Auswirkungen der türkischen Invasion in Rojava auf Frauen und Kinder


Zu allen Abkürzungen und Namen von Organisationen findet ihr eine kurze Beschreibung in der Übersicht zu kurdischen Organisationen und anderen Parteien in Kurdistan oder in der Übersicht zu faschistischen Organisationen in Kurdistan.


Quelle: Women Defend Rojava / November 2019

1. SITUATION VON FRAUEN UND KINDERN IM KONTEXT DER MODERNEN KRIEGSFÜHRUNG IN SYRIEN UND IM MITTLEREN OSTEN

1.1 Historische Einordnung der Rolle von Frauen und Kindern in Kriegen

Es wurden umfangreiche Untersuchungen zu den Auswirkungen der modernen Kriegsführung auf Frauen und Kinder durchgeführt. Viele Aspekte von Kriegen haben die stärksten Auswirkungen auf Frauen und Kinder. Seit Mitte des 20. Jahrhunderts ist dies als ein Schema der modernen Kriegsführung bekannt geworden. Sei es aus taktischen oder technologischen Gründen, die Opfer moderner Konflikte sind viel eher Zivilist*innen als Soldaten. Manchmal ist es eine absichtliche Strategie, um Gemeinschaften und widerständige Bevölkerungen zu brechen. Da Frauen in der Regel die Rolle haben, Gemeinschaften zusammenzuhalten, d.h. die Basis für die Funktionsfähigkeit gesellschaftlicher Organisatisierung zu schaffen, nehmen Invasionstruppen in der modernen Kriegsführung üblicherweise Frauen als Zielscheibe, um ihre Besetzung “erfolgreicher” und schneller umzusetzen. Dabei verfolgen sie das Ziel, den Willen von Frauen und der Gesellschaft zu brechen, um Assimilation durchsetzen zu können. Nachdem der Kommandeur der UN-Friedensmission in der Demokratischen Republik Kongo mit seinen Amtskollegen umfangreiche Recherchen zu diesem Thema anstellte, kam er zu dem Schluss, dass es im späten 20. und 21. Jahrhundert “in einem bewaffneten Konflikt wahrscheinlich gefährlicher ist, eine Frau zu sein als ein Soldat.” Frauen sind mit viel höherer Wahrscheinlichkeit von mehreren Formen von Gewalt betroffen als Männer. Das gilt insbesondere für sexuelle Gewalt, auch in Friedenszeiten. Das macht den bloßen Ausbruch eines Krieges bereits zu einer gefährlicheren Situation für Frauen, da sie von Anfang an einer größeren Bedrohung ausgesetzt sind.

1.2 Vertreibung von Frauen und Kindern in Kurdistan

Eine der verheerendsten Auswirkungen der modernen Kriegsführung ist die Vertreibung der Bevölkerung. Laut UNICEF sterben weitaus mehr Kinder an durch Krieg verursachten Folgen von Krankheiten und Unterernährung als durch direkte Angriffe. Vertreibung bedeutet in der Regel eine Unterbrechung der individuellen Entwicklungs- und Bildungsprozesse, sowie eine Gefährdung durch exponentielle Risiken. Vertreibung wirkt sich auch stärker auf Frauen aus, da sie die Hauptlast der reproduktiven Arbeit und Fürsorge in ihren Gemeinschaften tragen. Dadurch sind Frauen für das Überleben und ihre Sicherheit stärker auf eine enge Verbindung zum gewohnten Umfeld und Land angewiesen. Kinder sind verletzbarer und können die Situation häufig nicht verstehen. Frauen erleiden ein viel höheres Maß an psychologischen Traumata durch Vertreibung als Männer und sind zudem viel eher gefährdet, da ihre Heimat und das Land, auf dem sie leben in der Regel für ihre Sicherheit, Identität und ihren Lebensunterhalt von größerer Bedeutung sind.

Ein Beispiel für die langfristigen Folgen der Vertreibung, die derzeit in Nord- und Ostsyrien stattfindet, ist die Situation der “Binnen- vertriebenen”, die derzeit nicht nach Afrin zurückkehren können. Afrin wurde von genau den gleichen Kräften besetzt, Truppen der türkischen Armee und ihren Söldnern, die derzeit daran arbeiten, ihre Herrschaft über den gesamten Nordosten Syriens zu errichten. Ein Bericht über die Situation tausender Binnenvertriebener Frauen und Kinder in der Region Shehba von August 2018 zeigt, dass die Bedingungen bezüglich Unterbringung, Sicherheit, Gesundheit und Bildung deutlich unter den von UNICEF und den Vereinten Nationen festgelegten akzeptablen Richtwerten liegen. Binnenvertriebene sind im allgemeinen viel häufiger Frauen und Kinder als Männer, die mit höherer Wahrscheinlichkeit eher internationale Grenzen überschreiten oder überhaupt nicht fliehen. UNHCR stuft Binnenvertriebene als einige der am stärksten gefährdeten Menschengruppe der Welt ein; sie fliehen oft in Gebiete, die für die UN oder internationale Hilfsgruppen nicht zugänglich sind. Tatsächlich wurde UN-Hilfsorganisationen bisher von der syrischen Regierung nicht genehmigt, nach Nordsyrien einzureisen, und internationale NGOs verließen die Region im Oktober 2019 aufgrund der durch die Invasion verursachten Gefahr. Dies schränkte die Ressourcen und Hilfsmöglichkeiten für die Bewältigung der humanitären Krise sehr stark ein.

All diese Ereignisse müssen im Kontext eines achtjährigen Konflikts auf syrischem Territorium betrachtet und mit den dokumentierten Auswirkungen des kurz- und langfristigen Krieges auf Frauen und Kinder, sowie im Kontext der geschichtlichen Entwicklung der Region analysiert werden, um die verheerenden Auswirkungen der Angriffe auf Frauen und Kinder vollständig verstehen zu können. Die Tatsache, dass dieser Krieg auch Praktiken des Völkermords, der Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen umfasst, müssen ebenfalls in diesem Kontext benannt werden.

1.3 Feminizid in Kurdistan

Viele Organisationen, darunter die WHO, bezeichnen die Ermordung von Frauen aufgrund der alleinigen Tatsache, dass sie Frauen sind, als „Feminizid“. Der Begriff Feminizid wird auch zunehmend von Frauenrechtler*innen und sozialen Bewegungen verwendet, um systematische geschlechtsspezifische Gewalt als Mittel der Kriegsführung und Besatzung sichtbar zu machen. In internationalen Konventionen und Gesetzen mangelt es jedoch bisher an einer angemessenen Vorgehensweise und Definition. Der Genozid schließt die soziale und psychologische Vernichtung einer ethnischen, religiösen oder kulturellen Gruppe mit ein. Ebenso sollte der Feminizid als ein systematischer Angriff begriffen werden, der nicht allein physische Angriffe beinhaltet, sondern auch soziale, ideologische und psychologische Angriffe auf die Existenz, Identität und Würde von Frauen.

Afrin stellt auch ein Beispiel für die Folgen der langfristigen Besetzung durch die türkischen Armee und ihre verbündeten Truppen dar. Umfangreiche Beweise für Vergewaltigungen, sexuelle Gewalt, Entführungen, Lösegelderpressungen und gezielte Ermordung von Frauen wurden ebenso dokumentiert wie die Durchsetzung der Sharia-Gesetzte gegen den Willen der Frauen. Diese Verordnungen bedeuten das Einsperren von Frauen in ihrem Haus, den Entzug jeglicher Rechte von Frauen und ihres Zugang zu Gerechtigkeit.

Derartige Verbrechen wurden und werden von Gruppen wie dem IS, Al Qaida, Al Nusra oder Boko Haram und Staaten wie der Türkei begangen. Es erfordert die Errichtung eines neuen rechtlichen und politischen Rahmens, um diese spezifischen Verbrechen zu verurteilen, zu verfolgen und weitere dieser Verbrechen zu verhindern. Die zunehmende Verbreitung dieser Verbrechen erfordert, dass wir Feminizid auf der gleichen Ebene wie Genozid bewerten und verurteilen müssen, wenn eine Häufung von Verbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorliegen, die sich systematisch gegen Frauen als eine spezifische soziale Gruppe richten.

1.4 Besondere Gefährdung von Frauen und Kindern durch Daesh

Der türkische Staat hat in seinem Besatzungskrieg weitgehend Stellvertreterarmeen benutzt. Seine langjährige Verbindung mit dem Islamischen Staat wurde ausgiebig dokumentiert. Darüber hinaus haben viele Mitglieder jener Stellvertretertruppen, die derzeit in Nord- und Ostsyrien tätig sind und den türkischen Staat unterstützen, eine Vergangenheit als Mitglieder des Islamischen Staates und sind Mitglieder von Organisationen, die auf den gleichen Prinzipien basieren.

Um die Auswirkungen dieses Konflikts auf Frauen, Mädchen und Kinder verstehen zu können, ist es deshalb notwendig, dass wir diesbezüglich die klar belegte Bilanz der Verbrechen des Islamischen Staates betrachten. In einem der berüchtigtsten der dokumentierten Fälle wurde festgestellt, dass der IS während des Völkermords an der ezidischen Bevölkerung von Shengal im Jahr 2014 Methoden wie sexuelle Sklaverei, systematische Entführung, Vergewaltigung und Feminizid einsetzte. Ein Großteil der von diesen Verbrechen Betroffenen sind minderjähriger Mädchen. Im gesamten Gebiet, das durch den Islamischen Staat in Syrien besetzt wurde, gab es unzählige Fälle von sexueller Gewalt, Vergewaltigungen, Ehrenmorden, Missbrauch, Sklaverei sowie von Folter und Entführungen, die sich insbesondere gegen Frauen richteten. Frauen wurden jegliche Rechte und ihr Zugang zur Justiz verweigert, ihre Gesundheit wurde vernachlässigt und es war ihnen untersagt, ohne ein männliches Familienmitglied aus dem Haus gehen, was ihr Zuhause oft de facto zu einem Gefängnis werden ließ. Auch Kinder, insbesondere Mädchen, litten unter Kinderheirat, fehlender Schulbildung und fehlendem Zugang zu Gesundheitsversorgung.


