Zu allen Abkürzungen und Namen von Organisationen findet ihr eine kurze Beschreibung in der Übersicht zu kurdischen Organisationen und anderen Parteien in Kurdistan oder in der Übersicht zu faschistischen Organisationen in Kurdistan.
„Make Rojava Green Again!“ (Februar 2018)
1. POLITISCHER KONTEXT EINER REVOLUTION
Sieben Jahre sind seit dem Beginn der Revolution 2012 in Rojava, Westkurdistan vergangen. Sieben Jahre, in denen sich die Menschen hier nach den Prinzipien von Frauen*befreiung, Ökologie und radikaler Demokratie selbst organisieren und verteidigen – gegen imperiale Mächte, den IS und andere islamistische Milizen und nun vor allem gegen den türkischen Faschismus. In Räten organisiert und geschützt durch die Verteidigungskräfte YPG/YP) versuchen in Nordostsyrien Kurd*innen, Araber*innen, Jesid*innen und viele andere ethnische und religiöse Gruppen eine neue Gesellschaft aufzubauen, die jetzt schon ein Leuchtturm für den Mittleren Osten und die ganze Welt ist. Inmitten des Kriegs in Syrien baut die lokale Bevölkerung eine revolutionäre Bewegung auf, mit dem Anspruch der kapitalistischen Moderne ein Ende zu bereiten. Doch trotz der anhaltenden Erfolge der Revolution stehen die Menschen unter Druck: Die Angriffe und Besetzungen durch die Türkei, der Krieg gegen den IS sowie ein umfassendes Wirtschaftsembargo erschweren den Aufbau der neuen Gesellschaft. In dieser Situation braucht die Demokratische Föderation Nordostsyrien, mehr denn je weltweite Unterstützung.
2. DIE INTERNATIONALISTISCHE KOMMUNE
Voneinander lernen, sich gegenseitig unterstützen
und gemeinschaftlich organisieren
Seit vielen Jahren arbeiten wir als Internationalist*innen aus aller Welt in verschiedenen Strukturen der Demokratischen Föderation. Inspiriert von der revolutionären Perspektive der Kurdischen Befreiungsbewegung sind wir hier, um zu lernen, die vorhandenen Arbeitsprozesse zu unterstützen und weiter zu entwickeln. Es ist unser Ziel eine neue Generation des Internationalismus zu organisieren, um die kapitalistische Moderne weltweit herauszufordern. Anfang 2017 etablierten wir, unterstützt von den Strukturen der demokratischen Selbstverwaltung, die „Internationalistische Kommune von Rojava“. Unsere bisherigen Arbeiten umfassen Sprachkurse und Bildungen in der zivilen internationalistischen Akademie Sehid Helin Qerecox, Delegationsreisen, Öffentlichkeitsarbeit und die Mitarbeit in verschiedenen Strukturen der Selbstverwaltung.
3. EIN GRUNDPFEILER DER REVOLUTION: ÖKOLOGIE
Die Kapitalismus funktioniert nur durch die rücksichtslose Aneignung und Zerstörung von jeglichen natürlichen Prozessen. Tiere, Menschen und Pflanzen werden gleichsam zu Ressourcen entwertet, Naturzerstörung und ökologische Krisen gehen Hand in Hand mit Unterdrückung und Ausbeutung des Menschen. Die Kapitalistische Moderne entfremdet uns selbst von unserer Lebensgrundlage – und gleichzeitig ist diese Entfremdung ein wichtiger Faktor im Fortbestehen dieses Systems. Um diesen Kreislauf aus Krisen, Profitmaximierung und planetarer Zerstörung zu durchbrechen ist ein neues Paradigma nötig, ein grundlegend anderes Verständnis davon, wie wir als Menschen in und mit der Natur agieren sollte, aber auch davon, wie sich eine Gesellschaft auf solidarische und gleichberechtigte Weise selbstorganisieren kann. Neben der Geschlechterbefreiung und der umfassenden Demokratisierung aller Lebensbereiche ist die Entwicklung eines ökologischen Gesellschaftssystems ein Grundpfeiler der Revolution von Rojava. Es gehe um mehr als Naturschutz und Schadensbegrenzung. Es geht um die Wiederherstellung des aus dem Gleichgewicht geratenen Verhältnisses zwischen Natur und Mensch, also um einen erneuten, bewussten und aufgeklärten Zusammenschluss zu einer natürlichen, organischen Gesellschaft (Abdullah Öcalan).
