oktober 13 Internationalist*innen erfolgreich das CDU-Wahlkreisbüro am Markt in Chemnitz. Im Verlauf eines simulierten Interviews mit der Kreisvorsitzenden gelangten die Aktivist*innen gewaltfrei und unbewaffnet in das Parteibüro. Drei der Besetzer*innen ketteten sich mit Eisenschlössern irre-versibel an eine Absturzsicherung am Fenster. Aus den Fenstern im zweiten Stock wurde während der ganzen Besetzung mit Passant*innen und der unterstützenden Kundgebung vor dem Haus der CDU-Geschäftsstelle kommuniziert. Während den Verhandlungen mit der Polizei und der anschließenden Räumung verhielten sich alle Besetzer*innen ruhig und friedlich. Durch Angebote, Provokationen und Beleidi-gungen von Einsatzleitung und Beamten ließen sich die Internationalist*innen nicht aus dem Konzept bringen. Trotz aller Zurückhaltung wendete die Polizei bei der Räumung permanent Schmerzgriffe und rohe Gewalt . Nach fast vier Stunden war das CDU-Büro vollständig geräumt.

Mit der gewaltsamen Räumung durch die Polizist*innen begann die staatliche Repression gegen die Besetzungsgruppe. Die weißen Overalls, welche die Akti-vist*innen während der Besetzung trugen und weitere Gegenstände wurden als Beweismittel sichergestellt. Allen Aktivist*innen wurde nach der Räumung ein Platzverweis bis 18:00 Uhr am selben Tag für die gesamte Chemnitzer Innenstadt erteilt. Eine Internationalistin wurde aus inszenierten Gründen für mehrere Stunden in der Hauptwache gefangen gehalten. Die Polizei gab bekannt, sie habe sich dem Platzverweis verweigert. Das entspricht nicht der Realität. Nach der Aktion suchten zwei Internationalist*innen mit Verletzungen an Kopf, Händen und Rippen einen Notfallchirurgen auf und ließen sich ihre Verletzungen attestieren.

Eine Internationalistin wird von vier Polizist*innen in den Polizeiwagen getragen.

Mitte November 2019 erhielten alle Beschuldigten eine Vorladung, um sich im November und Dezember zu unterschiedlichen Tatvorwürfen zu äußern. Den 13 Aktivist*innen, die das CDU-Büro besetzt haben werden beschuldigt, sich strafbar gemacht zu haben gemäß §§240, 123 StGB (Hausfriedensbruch, Nötigung) und §§ 17, 28 SächsVersG (Verbot von Vermummung u. Schutzwaffen bei Versammlun-gen). Eine weitere Person, welche auf der Kundgebung ein Interview gegeben hat, wurde wegen Mittäterschaft angeklagt. Die polizeiliche Vorladung wurde von allen Internationalist*innen ohne Angabe von Gründen nicht wahrgenommen.

Im frühen Januar erhielten die Internationalist*innen eine Zahlungsaufforderung der Polizeidirektion Chemnitz, welche die Zahlung eines höheren zweistelligen Betra-ges pro Person erzwingen sollte, um für die Kosten für den Polizeieinsatz aufzu-kommen. Der Internationalistin, welche unter fadenscheinigen Gründen in die Hauptwache entführt wurde, wurde sogar ein dreistelliger Betrag berechnet – sie solle für ihren Aufenthalt im Polizeiwagen und der Einzelzelle zahlen. Normaler-weise werden die Kosten für Einsätze der Polizist*innen vom Staat beglichen.

Fast alle Betroffenen legten rechtzeitig Widerspruch gegen diese Aufforderung ein und beantragten eine Fristverlängerung für das Begründungsschreiben. Nun haben vermutlich alle Internationalist*innen Zeit bis Ende Juli, um den Widerspruch gegen den Zahlungsbescheid juristisch begründen zu lassen. Die Begründung wird anschlie-ßend von den Behörden geprüft. Wird dem Widerspruch erfolgreich stattgegeben, wird die Zahlungsaufforderung fallen gelassen. Wird der eingelegte Widerspruch abgelehnt, werden jeder Person Verwaltungskosten in Höhe von mindestens 50€ zusätzlich berechnet.

Weitere Informationen folgen.