2. ÜBERBLICK ÜBER DIE KRIEGSSITUATION IN ROJAVA


2.1 Die militärischen Angriffe der Türkischen Armee und ihrer verbündeten Dschihadisten auf die Demokratische Föderation Nord- und Ostsyrien

Seit dem 9. Oktober um 16:00 Uhr (EEST/ GMT+3) führt die Armee des türkischen Staates mit verbündeten Söldnertruppen eine militärische Operation in Nordsyrien durch. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Berichts dauert dieser Angriff bereits seit sechs Wochen an. Der Angriff begann mit schweren Luftangriffen auf die Regionen Serekaniye (Ras al-Ayn) und Gire Spi (Tel Abyad) sowie mit Bombardierungen und Granatenangriffen entlang der gesamten Grenze, einschließlich auf Städte und Dörfer in den Regionen Derik, Rimelan, Qamishlo, Amude, Dirbesiye, Serekaniye, Gire Spi, Kobane, Manbij und Ayn-Issa. Luftangriffe und Artilleriebeschüsse der türkischen Armee werden von einer Bodenoffensive durch Truppen begleitet, die von der türkischen Armee aufgestellt wurde und sie unterstützt.

Der Großteil dieser Bodentruppen besteht aus Söldnern der Freien Syrischen Armee, die sich nun „Syrische Nationale Armee“ nennen. Diese Truppen wurden von der Türkei aus verschiedenen sunnitisch-muslimischen arabischen und turkmenischen bewaffneten Gruppen zusammengestellt. Alle Gruppen, die nun diese neue Bodentruppe bilden, sind in der Vergangenheit durch Kriegsverbrechen bekannt geworden. Die Mehrheit von ihnen hat direkte oder indirekte Beziehungen zum Islamischen Staat (IS). Die Aufstellung und Unterstützung von dschihadistischen Söldnertruppen durch die Türkei, deren Zusammenarbeit sowie weitreichenden Verbindungen zum IS sind ebenfalls während dieser Invasion dokumentiert worden. Der türkische Staat setzt dabei dschihadistische Gruppen als institutionellen Bestandteil seiner Bodentruppen ein, um die Besetzung aufrechtzuerhalten und die Bevölkerung in den eroberten Gebieten zu unterdrücken.

Die türkische Armee und ihre verbündeten Truppen haben nun die Städte Serekaniye und Gire Spi sowie die dazwischen liegenden Gegenden besetzt. Es gibt anhaltende Invasionsangriffe seitens der türkischen Armee und der mit ihr verbündeten Truppen auf die Regionen und Städte von Tel Temer und Ayn Issa sowie an vielen Stellen entlang der internationalen Verkehrsstraße M4, um diese Städte zu kontrollieren und zu isolieren. Zudem wird die Bodeninvasion weiterhin durch Luftangriffe von türkischen Kampfflugzeugen und Drohnen (UAV) unterstützt.

2.2 Der angebliche Waffenstillstand

Am 17. Oktober 2019 um 22 Uhr wurde nach einem Abkommen zwischen der Türkei und den USA ein Waffenstillstand verkündet. Ein weiteres Abkommen wurde am 22. Oktober zwischen Russland und der Türkei beschlossen: das “Abkommen von Sotschi”. Gemäß dieser Vereinbarung wurde der Waffenstillstand unter der Bedingung verlängert, dass sich die Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) 30 km weit von der Grenze zurückziehen und die türkische Armee von Russland begleitete Patrouillen in bestimmten Regionen entlang der Grenze auf syrischem Territorium durchführen kann. Obwohl die SDF die Bedingungen des Abkommens einhält, haben die Türkei und ihre verbündeten Truppen wiederholt gegen den Waffenstillstand verstoßen sowie ihre Angriffe weiter ausgeweitet. Während der gesamten Zeit der andauernden Invasion wurden kontinuierlich Beweise für Kriegsverbrechen festgestellt. Experten stellten deutliche Beweise für den Einsatz verbotener Waffen (Weißer Phosphor) fest und legten der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) nah, eine offizielle Untersuchung durchzuführen.

2.3 Binnengeflüchtete in Rojava und
Demographischer Wandel nach türkischen Vorstellungen

Die aktuelle Invasion des türkischen Staates in Nord- und Ostsyrien findet in einem historischen Kontext und als Teil einer breiteren geopolitischen Situation statt. Die laufenden Angriffe vom Oktober 2019 sind eine Fortsetzung der Invasion und Besetzung Afrins durch den türkischen Staat im Jahr 2018. Hier wird ein Muster fortgesetzt, demzufolge der türkische Staat in der Region einseitige Maßnahmen unter dem Label der „Sicherheit“ durchführt, welche anstreben die demografische Zusammensetzung zu verändern und Bevölkerungsgruppen weitreichend aus diesen Regionen zu vertreiben. Die Türkei versucht demographische Veränderungen in dieser Region zu bewirken, indem sie durch ihre Angriffe Massenvertreibungen verursacht. Erdogan plant, tausende von Geflüchteten, welche ursprünglich aus anderen Teilen Syriens stammen, aus der Türkei zu deportieren und im Norden und Nordosten Syriens “anzusiedeln”. Viele von ihnen wurden ganz bewusst aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu dschihadistischen Gruppen ausgewählt.

Durch die türkische Invasion in Nordsyrien wurden hunderttausende Menschen zu Geflüchteten und Binnenvertriebenen, die sich noch immer in dem von der autonomen Selbstverwaltung Nord- und Ostsyriens verwalteten Gebiet befinden. Seit dem 2. November wurden ca. 200.000 – 300.000 Menschen durch die türkische Invasion vertrieben, Frauen und Kinder sind dabei von gravierenderen Auswirkungen betroffen. 150.000 davon befinden sich nun in der Jazeera-Region. Allen Berichten zufolge sind die überwiegende Mehrheit davon Frauen und Kinder. Tausende von Kindern leben bereits als Vertriebene mit all den hierdurch erzeugten physischen und psychischen Schäden. Die Situation der Binnenvertriebenen ist kritisch, da die Nahrungsmittel- und Wasserknappheit durch Angriffe auf die Infrastruktur, wie beispielsweise die Wasserstation Alouk, noch weiter verschlimmert wird. Die Menschen sind hochgradig durch ansteckende Krankheiten gefährdet und anfällig für andere Gefahren. Nach Angaben lokaler NGOs, die in den Camps arbeiten, zeigen Kinder Anzeichen von psychischen Folgeerscheinungen. Es gibt keine Infrastruktur für Bildung, Beratung oder Kinderförderung. In vielen Camps, die kontinuierlich um Ressourcen kämpfen, fehlt es an Gesundheitsversorgung.

Das Washokani-Camp wurde ohne internationale Unterstützung in der Nähe von Heseke, Kanton Jazeera, neu errichtet. Der Anteil der erwachsenen männlichen Bewohner des Camps ist weniger als 20%, was eine sehr typische Situation der Binnenvertriebenen in diesem Konflikt darstellt. Alle im Washokani-Camp untergebrachten Menschen sind Vertriebene aus den Städten und der Umgebung von Serekaniye und Tel Temer. Der Leiterin des Camps liegen Berichte vor, die die Ursache dafür, dass die Anzahl der Frauen im Camp so viel höher ist als die der Männer, darauf zurückführen, dass Frauen in vielen Fällen meist früher fliehen, da sie zusätzlich durch sexuelle Gewalt und Vergewaltigung von den Angreifern bedroht sind. Darüber hinaus tragen sie auch die Hauptverantwortung für die Versorgung und Betreuung ihrer Kinder. Frauen und Kinder werden nicht nur mit größerer Wahrscheinlichkeit vertrieben, sondern sind auch von den Auswirkungen viel stärker betroffen.

2.4 Angriffe auf Zivilist*innen und das zivile Leben

Erste Berichte und Zeugenaussagen machen deutlich, dass die gleichen Praktiken, die im besetzten Afrin angewandt werden, auch in Serekaniye und Gire Spi zu beobachten sind. Die Besetzung und der Angriff auf Nordsyrien durch die türkische Armee und ihre Verbündeten ist wiederholt mit Verbrechen gegen die Menschlichkeit einhergegangen, wie sie in der UN-Dekleration definiert sind und entsprechen der UN-Definition eines Genozids an der Bevölkerung Nord- und Ostsyriens, der insbesondere auf die kurdischen und christlichen Gemeinschaften abzielt. Seit Beginn der Invasion sind Frauen zunehmend von Vergewaltigung, sexuellen Übergriffe und andere Formen geschlechts- spezifischer Gewalt bedroht. Es gab auch gezielte Angriffe auf Frauen aus der Zivilgesellschaft, wie die brutale Ermordung der Politikerin Hevrin Khalaf. Frauen in Gire Spi und anderen besetzten Gebieten wurden die Scharia-Gesetze durch die Besatzungstruppen aufgezwungen. Auch Kriegsverbrechen, die sich bewusst gegen Kämpferinnen der YPJ richten, wurden dokumentiert.