4. MONOKULTUR, WASSERKNAPPHEIT UND LUFTVERSCHMUTZUNG: Kolonialismus gegen Mensch und Natur
Die Folgen kapitalistischer Mentalität und staatlicher Gewalt gegen Gesellschaft und Umwelt sind in Rojava deutlich zu sehen. Das Baath-Regime war und ist in ganz Syrien wenig an einer ökologischen Gesellschaft interessiert. Besonders im kolonisierten Rojava standen stets die maximale Ressourcenausbeutung und hohe landwirtschaftliche Produktionsraten im Vordergrund. Systematisch wurden Wälder abgeholzt, um Platz für Monokulturen aus Weizen und Olivenbaumplantagen zu machen. Das heutige Rojava wurde traditionell als „Kornkammer Syriens bezeichnet“, da hier ca 80% des Weizens in Syrien angebaut wurden. Mühlen gab es bis zur Befreiung jedoch kaum – der Weizen wurde wie das Öl gefördert und in den Süden zur Weiterverarbeitung abtransportiert. Mit dieser Produktionsstrategie wurde Nord- und Ostsyrien jahrelang von der Baath-Regierung ausgeblutet und wirtschaftlich abhängig gemacht. Jahrzehntelang war es verboten, Bäume zu pflanzen und Gemüsegärten anzulegen – die Bevölkerung wurde durch repressive Politik und Unterentwicklung der Region systematisch zur Emigration als billige Arbeitskräfte in die umliegenden syrischen Metropolen wie Aleppo, Raqqa und Homs angehalten. Der Krieg, Energieproduktion und -verbrauch, mangelhafte Müllentsorgung und massiver Chemikalieneinsatz in der Landwirtschaft haben Boden, Luft und Wasser schwer belastet. Die Bevölkerung in Nordostsyrien und ihre Demokratische Föderation haben jedoch nicht nur mit dem umweltpolitischen Nachlass des Baath-Regimes zu kämpfen. Eine ernsthafte Bedrohung stellt die feindliche Politik des türkischen Staates gegen die Revolution dar. Neben militärischen Angriffen, Besatzungen wie in Afrin und der ständigen Drohung mit weiteren Invasionen und einem totalen wirtschaftlichen Embargo ist insbesondere der Bau von Staudämmen im von der Türkei besetzten Nordkurdistan und die ungezügelte massive Grundwasserentnahme für die eigene Landwirtschaft ein Problem. In der Folge gibt es einen dramatischen Rückgang der von Norden nach Nordostsyrien laufenden Flüsse und ein stetes Absinken des Grundwasserspiegels – die Turkei dreht Rojava systematisch das Wasser ab.
5. ÖKOLOGISCHES ARBEITEN IN ROJAVA
ZWISCHEN KRIEG UND EMBARGO
Der Versuch, sowohl des türkischen als auch syrischen Regimes, die Revolution in Nordostsyrien durch militärische, politische und wirtschaftliche Angriffe zu ersticken, der Krieg gegen den Islamischen Staat und das auch von der südkurdischen KDP (Irak) unterstützte Embargo gegen Rojava schaffen schwierige Verhältnisse für ökologische Arbeiten. Trotz verschiedenster Projekte, wie der Schaffung von Naturschutzgebieten über umweltgerechte Müllentsorgung bis zu Wiederaufforstung, befinden sich die Strukturen der Demokratischen Selbstverwaltung auch weiterhin in ernsthaften Widersprüchen und Sachzwängen. Die Arbeiten vieler regionaler Komitees und Projekte stecken oftmals noch in ihrer Anfangsphase oder kommen über die Planung nicht hinaus. Die ökologische Revolution in der Revolution steckt noch in den Kinderschuhen: Es fehlt an Bewusstsein in der Bevölkerung, Wissen und Ideen, notwendiger Technologie und vor allem an finanziellen Mitteln.