Es wurde dokumentiert, dass sowohl die türkische Armee als auch ihre verbündeten Truppen ganz gezielt Zivilist*innen und zivile Infrastruktur angegriffen haben. Der historische Kontext hat eine besondere Bedeutung im Zusammenhang mit den Angriffen auf das Gebiet der Demokratischen Autonomieverwaltung in Nord- und Ostsyrien, innerhalb dessen die Selbstverwaltung und die Frauenbewegung Frauengesetze und Zentren zur Umsetzung von Frauenrechten etabliert haben. Hierdurch hat die Gemeinschaft eine aktive Rolle bei der Bekämpfung von geschlechtsspezifischer Gewalt gespielt und das Empowerment von Frauen institutionalisiert. Die Zerstörung dieser Zentren durch Besatzungstruppen stellt einen Rückschlag dar und macht Frauen von nun an viel angreifbarer. Diese Angriffe beeinträchtigen insbesondere das Leben und die Existenzgrundlage von Frauen und Kindern. Angriffe auf die Infrastruktur ziehen die gesamte Gesellschaft und alle Lebensbereiche in Mitleidenschaft, in denen die Rolle von Frauen zumeist zentral ist. Frauen und Kinder befinden sich häufig in einer verletzlicheren gesellschaftlichen Position und können sich daher weniger frei bewegen, um Gefahren zu entkommen.

Ein Angriff auf das derzeitig pluralistische und multiethnische Zusammenleben der Menschen in den Gebieten der Autonomieverwaltung in Nord- und Ostsyrien stellt auch einen Versuch dar, die Harmonie zwischen den verschiedenen sozialen Gruppen zu zerstören, sowie Chaos und Gewalt zu erzeugen. Diese Menschenrechtsverletzungen, Kriegsverbrechen und die Zerstörung des zivilen Lebens sind gezielte Taktiken der türkischen Armee und ihrer verbündeten Truppen, und stellen einen Völkermord und Feminizid dar. Diese Tatsache erfordert eine massive internationale Intervention.


3. PLÄDOYER VON KONGRA STAR

Basierend auf den hier erörterten und allgemein verfügbaren Beweisen geht Kongra Star davon aus, dass in Nordsyrien ein Genozid und zugleich ein Feminizid im politischen Sinne verübt wird, der sich gegen Frauen als eine soziale Gruppe richtet. Die Angriffe auf das System der demokratischen Autonomieverwaltung Nord- und Ostsyriens sind ein Angriff auf die Sicherheit und Freiheit von Frauen. Hinzu kommen die extremen humanitären Auswirkungen dieser Invasion, von der Frauen und Kinder und damit auch die Gemeinschaften am schwersten betroffen sind. Kongra Star sieht die dringende Notwendigkeit, eine politische Lösung für den Konflikt in Syrien zu finden, bei der die Stimmen aller ethnischen Gruppen, aller Altersgruppen, Religionen und Organisationen und vor allem die Stimmen und Bedürfnisse der Frauen Gehör finden und berücksichtigt werden müssen. Um diesen Prozess einzuleiten, müssen die Frauen Nord- und Ostsyriens die Möglichkeit haben, Delegierte zu entsenden, die sie bei der Ausarbeitung einer neuen syrischen Verfassung und aller damit verbundenen Prozesse vertreten. Darüber hinaus ist es wichtig, dass alle Kriegsverbrechen sowie alle beteiligten Täter in rechtlichen Verfahren zur Anklage gebracht werden. Um Gerechtigkeit zu erlangen, müssen die vom türkischen Staat und seiner Söldnertruppen verübten Genozide und Feminizide offiziell anerkannt und verurteilt werden.

Unverzüglich müssen folgende Maßnahmen von der internationalen Gemeinschaft ergriffen werden, um die physische und soziale Krise zu beenden, die durch die türkische Invasion verursacht wurde und in deren Rahmen Gewalt, Vertreibung, Kriegsverbrechen, Not und Menschenrechtsverletzungen verübt werden:

• Einrichtung einer “Flugverbotszone” über Nordsyrien zum Schutz Zivilbevölkerung vor willkürlicher Gewalt und Massakern

• Sofortiger Rückzug der türkischen Besatzungsarmee und aller mit ihr verbundenen bewaffneten Gruppen aus dem Territorium Syriens; Beendigung der Besetzung, der Völkermordpraktiken und des Feminizids

• Einrichtung einer Friedensmission der internationalen Gemeinschaft an der türkisch-syrischen Grenze zur Verhinderung weiterer Angriffe der türkischen Armee und all ihrer verbündeter Milizen

• Verhängung von umgehenden Wirtschaftssanktionen gegen die Türkei und sofortige Einstellung des gesamten Waffenhandels mit der Türkei

• Sofortmaßnahmen zur umfangreichen humanitären Unterstützung der Regionen der Autonomen Selbstverwaltung Nord- und Ostsyriens

PDF ZUM WEITERLESEN : Dossier von Kongra Star zu Auswirkungen der türkischen Invasion auf Frauen und Kinder in Rojava

Internationale Kampagne: Make Rojava Green Again


Zu allen Abkürzungen und Namen von Organisationen findet ihr eine kurze Beschreibung in der Übersicht zu kurdischen Organisationen und anderen Parteien in Kurdistan oder in der Übersicht zu faschistischen Organisationen in Kurdistan.


„Make Rojava Green Again!“ (Februar 2018)


1. POLITISCHER KONTEXT EINER REVOLUTION

Sieben Jahre sind seit dem Beginn der Revolution 2012 in Rojava, Westkurdistan vergangen. Sieben Jahre, in denen sich die Menschen hier nach den Prinzipien von Frauen*befreiung, Ökologie und radikaler Demokratie selbst organisieren und verteidigen – gegen imperiale Mächte, den IS und andere islamistische Milizen und nun vor allem gegen den türkischen Faschismus. In Räten organisiert und geschützt durch die Verteidigungskräfte YPG/YP) versuchen in Nordostsyrien Kurd*innen, Araber*innen, Jesid*innen und viele andere ethnische und religiöse Gruppen eine neue Gesellschaft aufzubauen, die jetzt schon ein Leuchtturm für den Mittleren Osten und die ganze Welt ist. Inmitten des Kriegs in Syrien baut die lokale Bevölkerung eine revolutionäre Bewegung auf, mit dem Anspruch der kapitalistischen Moderne ein Ende zu bereiten. Doch trotz der anhaltenden Erfolge der Revolution stehen die Menschen unter Druck: Die Angriffe und Besetzungen durch die Türkei, der Krieg gegen den IS sowie ein umfassendes Wirtschaftsembargo erschweren den Aufbau der neuen Gesellschaft. In dieser Situation braucht die Demokratische Föderation Nordostsyrien, mehr denn je weltweite Unterstützung.


2. DIE INTERNATIONALISTISCHE KOMMUNE

Voneinander lernen, sich gegenseitig unterstützen
und gemeinschaftlich organisieren

Seit vielen Jahren arbeiten wir als Internationalist*innen aus aller Welt in verschiedenen Strukturen der Demokratischen Föderation. Inspiriert von der revolutionären Perspektive der Kurdischen Befreiungsbewegung sind wir hier, um zu lernen, die vorhandenen Arbeitsprozesse zu unterstützen und weiter zu entwickeln. Es ist unser Ziel eine neue Generation des Internationalismus zu organisieren, um die kapitalistische Moderne weltweit herauszufordern. Anfang 2017 etablierten wir, unterstützt von den Strukturen der demokratischen Selbstverwaltung, die „Internationalistische Kommune von Rojava“. Unsere bisherigen Arbeiten umfassen Sprachkurse und Bildungen in der zivilen internationalistischen Akademie Sehid Helin Qerecox, Delegationsreisen, Öffentlichkeitsarbeit und die Mitarbeit in verschiedenen Strukturen der Selbstverwaltung.


3. EIN GRUNDPFEILER DER REVOLUTION: ÖKOLOGIE

Die Kapitalismus funktioniert nur durch die rücksichtslose Aneignung und Zerstörung von jeglichen natürlichen Prozessen. Tiere, Menschen und Pflanzen werden gleichsam zu Ressourcen entwertet, Naturzerstörung und ökologische Krisen gehen Hand in Hand mit Unterdrückung und Ausbeutung des Menschen. Die Kapitalistische Moderne entfremdet uns selbst von unserer Lebensgrundlage – und gleichzeitig ist diese Entfremdung ein wichtiger Faktor im Fortbestehen dieses Systems. Um diesen Kreislauf aus Krisen, Profitmaximierung und planetarer Zerstörung zu durchbrechen ist ein neues Paradigma nötig, ein grundlegend anderes Verständnis davon, wie wir als Menschen in und mit der Natur agieren sollte, aber auch davon, wie sich eine Gesellschaft auf solidarische und gleichberechtigte Weise selbstorganisieren kann. Neben der Geschlechterbefreiung und der umfassenden Demokratisierung aller Lebensbereiche ist die Entwicklung eines ökologischen Gesellschaftssystems ein Grundpfeiler der Revolution von Rojava. Es gehe um mehr als Naturschutz und Schadensbegrenzung. Es geht um die Wiederherstellung des aus dem Gleichgewicht geratenen Verhältnisses zwischen Natur und Mensch, also um einen erneuten, bewussten und aufgeklärten Zusammenschluss zu einer natürlichen, organischen Gesellschaft (Abdullah Öcalan).

4. MONOKULTUR, WASSERKNAPPHEIT UND LUFTVERSCHMUTZUNG: Kolonialismus gegen Mensch und Natur

Die Folgen kapitalistischer Mentalität und staatlicher Gewalt gegen Gesellschaft und Umwelt sind in Rojava deutlich zu sehen. Das Baath-Regime war und ist in ganz Syrien wenig an einer ökologischen Gesellschaft interessiert. Besonders im kolonisierten Rojava standen stets die maximale Ressourcenausbeutung und hohe landwirtschaftliche Produktionsraten im Vordergrund. Systematisch wurden Wälder abgeholzt, um Platz für Monokulturen aus Weizen und Olivenbaumplantagen zu machen. Das heutige Rojava wurde traditionell als „Kornkammer Syriens bezeichnet“, da hier ca 80% des Weizens in Syrien angebaut wurden. Mühlen gab es bis zur Befreiung jedoch kaum – der Weizen wurde wie das Öl gefördert und in den Süden zur Weiterverarbeitung abtransportiert. Mit dieser Produktionsstrategie wurde Nord- und Ostsyrien jahrelang von der Baath-Regierung ausgeblutet und wirtschaftlich abhängig gemacht. Jahrzehntelang war es verboten, Bäume zu pflanzen und Gemüsegärten anzulegen – die Bevölkerung wurde durch repressive Politik und Unterentwicklung der Region systematisch zur Emigration als billige Arbeitskräfte in die umliegenden syrischen Metropolen wie Aleppo, Raqqa und Homs angehalten. Der Krieg, Energieproduktion und -verbrauch, mangelhafte Müllentsorgung und massiver Chemikalieneinsatz in der Landwirtschaft haben Boden, Luft und Wasser schwer belastet. Die Bevölkerung in Nordostsyrien und ihre Demokratische Föderation haben jedoch nicht nur mit dem umweltpolitischen Nachlass des Baath-Regimes zu kämpfen. Eine ernsthafte Bedrohung stellt die feindliche Politik des türkischen Staates gegen die Revolution dar. Neben militärischen Angriffen, Besatzungen wie in Afrin und der ständigen Drohung mit weiteren Invasionen und einem totalen wirtschaftlichen Embargo ist insbesondere der Bau von Staudämmen im von der Türkei besetzten Nordkurdistan und die ungezügelte massive Grundwasserentnahme für die eigene Landwirtschaft ein Problem. In der Folge gibt es einen dramatischen Rückgang der von Norden nach Nordostsyrien laufenden Flüsse und ein stetes Absinken des Grundwasserspiegels – die Turkei dreht Rojava systematisch das Wasser ab.


5. ÖKOLOGISCHES ARBEITEN IN ROJAVA
ZWISCHEN KRIEG UND EMBARGO

Der Versuch, sowohl des türkischen als auch syrischen Regimes, die Revolution in Nordostsyrien durch militärische, politische und wirtschaftliche Angriffe zu ersticken, der Krieg gegen den Islamischen Staat und das auch von der südkurdischen KDP (Irak) unterstützte Embargo gegen Rojava schaffen schwierige Verhältnisse für ökologische Arbeiten. Trotz verschiedenster Projekte, wie der Schaffung von Naturschutzgebieten über umweltgerechte Müllentsorgung bis zu Wiederaufforstung, befinden sich die Strukturen der Demokratischen Selbstverwaltung auch weiterhin in ernsthaften Widersprüchen und Sachzwängen. Die Arbeiten vieler regionaler Komitees und Projekte stecken oftmals noch in ihrer Anfangsphase oder kommen über die Planung nicht hinaus. Die ökologische Revolution in der Revolution steckt noch in den Kinderschuhen: Es fehlt an Bewusstsein in der Bevölkerung, Wissen und Ideen, notwendiger Technologie und vor allem an finanziellen Mitteln.

6. UNSER BEITRAG ZUR ÖKOLOGISCHEN REVOLUTION:
Make Rojava Green Again

Wir, die Internationalistische Kommune von Rojava, wollen unseren Teil zu dieser ökologischen Revolution in Nordostsyrien beitragen und haben deswegen die Langzeit-Kampagne Make Rojava Green Again, in Zusammenarbeit mit dem Ökologie-Komitee und dem Komitee für Naturschutz des Kantons Cizire, ins Leben gerufen. Die Kampagne umfasst drei verschiedene Aspekte:

I. Aufbau der internationalistischen Akademie entsprechend eines Lebens unter ökologischen Gesichtspunkten, mit Vorbildcharakter für vergleichbare Projekte und gesamtgesellschaftliche Konzepte (Bildungen von Internationalist*innen und der Bevölkerung zur Stärkung des Bewusstseins für den Aufbau einer ökologischen Gesellschaft)

II. Direkte Beteiligung an Arbeiten ökologischer Projekte zur Aufforstung und der Aufbau einer Baumschule als Teil der internationalistischen Akademie

III. Materielle Unterstützung laufender und zukünftiger ökologischer Projekte der Strukturen der Demokratischen Selbstverwaltung, sowie Vermittlung von Wissen zwischen Aktivist*innen, Wissenschaftler*innen, Expert*innen und den Komitees und Strukturen in Nordostsyrien, u.a. zur Entwicklung einer langfristigen Perspektive für eine ökologische Gesellschaft. Zudem ist die Kampagne auch in Europa aktiv und ist Teil der breiten Klimagerechtigkeitsbewegung und verschiedener ökologischer Kämpfe.


7. DIE REVOLUTION UNTERSTÜTZEN!

An unserer Akademie haben wir begonnen, eine Baumschule aufzubauen, um die Wiederaufforstung voranzubringen. Die gemeinsame körperliche Arbeit ist auch Teil der Bildung in der internationalistischen Akademie und ein konkreter Ausdruck der Solidarität mit den Kommunen, Institutionen und Strukturen der Bevölkerung. Mit dem Aufbau einer Wasseraufbereitungsanlage für die Akademie leisten wir einen kleinen Beitrag zur Lösung des Abwasserproblems. Weitere Projekte sind seit einiger Zeit geplant, konnten aber aufgrund der instabilen Situation nicht umgesetzt werden. Außerdem wollen wir an Konzepten für eine ökologische Energieversorgung und Recycling arbeiten. All diese Projekte erfordern viel Kreativität und Geduld, da das von den Nachbarstaaten verhängte Wirtschaftsembargo viele Standardlösungen schwer umsetzbar macht. Dafür wird viel Geld benötigt – aber Geld ist nicht alles!

Unterstützungsmöglichkeiten:

Weitersagen! Zögert nicht, diese Kampagne mit Freund*innen, Familie, Aktivist*innen, Journalist*innen, Wissenschaftler*innen und Expert*innen zu teilen. Schreibt, veröffentlicht und teilt Artikel und Interviews über die Kampagne. Verbreitet die Nachricht über die wachsende ökologische Revolution!

Teilt euer Wissen! Wenn ihr Ideen und Kenntnisse habt, die für uns nützlich sein könnten, würden wir uns sehr freuen, wenn ihr uns kontaktieren würdet.

Verbindet uns mit Expert*innen! Speziell für unsere Projekte in den Bereichen ökologische Land- und Forstwirtschaft, erneuerbare Energien, Abfallrecycling und Wasseraufbereitung suchen wir Ingenieur*innen und Techniker*innen.

Spendet Geld! Die ökologischen Projekte kosten bereits viel Geld. Unterstützt die Arbeiten finanziell!

Kommt nach Rojava!
Um von der Revolution zu lernen und an ihr teilzunehmen, sie mit ihren Erfahrungen zu unterstützen und euch mit der kurdischen Befreiungsbewegung zu organisieren.

Vernetzt euch! Die Kämpfe gegen die lokalen Symptome der kapitalistischen Moderne, wie zum Beispiel gegen die Ausbeutung der Natur, Frauenunterdrückung und globale patriarchale Hegemonie, müssen miteinander verbunden werden. Eine internationalistische Lösung dafür liegt im Konzept des Demokratischen Konföderalismus und seiner Praxis in der Demokratischen Föderation Nordostsyrien. Verbindet eure lokalen Kämpfe nach den Prinzipien des Demokratischen Konföderalismus und vernetzt euch mit den Freundinnen und Freunden in allen Ländern!

Internationale Kampagne: „Make Rojava Green Again“

 

1. Hintergrund

Sieben Jahre sind seit dem Beginn der Revolution 2012 in Rojava, Westkurdistan vergangen. Sieben Jahre, in denen sich die Menschen hier nach den Prinigien von Frauen*befreiung, Ökologie und radikaler Demokratie selbst organisierem und verteidigen – gegen imperiale Mächte, gegen den IS und andere istaIs- tische Banden und gegen den türkischen Faschismus. In Raten organisiert und geschützt durch die Verteidigungskräfte YPG/YP) versuchen in Nordostsyrien Kurdinnen, Araberinnen, Yezid*innen und viele andere ethnische und religiöse Gruppen eine neue Gesellschaft autizubauen, die jetzt schon ein Leuchtturm für den Mittleren Osten und die ganze Welt ist Inmitten des Kriegs in Syrien bauen sie eine revolutionäre Bewegung auf, mit dem Anspruch der kapitalistischen Moderne ein Ende zu bereiten. Doch tratz der anhaltenden Erfolge der Revolution stehen die Menschen unter Druck: Die Angriffe und Besetzungen durch die Türkei, der Krieg gegen den IS sowie ein umfassendes Wirtschaftsembargo erschweren den Aufbau der neuen Gesell- schaft. In dieser Situation braucht die Demokratische Föderation Nordostsyrien, mehr denn je weltweite Unterstützung.

2. Internationalistische Kommune

Voneinander lernen, unterstützen und organisieren

Seit vielen Jahren arbeiten wir als Internationalist*innen aus aller Welt in verschiedenen Strukturen der Demokratischen Föderation. Inspiriert von der revolutionären Perspektive der Kurdischen Befreiungsbewegung sind wir hier um zu lernen, die vorhandenen Arbeiten zu unterstützen und weiter zu entwickeln. Es ist unser Ziel eine neue Generation des Internationalismus zu organisieren, um die kapitalistische Moderne weltweit herauszufordern. Anfang 2017 etablierten wir, unterstützt von den Strukturen der demokratischen Selbst verwaltung, die Internationalistische Kommune von Rojava. Unsere bisherigen Arbeiten umfassen Sprachkurse und Bildungen in der zivilen internationalistischen Akademie Sehid Helin Qerecox, Delegationsreisen, Öffentlichkeitsarbeit und die Mitarbeit in verschiedenen Strukturen der Selbstverwaltung.