6. UNSER BEITRAG ZUR ÖKOLOGISCHEN REVOLUTION:
Make Rojava Green Again
Wir, die Internationalistische Kommune von Rojava, wollen unseren Teil zu dieser ökologischen Revolution in Nordostsyrien beitragen und haben deswegen die Langzeit-Kampagne Make Rojava Green Again, in Zusammenarbeit mit dem Ökologie-Komitee und dem Komitee für Naturschutz des Kantons Cizire, ins Leben gerufen. Die Kampagne umfasst drei verschiedene Aspekte:
I. Aufbau der internationalistischen Akademie entsprechend eines Lebens unter ökologischen Gesichtspunkten, mit Vorbildcharakter für vergleichbare Projekte und gesamtgesellschaftliche Konzepte (Bildungen von Internationalist*innen und der Bevölkerung zur Stärkung des Bewusstseins für den Aufbau einer ökologischen Gesellschaft)
II. Direkte Beteiligung an Arbeiten ökologischer Projekte zur Aufforstung und der Aufbau einer Baumschule als Teil der internationalistischen Akademie
III. Materielle Unterstützung laufender und zukünftiger ökologischer Projekte der Strukturen der Demokratischen Selbstverwaltung, sowie Vermittlung von Wissen zwischen Aktivist*innen, Wissenschaftler*innen, Expert*innen und den Komitees und Strukturen in Nordostsyrien, u.a. zur Entwicklung einer langfristigen Perspektive für eine ökologische Gesellschaft. Zudem ist die Kampagne auch in Europa aktiv und ist Teil der breiten Klimagerechtigkeitsbewegung und verschiedener ökologischer Kämpfe.
7. DIE REVOLUTION UNTERSTÜTZEN!
An unserer Akademie haben wir begonnen, eine Baumschule aufzubauen, um die Wiederaufforstung voranzubringen. Die gemeinsame körperliche Arbeit ist auch Teil der Bildung in der internationalistischen Akademie und ein konkreter Ausdruck der Solidarität mit den Kommunen, Institutionen und Strukturen der Bevölkerung. Mit dem Aufbau einer Wasseraufbereitungsanlage für die Akademie leisten wir einen kleinen Beitrag zur Lösung des Abwasserproblems. Weitere Projekte sind seit einiger Zeit geplant, konnten aber aufgrund der instabilen Situation nicht umgesetzt werden. Außerdem wollen wir an Konzepten für eine ökologische Energieversorgung und Recycling arbeiten. All diese Projekte erfordern viel Kreativität und Geduld, da das von den Nachbarstaaten verhängte Wirtschaftsembargo viele Standardlösungen schwer umsetzbar macht. Dafür wird viel Geld benötigt – aber Geld ist nicht alles!
Unterstützungsmöglichkeiten:
Weitersagen! Zögert nicht, diese Kampagne mit Freund*innen, Familie, Aktivist*innen, Journalist*innen, Wissenschaftler*innen und Expert*innen zu teilen. Schreibt, veröffentlicht und teilt Artikel und Interviews über die Kampagne. Verbreitet die Nachricht über die wachsende ökologische Revolution!
Teilt euer Wissen! Wenn ihr Ideen und Kenntnisse habt, die für uns nützlich sein könnten, würden wir uns sehr freuen, wenn ihr uns kontaktieren würdet.
Verbindet uns mit Expert*innen! Speziell für unsere Projekte in den Bereichen ökologische Land- und Forstwirtschaft, erneuerbare Energien, Abfallrecycling und Wasseraufbereitung suchen wir Ingenieur*innen und Techniker*innen.
Spendet Geld! Die ökologischen Projekte kosten bereits viel Geld. Unterstützt die Arbeiten finanziell!
Kommt nach Rojava! Um von der Revolution zu lernen und an ihr teilzunehmen, sie mit ihren Erfahrungen zu unterstützen und euch mit der kurdischen Befreiungsbewegung zu organisieren.
Vernetzt euch! Die Kämpfe gegen die lokalen Symptome der kapitalistischen Moderne, wie zum Beispiel gegen die Ausbeutung der Natur, Frauenunterdrückung und globale patriarchale Hegemonie, müssen miteinander verbunden werden. Eine internationalistische Lösung dafür liegt im Konzept des Demokratischen Konföderalismus und seiner Praxis in der Demokratischen Föderation Nordostsyrien. Verbindet eure lokalen Kämpfe nach den Prinzipien des Demokratischen Konföderalismus und vernetzt euch mit den Freundinnen und Freunden in allen Ländern!