3. Ein Pfeiler der Revolution: Ökologie

Die Kapitalismus funktioniert nur durch die rücksichtslose Aneignung und Zerstörung von jeglichen natürlichen Prozessen. Tiere, Menschen und Pflanzen werden gleichsam zu Ressourcen entwertet, Naturzerstörung und ökologische Krisen gehen Hand in Hand mit Unterdrückung und Ausbeutung des Menschen. Die Kapitalistische Moderne entfremdet uns selbst von unserer Lebensgrundlage – und gleichzeitig ist diese Entfremdung ein wichtiger Faktor im Fortbestehen dieses Systems. Um diesen Kreislauf aus Krisen, Profitmaximierung und planetarer Zerstörung zu durchbrechen ist ein neues Paradigma nötig, ein grundlegend anderes Verständnis davon, wie wir als Menschen in und mit der Natur agieren, aber auch davon, wie sich eine Gesellschaft auf solidarische und gleichberechtigte Weise selbstorganisieren kann. Neben der Geschlechterbefreiung und der umfassenden Demokratisierung aller Lebensbereiche ist die Entwicklung eines ökologischen Gesellschaftssystems ein Grundpfeiler der Revolution von Rojava und ganz Nordost Syrien. Es gehe um mehr als Naturschutz und Schadensbegrenzung. Es geht um die Wiederherstellung des aus dem Gleichgewicht geratenen Verhältnisses zwischen Natur und Mensch, also um einen erneuten, bewussten und aufgeklärten Zusammenschluss zu einer natürlichen, organischen Gesellschaft“ (Abdullah Öcalan).

4. Monokultur, Wasserknappheit und Luftverschmutzung: Kolonialismus gegen Mensch und Natur

Die Folgen kapitalistischer Mentalität und staatlicher Gewalt gegen Gesellschaft und Umwelt sind in Rojava deutlich zu sehen. Das Baath-Regime war und ist ganz Syrien wenig an einer ökologischen Gesellschaft interessiert. Besonders im kolonisierten Rojava standen stets die maximale Ressourcenausbeutung und hohe landwirtschaftliche Produktionsraten im Vordergrund. Systematisch wurden Wälder abgeholzt, um Platz für Monokulturen aus Weizen und Olivenbaumplantagen zu machen. Jahrzehntelang war es verboten, Bäume zu pflanzen und Gemüsegärten anzulegen – die Bevölkerung wurde durch repressive Politik und Unterentwicklung der Region systematisch zur Emigration als billige Arbeitskräfte in die umliegenden syrischen Metropolen wie Aleppo, Raqqa und Homs angehalten. Energieproduktion und -verbrauch, mangelhafte Müllentsorgung und massiver Chemikalieneinsatz in der Landwirtschaft haben Boden, Luft und Wasser schwer belastet. Die Bevölkerung in Nordostsyrien und ihre Demokratische Föderation haben jedoch nicht nur mit dem umweltpolitischen Nachlass des Baath-Regimes zu kämpfen. Eine ernsthafte Bedrohung stellt die feindliche Politik des türkischen Staates gegen die Revolution dar. Neben militärischen Angriffen, Besatzungen wie in Afrin und der ständigen Drohung mit weiteren Invasionen und einem totalen wirtschaftlichen Embargo ist insbesondere der Bau von Staudämmen im von der Türkei besauten Nodkurdistan und die ungezügelte massive Grundwasserentnahme für die eigene Landwirtschaft ein Problem, In der Folge gibt es einen dramatischen Rickgang der von Norden nach Nordostsyrien laufenden Flüsse und ein stetes Absinken des Grundwasserspiegels – die Turkei dreht Rojava systematisch das Wasser ab.

5. Ökologische Arbeiten in Rojava zwischen Krieg und Embargo

Der Versuch sowohl des türkischen als auch syrischen Regimes die Revolution in Nordostsyrien durch militärische, politische und wirtschaftliche Angriffe zu ersticken, der Krieg gegen den Islamischen Staat und das auch von der südkurdischen KDP unterstützte Embargo gegen Rojava schaffen schwierige Verhättnisse für ökologische Arbeiten, Trotz verschiedenster Projekte wie der Schaffung von Naturschutzgebieten über umweltgerechte Müllentsorgung bis zu Wiederaufforstung befinden sich die Strukturen der Demokratischen Selbstverwaltung auch weiterhin in ernsthaften Widersprüchen und Sachzwängen. Die Arbeiten vieler regionaler Komitees und Projekte stecken oftmals noch in ihrer Anfangsphase oder kommen über die Planung nicht hinaus. Die ökologische Revolution in der Revolution steckt noch in den Kinderschuhen: Es fehlt an Bewusstsein in der Bevölkerung, Wissen und Ideen, notwendiger Technologie und vor allem an finanziellen Mitteln,

6. Unser Beitrag zur ökologischen Revolution: Make Rojava Green Again

Wir die Internationalistische Kommune von Rojava, wollen unseren Teil zu dieser ökologischen Revolution in Nordostsyrien beitragen und haben deswegen die Langzeit-Kampagne Make Rojava Green Again, in Zusammenarbeit mit dem Ökologie Komitee und dem Komitee für Naturschutz des Kantons Cizire, ins Leben gerufen. Die Kampagne umfasst drei verschiedene Aspekte:

1. Aufbau der internationalistischen Akademie entsprechend eines Lebens unter ökologischen Gesichtspunkten, mit Vorbildcharakter für vergleichbare Projekte und gesamtgesellschaftliche Konzepte. Bildungen von Internationalist*innen und der Bevölkerung zur Stärkung des Bewusstseins für den Aufbau einer ökologischen Gesellschaft

2. Direkte Beteiligung an Arbeiten ökologischer Projekte zur Aufforstung und der Aufbau einer Baumschule als Teil der internationalistischen Akademie

3. Materielle Unterstützung laufender und zukünftiger ökologischer Projekte der Strukturen der Demokratischen Selbstverwaltung. Vermittlung von Wissen zwischen Aktivistinnen, Wissenschaftlerinnen und Expert*innen und und den Komitees und Strukturen in Nordostsyrien, u.a. zur Entwicklung einer langfristigen Perspektive für eine ökologische Gesellschaft. Zudem ist die Kampagne auch in Europa aktiv und ist Teil der breiten Klimagerechtigkeitsbewegung und verschiedener ökologischer Kämpfe.

7. Die Revolution unterstützen

An unserer Akademie haben wir begonnen, eine Baumschule aufzubauen, um die Wiederaufforstung voranzubringen. Die gemeinsame körperliche Arbeit ist auch Teil der Bildung in der internationalistischen Akademie und ein konkreter Ausdruck der Solidarität mit den Kommunen, Institutionen und Strukturen der Bevölkerung. Mit dem Aufbau einer Wasseraufbereitungsanlage für die Akademie leisten wir einen kleinen Beitrag zur Lösung des Abwasserproblems. Weitere Projekte sind seit einiger Zeit geplans, kennten aber Aufgrund der instabilen Situation nicht umgesetzt werden. DRiei wollen wir an Konzepten für eine ökologische Energieversorgung und Recycling arbeiten. All diese Projekte erfordern viel Kreativität und Geduld, da das von den Nachbarstaaten verhängte Wirtschaftsembargo viele Standardlösungen schwer umsetzbar macht. Dafür wird viel Geld benötigt – aber Geld ist nicht alles!

Unterstützungsmöglichkeiten:

Weitersagen! – Zögert nicht, diese Kampagne mit Freund*innen, Familie, Aktivist*innen, Journalist*innen, Wissenschaftler*innen und Expert*innen zu teilen. Schreibt, veröffentlicht und teilt Artikel und Interviews über die Kampagne. Verbreitet die Nachricht über die wachsende ökologische Revolution!

Teilt euer Wissen! -Wenn ihr ideen und Kenntnisse habt, die für uns nützlich sein könnten, würden wir uns sehr freuen, wenn ihr uns kontaktieren würdet.

Verbindet uns mit Expert*innen – Speziell für unsere Projekte in den Bereichen ökologische Land- und Forstwirtschaft, erneuerbare Energien, Abfallrecycling und Wasseraufbereitung suchen wir Ingenieur*innen und Techniker*innen.

Spendet Geld! – Die ökologischen Projekte kosten bereits viel Geld. Unterstützt die Arbeiten finanziell!

Kommt nach Rojava! – Um von der Revolution zu lernen und an ihr teilzunehmen, sie mit ihren Erfahrungen zu unterstützen und euch mit der kurdischen Befreiungsbewegung zu organisieren.

Vernetzt euch!- Die ökolog lokale Symptome einer kapitalistische Moderne Ausbeutung der Natur, Fraueuterdrückung und globale Hegemonie miteinander verbunden werden. Eine internationalistische Lösung dafür liegt im Konzept des Demokratischen Konföderalismus und seiner Praxis in der Demokratischen Föderation Nordostsyrien. obleme hier in Mesopotamien sind Aogischen Katastrophe, die durch die uasas aydwy ap uassou nzeg p Tur Stadtverwaltung und Ökologie der demokratischen Selbstverwaitung Nordostsyriens.

Soli-Arbeit: Praktische Unterstützung für Rojava

Was kann ich tun, um meiner Solidarität mit der Bevölkerung Rojavas im Krieg der Türkei, einer einzigartigen Revolution und allen verfolgten Freund*innen der Freiheitsbewegung Ausdruck zu verleihen?


#RiseUp4Rojava – Die Revolution in Rojava verteidigen!

(Perspektive Kommunismus, 30.10.19)

1. UNTERSTÜTZE ODER SCHAFFE LOKALE STRUKTUREN

In vielen Städten gibt es bereits Menschen und Strukturen, die Öffentlichkeitsarbeit durchführen, sie organisieren zum Beispiel Demos, Kundgebungen oder andere Veranstaltungen. Damit diese auch nachhaltig und langfristig aufrechterhalten werden können, bedarf es Menschen, die sich aktiv einbringen und Aufgaben übernehmen. Schließe dich an! Du kannst an Treffen von Gruppen in deiner Gegend teilnehmen und mit ihnen Ideen erarbeiten, um lokale Öffentlichkeitsarbeit zu leisten und langfristige Unterstützungsstrukturen aufzubauen.

„Women Defend Rojava – Call for worldwide action!“
(Women Defend Rojava, August 2019)

Als Frauenbewegung in Nord- und Ostsyrien (Kongra Star) rufen wir alle Frauen und freiheissuchende Genoss*innen auf der ganzen Welt dazu auf, aktiv zu werden, um die Frauenrevolution zu verteidigen! // „As Kongra Star women’s movement in North and East Syria we are calling to women and freedom-seeking comrades all around the world to take actions to defend the women’s revolution!“


2. DEMONSTRATIONEN

In vielen Städten finden regelmäßig Demonstrationen statt, die du auf verschiedene Weise unterstützen kannst: Sei Ordner*in, verteile während einer Demo Flyer an Passant*innen oder hilf vorab bei der Mobilisierung, indem du deinen Freund*innen und Bekannten davon erzählst und Veranstaltungen auf sozialen Medien teilst. Du kannst auch Plakate und Transparente basteln/malen und diese mitbringen und an Teilnehmer*innen vor Ort bzw. Organisator*innen geben, die diese dann für dich verteilen. Oder du gehst einfach mit deiner Gang zu der Demo und verleihst deiner Empörung Gehör!

„International Resistance Day for Rojava“
(Women Defend Rojava, November 2019)

Aktionen und Demonstrationen auf der ganzen Welt, anlässlich des „International Resistance Day for Rojava“ am 2. November // „Actions and demonstrations all over the world for the International Resistance Day for Rojava on 2 November“


3. ÖFFENTLICHKEITSARBEIT

Neben Demos können auch andere Veranstaltungen genutzt werden, um Öffentlichkeit zu schaffen. Infoabende, bei denen Filme gezeigt oder Vorträge gehalten werden, können helfen, um mehr Menschen über die Situation vor Ort aufzuklären. Du kannst auch im Internet Plakate und/oder Flyer bestellen und in deiner Stadt verteilen, um Aufmerksamkeit und Bewusstsein für dieses Thema zu schaffen. Besonders wichtig ist natürlich mediale Aufmerksamkeit.


4. SOLI-VERANSTALTUNGEN

Du kannst auch Parties oder Konzerte veranstalten, um beispielsweise Spendengelder zu sammeln, die den Menschen direkt vor Ort zu Gute kommen. Möglichkeiten, um direkt nach Kurdistan zu spenden, findest du unter Punkt 10.


5. EIGENSTÄNDIGE RECHERCHE UND ANALYSE

Es ist wichtig, neben der eigenen Recherche eine eigenständige, umfassende und kritische Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Widersprüchen, dem demokratischen Projekt der Föderation Nord- und Ost-Syrien und der deutsch-türkischen Partnerschaft zu entwickeln. Die Durchführung von Forschungs- und Schulprojekten, die Organisierung von Konferenzen und die Veröffentlichung diesbezüglicher Literatur kann helfen, die Grundlage für eine selbstbestimmte Intervention in öffentliche Diskurse zu schaffen.


6. SOLIDARITÄT MIT DER KURDISCHEN BEWEGUNG

Kurdische Aktivist*innen sind von alltäglicher Repression betroffen. Verbote von kurdischen Veranstaltungen, Verlagen und Symbolen sind neben der Aushebelung des Versammlungsrechts tiefgehende Einschnitte in demokratische Grundrechte. Zeige Verständnis und Empathie für die Akte des zivilen Ungehorsams der kurdischen Community und beteilige dich daran.


7. SCHUTZ DER MENSCHENRECHTE

Beteilige dich an der Organisation und Durchführung von Menschenrechtsbeobachtungen in der Türkei und Nordsyrien, Es ist notwendig, eine große internationale Öffentlichkeit zu schaffen, um Druck auf die türkische Regierung aufzubauen sowie rechtliche Verfolgung von Menschenrechtsverletzungen zu ermöglichen.


8. EINE STARKE ANTI-KRIEGS-BEWEGUNG

Beteilige dich am Aufbau breiter und handlungsfähiger zivilgesellschaftlicher Bündnisse, die schnell und effektiv den gesamtgesellschaftlichen Unmut über deutsche Waffenexporte und die Zusammenarbeit mit kriegstreiberischen Regierungen auf die Straße tragen können.


9. ZIVILER UNGEHORSAM

Das Konzept des zivilen Ungehorsams stellt den bewussten Verstoß gegen geltende Gesetze, Regeln oder Normen dar, um öffentlich Ungerechtigkeiten zu thematisieren und Widerstand zu leisten, fernab dessen, was der Staat als legitimen Protest festlegt. Formen des zivilen Ungehorsams sind vielfältig. Sie sind nicht nur ein wirksames Mittel der Zivilgesellschaft, um öffentlichkeitswirksam Widerstand gegen die Willkür des Staates und gesetzlich legitimierte Ungerechtigkeiten zu leisten, sondern auch notwendig, um Grundrechte wie Meinungsfreiheit zu garantieren und aufrecht zu erhalten. Sie begründen sich in dem Bewusstsein, dass das eigene moralische Empfinden und damit die Erkenntnis von Unrecht, über dem Befolgen von Regeln und Gesetzen steht. Informiere dich über mögliche Aktionsformen und beteilige dich an deren Planung und Durchführung. Beachte dabei, dass die Kriminalisierung von Aktivist*innen bei solchen Aktionen besonders stark sein kann und sorge im Vorfeld und danach für aktivistischen Selbst- und Kollektivschutz. Auf den Internetseiten des „Legal Teams“ bzw. EA (Ermittlungsausschuss) und der roten Hilfe findest du hilfreiche Informationen:

https://rote-hilfe.de/


10. SPENDENMÖGLICHKEITEN

Für Spendenquittungen bitte Namen/Oganisation und Adresse in den Verwendungszweck dazu schreiben!

KURDISTAN HILFE E. V.
DE40 2005 0550 1049 2227 04 / HASPDEHHXXX / HAMBURGER SPARKASSE
VERWENDUNGSZWECK: SOLIDARITÄT MIT ROJAVA
(zur Unterstützung der Selbstverwaltungsstrukturen in Nordsyrien)

Warum braucht Rojava unsere internationale Solidarität?


Zu allen Abkürzungen und Namen von Organisationen findet ihr eine kurze Beschreibung in der Übersicht zu kurdischen Organisationen und anderen Parteien in Kurdistan oder in der Übersicht zu faschistischen Organisationen in Kurdistan.


1. DIE ORGANISIERUNG DER MENSCHEN IN ROJAVA IST EINE RADIKALE ABSAGE AN NATIONALISTISCHE, PATRIARCHALE, KAPITALISTISCHE UND FUNDAMENTALISTISCHE IDEOLOGIEN

Rojava (kurd. für Westen) bezeichnet einen in Nordsyrien liegenden Teil Kurdistans. Im Zuge des Zerfalls des Osmanischen Reiches und der Besetzung großer Teile des Mittleren und Nahen Ostens durch Großbritannien und Frankreich (1918) so-wie Gründung der Türkei (1923) kam es zu weitgehenden territorial-politischen Veränderungen in Kurdistan. Kurdistan wurde zwischen Iran, Türkei und europäi-schen Mächten, sowie später Syrien und Irak aufgeteilt. In allen der vier Länder erfuhr der kurdische Teil der Bevölkerung Unterdrückung, Leugnung seiner Exis-tenz, Vertreibung und Gewalt. Diese Zeit kann bezeichnet werden als Geburt der sog. „kurdischen Frage“ und markiert den Beginn des Aufstiegs des Nationalismus und institutionalisierter kapitalistischer Ausbeutung der Region durch westliche Staaten im Mittleren Osten.

Der ideologische Vorläufer des türkischen Nationalismus entstand bereits in der späten Periode des Osmanischen Reichs als Idee des Turanismus. Angestrebt wurde eine sog. „Wiedervereinigung aller Turkvölker“, als Basis wurde ein gemein-samer Ursprungsmythos konstruiert. Seit der Machtergreifung der türkischen Be-freiungsbewegung (1920) wurde im Wesentlichen von Kemal Atatürk die Idee des bürgerlich-völkischen Nationalismus geprägt, die den Tyrranismus in Teilen ein-schloss (Kemalismus). Infolgedessen kam es in den späten Jahren des Reichs zum Genozid an den Armenier*innen und in den frühen Jahren der Republik zu ethnischen Säuberungen in Kurdistan sowie dem Verbot kurdischer Identität und Sprache. Heute greifen sowohl die türkische Regierungspartei AKP als auch die ultra-nationalistische MHP auf diese Ideologien zurück, um Kriege gegen die eigene Bevölkerung und Angriffskriege auf die kurdischen Gebiete in Nordirak und Nord-syrien zu legitimieren.

Der arabische Nationalismus entstand als Folge des osmanischen und europäi-schen Expansionismus in der Region. So wurden mit dem antikolonialen Befrei-ungsanspruch der arabischen Bevölkerung durch nationale Bewegungen zahl-reiche arabische Nationen konstituiert. Der ideologische Charakter des Nationa-lismus konnte jedoch der realen Situation im Mittleren Osten seinen vielfältigen Ethnien, Religionen und Kulturen nicht gerecht werden und führte zur Verbreitung eines menschenfeindlichen Weltbildes. Er trug zugleich zur Bildung des Nährbo-dens für fundamentalistische Bewegungen bei. Als Folge der nationalistischen Politik des Baath-Regimes wurde die kurdische Bevölkerung in Syrien umfang-reicher Ausgrenzung unterworfen. So wurde ihnen die Berechtigung zum Leben in Syrien oder gar ihre Existenz abgesprochen, indem Volkszählung politisch mani-puliert (Volkszählung in Dschazira / Cizire, 1962) und ihre Staatsangehörigkeit entzogen wurde. Bürgerrechte somit staatenloser Kurd*innen wurden stark einge-schränkt. So konnten die meisten von ihnen keine Hochschulausbildung genießen und durften sich nicht politisch betätigen.

Der sog. „Arabische Frühling“, eine internationale Protestwelle gegen die autoritären Regime arabischer Staaten, endete in Syrien im Jahr 2011 in einem Bürgerkrieg, welcher bis heute andauert. Dem Regime Assads, der das politische System in Syrien mittlerweile in eine Autokratie verwandelt hat, gelang es immer weniger, die Kontrolle über Syrien zu behalten. Den in Nordsyrien politisch organisierten Struktu-ren, wie der Partei PYD und der syrisch-kurdischen Frauenbewegung Kongra Star, gelang es, zu einer weitgehenden demokratischen gesellschaftlichen Organisierung und Stabilität in der Region beizutragen. Seit dem Sommer 2012 werden schrittwei-se vielfältige gesellschaftliche Organisationen, Kommunen, Räte sowie Frauenor-ganisationen, die konföderal miteinander verflochten sind, aufgebaut und entwickelt. Zusammen mit den christlichen Assyrer*innen, der arabischen Bevölkerung und anderen gesellschaftlichen Gruppen in Nordsyrien hat die überwiegend kurdischen Bevölkerung von Nordsyrien am Rande des Bürgerkriegs eine regionale autonome Selbstverwaltung auszurufen: Demokratische Föderation Nord- und Ost-Syrien (Rojava). Seitdem wird in Rojava das Gesellschaftsmodell des Demokratischen Konföderalismus erprobt, welches sowohl für den Mittleren Osten ein Vorbild sein kann, als auch weltweit neue Hoffnung und Perspektiven entstehen lässt.

Der Demokratische Konföderalismus muss im Zusammenhang der Neufindung sozialistisch-linker Ideen und Bewegungen seit dem Zusammenbruch des Real-sozialismus betrachtet werden. Nach der Niederlage des Realsozialismus ge-genüber dem kapitalistischen Liberalismus haben linke Denker*innen und Theo-retiker*innen Ieen zu entwickeln versucht, die “Politik jenseits von Staat, politische Oganisation jenseits von Partei und politische Subjektivität jenseits von Klasse“ (Badiou) ermögichen sollten. Der libertäre Kommunalismus (Murray Bookchin und Janet Biehl), das Konzept der Maltitrude und des Commonwealth (Antonio Negri und Micheal Hardt) oder der Demokratische Konföderalismus (Abdullah Öcalan) sind Beispiele dieser Versuche.

Der demokratische Konföderalismus betrachtet đie Bedeutung von Frauenbefrei-ung als Voraussetzung für die Befreiung der gesamten Gesellschaft. Dieses Para-digma basiert auf der kritischen Auseinandersetzung mit der Geschichte der Zivili-sation und damit einhergehenden Herrschaftsverhältnissen, von denen das Patriar-chat – also die Herrschaft des Mannes über die Frau* – als der grundlegende Wi-derspruch der Gesellschaft angenommen wird. Die Herausbildung der Ideologie des Patriarchats hätte demnach erst die Entstehung und Festigung weiterer Herr-schaftstrukturen ermöglicht (mehr dazu bei „Jenseits von Staat, Macht und Gewalt“ von A. Öcalan). Basierend auf dieser Gesellschaftskritik hat die demokratische Be-wegung in Rojava ein Konzept der gesellschaftlichen Organisierung ausgearbeitet, bei dem es parallel zu allen Entscheidungsgremien auch autonome Frauen*räte gibt. Solche Räte werden als notwendig gesehen, da sie Räume jenseits von patri-archaler Herrschaft schaffen und als Voraussetzung für Selbstermächtigung von Frauen gesehen werden. Teile der europäischen feministischen Bewegung organi-sieren sich nach ähnlichen Prinzipien.


2. ROJAVA IST EIN FEMINISTISCHES UND ANTIRASSISTISCHES PROJEKT

Neben der Frauenverteidigungseinheiten der YPJ, die spätestens seit der Befreiung von Kobane vom sog. IS bekannt geworden sind, sind Frauen* auch im zivilen Be-reich ein integrativer Bestandteil der gesellschaftlichen Organisation. So existiert, zusätzlich zu separaten autonomen Frauen*strukturen, entsprechend der paradig-matischen Bedeutung der Frauen*befreiung als Basis für die Befreiung der Gesell-schaft, in allen geschlechtlich gemischten Strukturen der Selbstverwaltung eine Frauenquote von 40% und jeweils ein quotiert besetzter Vorstand (Prinzip der Dop-pelspitze: immer eine Frau und ein Mann). Die Umsetzung dessen wird bedingt durch enorme Brüche mit traditionellen, patriarchalen Unterdrückungsmechanis-men und gewährleistet eine aktive Rolle und öffentliche Präsenz der Frauen bei allen gesellschaftlichen Entscheidungsprozessen.

Gleichzeitig garantiert die Verfassung ein angemessenes Verhāltnis an Vertreter*-innen verschiedener ethnischer und religiöser Minderheiten in allen Entscheidungs-gremien. Dazu gibt es prozentuale Vorgaben, denn in Nordsyrien leben neben Kurd*innen, Menschen mit arabischer, armenischer, aramäischer, assyrischer, tscherkessischer, turkmenischer und jezidischer Identität. Das Bildungssystem bietet zudem Möglichkeiten zum Unterricht in der jeweiligen Muttersprache.


3. DAS DEMOKRATISCHE PROJEKT IN NORDSYRIEN
STREBT NACH EINER EGALITÄREN GESELLSCHAFT

Der Nationalstaat, basierend auf der Idee der ethnisch-kulturell gleichförmigen Nation und Patriotismus, wird in der Freiheitsbewegung Kurdistans als rückschritt-lich betrachtet. Dieser Kritik zugrunde liegt die Annahme, dass die exklusiven Merkmale der Nation eine Voraussetzung für nationalistisches Denken bilden und zur Verschleierung der Ungleichheit und Herrschaftsverhältnisse innerhalb der Gesellschaft führen. Dem widerstehend soll eine inklusive Gesellschaft, die von Vielfalt und geteilten Werten geprägt ist, aufgebaut werden. Entgegen irrtümlicher Annahmen, stellt die Föderation keine nationale oder separatistische Bewegung dar, sondern möchte eine Perspektive auf ein demokratisches Syrien eröffnen, die den vielen dort lebenden Menschen, Ethnien und Kulturen gerecht wird. Bezüglich einer gesamtgesellschaftlichen Lösung der Konflikte in Kurdistan wird seitens der Föderation immer wieder das Gespräch gesucht.


4. DAS DEMOKRATISCHE PROJEKT IN NORDSYRIEN SPIELT EINE SCHLÜSSELROLLE BEI DER TERRITORIALEN UND IDEOLOGISCHEN BEKÄMPFUNG DES IS

Die Kurdischen Volks-/Frauenverteidungseinheiten YPG/YPJ waren als Teil der SDF (Syrian Democratic Forces / Demokratische Kräfte Syriens) maßgeblich an der territorialen Befreiung Syriens vom IS beteiligt. Der IS hat jedoch in ehemals von Dschihadisten besetzen Gebieten eine Ideologie hinterlassen, die weiterhin aufgearbeitet und bekämpft werden muss. Im Falle eines Wiedererstarkens des Daesh (IS), dem Fortbestand autoritärer Regime in Kurdistan und weiterer neoko-lonialistischer Ausbeutung der Region, würde die Situation in Syrien jedoch umso anfälliger für fundamentalistische Bewegungen. Dagegen schafft das demokrati-sche Projekt in Rojava gesellschaftliche Voraussetzungen für eine emanzipatori-sche Praxis, friedliche und demokratische Austragung sozialer Konflikte und eine kritisch-analytische Haltung gegenüber Ideologien und Dogmatismus. Die von kapi-talistischen Krisen und politischem Rechtsruck erschütterte Welt befindet sich im Umbruch. Eine Lösung kann nur eine emanzipatorische Praxis bieten. Das demo-kratische Projekt in Rojava ist ein Teil davon.


5. VERSCHLECHTERUNG DER HUMANITÄREN LAGE

Lokale und internationale Beobachter*innen vor Ort beschreiben eine desaströse und höchst unsichere humanitäre Lage. Trotz des vereinbarten Waffenstillstands- abkommens sind Wohngebiete sowie Teile der zivilen Infrastruktur durch Luftan-griffe der Türkei gezielt zerstört worden. Betroffen sind Strukturen der medizini-schen, Nahrungs- und Wasserversorgung. Es findet willkürliche Ermordung von Zivilist*innen durch türkeitreue dschihadistische Söldnermilizen statt. Außerdem wurde durch ein Schweizer Institut der Einsatz von verbotenem Chemiewaffen aus weißen Phosphor durch die Türkei nachgewiesen, welche gegen Zivilist*innen ein-gesetzt wurden. Es ist zu befürchten, dass in den von der Türkei eroberten Gebie-ten weitere Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen begangen werden.


6. DEMOGRAFISCHE VERÄNDERUNG DER BEVÖLKERUNGSSTRUKTUR

Nach den UN wurden durch den Angriff der Türkei knapp 300.000 Menschen ver-trieben. Aktuell leben in Rojava ca. 2 Millionen Menschen (Stand 2018), Sollten die Pläne des türkischen Staates umgesetzt werden, also knapp 3,6 Millionen aus an-deren Teilen Syriens stammende Geflüchtete nach Rojava abgeschoben werden, ist zu erwarten, dass die gesamte Region dafür entvölkert werden muss.


7. SCHAFFEN WEITERER FLUCHTURSACHEN UND MIGRATIONSSTRÖME

Der Vernichtungskrieg der Türkei gegen die Völker in Rojava hat bereits seit der Invasion im Oktober 2019 über 300.000 Menschen in die Flucht getrieben. Bereits zuvor hat Rojava knapp zwei Millionen Binnengeflüchtete aus dem syrischen Bür-gerkrieg aufgenommen. In dem 2018 von der Türkei annektierten Êfrin geschieht bereits der demographische Wandel, den Erdogan auch für den Rest der kurdi-schen Region im Norden und Osten Syriens geplant hat: Die Türkei lässt neu an-gesiedelte Dschihadisten und Türkische Soldaten ein Islamistisches Kalifat errich-ten, in welchem die Gesetze der Sharia gelten. Die Menschen, welche nicht aus Êfrin fliehen konnten oder wollten, sind der Unterdrückung und Gewalt der selbster-nannten „Gotteskrieger“ ausgesetzt. Jeden Tag verschwinden Menschen, Frauen und Kinder werden versklavt und misshandelt. Alle Errungenschaften der Revolu-tion und kulturelles Welterbe werden systematisch zerstört. (Oftmals arabische) Geflüchtete aus dem syrischen Bürgerkrieg werden von der Türkei aus nach Êfrin zwangsdeportiert und umgesiedelt – in eine Region, welche durch den Krieg infra-strukturell sowie sicherheitsmäßig weitgehend destabilisiert ist.

Die kriegerische Innen- und Außenpolitik der Türkei, welche seit Beginn der Inva-sion in Syrien (Oktober 2019) auch wieder massiv gegen die kurdische Bevölke-rung im eigenen Staatsgebiet (Nordkurdistan / Bakur) vorgeht, treibt Hunderttau-sende in die Flucht. Die Europäische Union zeigt kaum Reaktionen und scheint auch weiterhin auf die eurozentristische Abschottungspolitik zu setzen. Insbeson-dere in Europa, das derart rasanten Zuwachs rechtspopulistischer und faschisti-scher Bewegungen erlebt, werden dadurch bestehende rechte Strukturen befeuert. Der Rechtsterrorismus wird in Europa voraussichtlich zunehmen, wenn weiterhin rechten Stimmen und rassistischem Denken in die Hände gespielt wird.


8. BEDROHUNG DER FRAUENBEWEGUNG: VERSCHLECHTERUNG DER SITUATION VON FRAUEN UND MINDERHEITEN

Es ist zu befürchten, dass die Zerstörung der in Rojava aufgebauten Strukturen der Selbstverwaltung, worin Frauen, sowie ethnische und religiöse Minderheiten eine besondere politische Rolle einnehmen, eine Verschlechterung der Situation dersel-ben hervorrufen wird. Die von Frauenorganisationen als höchst frauenfeindlich be-schriebene patriarchale Gesellschaftsordnung in Syrien und der Türkei wird weitge-henden Einfluss auf die Sicherheit von Frauen in Nordsyrien haben. Zudem ist das potenzielle Wiedererstarken des IS eine Gefahr, die insbesondere für Frauen* und Minderheiten eine existenzielle Bedrohung darstellt. Durch die Destabilisierung der Region wird die konfliktträchtige Situation in Syrien eine Fortsetzung des Kriegszu-standes im Land zur Folge haben. Zahlreiche Studien bestätigen, dass insbeson-dere die Sicherheit von Frauen* in Kriegssituationen am stärksten gefährdet ist. Zudem steht der Angriff auf feministische Ideen und Errungenschaften im Zeichen der Angriffe auf das Selbstbestimmungsrecht der Frauen durch rückständige Kräfte weltweit – sei es der Angriff auf die Strukturen der Selbstverwaltung in Rojava, die Zwangsehen minderjähriger Mädchen in der Türkei, das Abtreibungsgesetz in Eu-ropa oder die täglichen Morde an Frauen* weltweit.


9. WIEDERERSTARKEN DES IS

Anhand der Analyse zahlreicher Dokumentationen über die Unterstützung des IS durch den türkischen Staat lässt sich vermuten, dass es zahlreiche aktivierbare IS-Schläferzellen gibt, die in einer günstigen Situation wie z.B. durch die türkische Kontrolle über Nordsyrien zum Wiedererstarken des IS führen könnten. Diese Be-fürchtung hat sich in Ansätzen bereits bestätigt: laut Rojava Information Center haben seit dem 9. Oktober 2019 Anschläge der IS-Schläferzellen in nordsyrischen Städten rasant zugenommen. Hinzu kommen die in der Föderation (Rojava) inhaf-tierten IS-Kämpfer und deren Familien. Im Zuge der türkischen Invasion wurden nicht nur permanent Dschihadisten über die türkische Grenze nach Syrien ge-schleust, von türkischen Soldaten ausgebildet und mit schweren Waffen versorgt, sondern auch Camps und Gefängnisse in Rojava bombardiert, um IS-Kämpfer zu befreien. Bisher konnten aufgrund der türkischen Luftschläge hunderte Islamisten fliehen.

Reorganisierung des IS unter MIT-Schirmherrschaft, ANF Februar 2020
https://anfdeutsch.com/rojava-syrien/reorganisierung-des-is-unter-mit-schirmherrschaft-17278

All dies stellt nicht nur für die Zivilbevölkerung in Syrien und ganz Kurdistan eine lebensbedrohliche Situation dar, sondern hat auch für die gesamte Welt schwer-wiegende Folgen. Weitere militärische Einsätze in bedrohten Regionen, konkrete terroristische Gefahr durch den Islamischen Staat im Verlauf einer weltweiten Ausbreitung und ein umfassender Ausbau der Überwachungsapparate europäi-scher Staaten sind nur einige davon.


10. RÜCKKEHR UND FORTBESTAND AUTORITÄRER REGIME

Vom aktuellen Angriffskrieg in Syrien profitieren vor allem höchst autokratische, autoritäre und militaristische Regime wie die von Erdogan (Türkei), Chamenei (Iran), Assad (Syrien) und Putin (Russland). Durch den Rückzug der USA, sowie weitgehendes Fernbleiben der EU aus dem Konflikt, entsteht eine neue multipolare Weltordnung, die zur Folge haben wird, dass immer mehr rückständige politische Kräfte Bestätigung der internationalen Gemeinschaft finden und die Schicksale der Weltgemeinschaft bestimmen werden. Diese Entwicklungen werden zwangsläufig weiteren Widerstand der unterdrückten Bevölkerung verursachen. Der Fortbestand geduldeter kapitalistischer und neo-kolonialer Ausbeutung der Region durch repres-sive Regierungen würde die Situation in Syrien politisch und ökonomisch weiter destabilisieren und sie umso anfälliger für fundamentalistische Gedanken machen.


11. WELTWEITES ERSTARKEN DES FASCHISMUS

Im Zusammenhang mit der Stabilisierung autoritärer Regime in Westasien muss insbesondere kritisiert werden, dass in einer Welt, in der selbst vermeintlich demo-kratische Staaten völkerrechtswidrigen Kriegseinsätzen nicht mit Widerspruch be-gegnen, da dem wirtschaftlichen Wachstum und den Umsatzbedürfnissen globaler Konzerne mehr Relevanz zugesprochen wird als Menschenleben und fundamen-talen Menschenrechten, der Faschismus immer mehr Bestätigung finden wird. Allein am Beispiel der Zusammenarbeit der BRD mit der Türkei wird diese politi-sche Linie deutlich. Die Rückwirkung einer solchen Kooperation äußert sich auch in der Menschenrechtssituation in der BRD und Europa, indem Meinungsfreiheit ein-geschränkt wird, staatliche Überwachungsapparate weiter ausgebaut werden, Poli-zei uneingeschränkte Befugnisse erhält, emanzipatorischen Bewegungen mit zu-nehmender Repression begegnet wird und Schutzsuchende an Europas Grenzen sterben gelassen oder in Kriegsgebiete abgeschoben werden.


12. EINE UTOPIE WENIGER

Die Bedeutung alternativer gesellschaftlicher Projekte jenseits von Staat und Nation ist vor dem Hintergrund sozialer, ökologischer und ökonomischer Konflikte weltweit höher denn je. Durch die Akzeptanz der Angriffe auf das demokratische Projekt in Rojava nimmt sich die Menschheit selbst die Möglichkeit, eine praktikable Lösung zu suchen, für einen gemeinschaftlichen Ausweg aus dem Patriarchat, der kapita-listischen Krise und nationalstaatlicher Abhängigkeit.

Rojava ist eine konkrete Utopie, die verteidigt werden muss!
People Defend Rojava!

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