Chronologie des Krieges in Nord- und Ost-Syrien und der Revolution in Rojava (2016 – 2017)


Zu allen Abkürzungen und Namen von Organisationen findet ihr eine kurze Beschreibung in der Übersicht zu kurdischen Organisationen und anderen Parteien in Kurdistan oder in der Übersicht zu faschistischen Organisationen in Kurdistan.

In den Jahren 2016 und 2017 waren die SDF immer mehr auf dem Vormarsch, wobei die Befreiung von Minbiç einen besonderen Meilenstein darstellt. Sie konnten im Oktober 2017 schließlich die IS-Hauptstadt Raqqa und die nördlichen Gebiete von Deir Ez-Zor befreien. Damit hat die SDF einen entscheidenden Beitrag für das Verdrängen des IS geleistet, so indirekt auch das Auseinanderbrechen des Baath-Regimes verhindert und den Boden für weitere IS-Massaker im Westen entzogen.


JANUAR 2016

Am 26. Januar begannen die Genf-III-Gespräche mit dem Ziel der Friedens-verhandlungen über den Syrienkrieg. Auf Druck der Türkei wurde die Selbst-verwaltung von Rojava und die PYD explizit von den Verhandlungen ausgeschlos-sen, während als Zugeständnis an die Türkei auf Druck des deutschen Außen-ministers Steinmeier Ahrar aş Şam, der engste Bündnispartner von Jabhat al Nusra und ein Ableger von al-Qaida, eingeladen wurde. Der internationale Delegitimierungsversuch durch die Ausladung der Selbstverwaltung von Rojava von den Genfer Friedensgesprächen und die Protegierung der Türkei durch Deutschland stärkte weiter die Position des NC und dessen antikurdische Haltung.


FEBRUAR 2016

Am 19. Februar 2016 wurde al-Shaddadi, die letzte große Stadt unter
Kontrolle des IS (Al Hasaka), durch die SDF befreit.

Die Angriffe auf Rojava eskalierten im Schatten des am 27. Februar 2016 vereinbarten »Genf-III«-Waffenstillstands immer weiter. Akteure sind dabei
die türkische Armee, die »Istanbuler Opposition« (Nationale Koalition) und
zu ihr gehörenden, im ENKS organisierte kurdische Kräfte (Rojava- Peşmerga), wie auch salafistische Gruppen wie Ahrar as Sham und die in »Genf III« nicht inkludierten Jabhat al-Nusra. Bereits im Jahr 2015, aber vor allem ab dem Frühjahr 2016 intensivierten sich die Angriffe auf die selbstverwalteten Stadtteile in Aleppo. Über 100 Zivilisten starben allein in dem Viertel Şex Maqsud.

Aus Nordkurdistan können mit der Verschärfung des Krieges zwischen dem türkischem Staat und der Kurdischen Freiheitsbewegung ab Anfang 2016
keine (medizinischen) Güter mehr importiert werden.


MÄRZ 2016

Im März wurde der Aufbau der Demokratischen Föderation von Nordsyrien (DFNS) durch Dutzende Parteien und Organisationen ausgerufen. Es geht
dabei nicht um die Annektion ganz Nordsyriens, sondern um die Befreiung
von der Terrorherrschaft der Milizen und der Öffnung eines Raumes zur Selbstorganisierung nach eigenen Bedürfnissen.

Während das Embargo gegen Rojava 2015 kontinuierlich verschärft wurde, erreichte es nach dem 17. März 2016 eine neue Dimension. Zuvor war auf
Druck der Türkei die Selbstverwaltung Rojavas explizit aus den »Genf III« -Verhandlungen ausgeladen worden und sollte so politisch isoliert und kalt-
gestellt werden. Die Selbstverwaltung reagierte mit einem Schritt nach vorn:
mit der Ausrufung der Demokratischen Föderation Nordsyrien, die zugleich ein alternatives Projekt für die gesamte Region darstellt. Daraufhin verschärfte die Türkei und die von ihr abhängige PDK-Regierung ihr Embargo gegenüber Rojava und schloss die Grenzen komplett. Hinzu kamen Verhaftungsoperationen und Übergriffe auf emanzipatorische Aktivist*innen in Südkurdistan, insbesondere
auf kritische Journalist*innen und die kurdische Frauenfreiheitsbewegung.
Sowohl Şengal als auch Rojava sind isoliert, während Hunderttausende Menschen
aus der Region Mosul in Rojava aufgenommen werden. Aufgrund der Ausrufung einer überregionalen Alternative auch zum Assad-Regime hat es Verständigungen zwischen dem Regime und der Türkei gegeben. Rojava wird nun von allen Seiten angegriffen und ökonomisch wie humanitär isoliert. Die Türkei hat im Norden einen Zaun und Mauern um Rojava errichtet, Südkurdistan (Nordirak) hat im Osten einen befestigten Graben gezogen, den es nun mit Militärstützpunkten ausbaut. Nach Süden ist Rojava durch die radikalislamistischen Kampfverbände des IS und der
al-Nusra-Front vom Rest Syriens getrennt.


APRIL 2016

In Qamişlo entflammten erneut Kämpfe zwischen den Regimetruppen Syriens
und der YPG/YPJ. Erstmals bombardierten die Regime-Truppen die Stadt mit Artillerie. Nach vier Tagen wurde ein Waffenstillstand ausgehandelt. Nach einem Scheinangriff auf Rakka begann der Militärrat von Minbic (eine Abteilung der SDF) die Belagerung von Minbic.

Die Gefechte im Dreieck Afrin, Kobanî, Aleppo (Şêx Maqsud) nahmen immer größere Ausmaße an. Unter den am 7. April 2016 getöteten Angreifern waren neben mehreren Mitgliedern von Jabhat al-Nusra und Ahrar al-Scham auch Sultan-Murat-Brigadisten – zwei von ihnen waren Angehörige des türkischen Geheim-dienstes MIT. Insbesondere das nach dem Modell der Demokratischen Autonomie von Rojava selbstverwaltete und den YPG/YPJ verteidigte Stadtviertel Aleppos, Şêx Maqsud, wurde immer wieder zum Ziel von Angriffen. Diese wurden in aller Härte und Erbarmungslosigkeit mit schweren Waffen ausgeübt, was zum Tode zahlreicher unschuldiger Zivilpersonen führte. Mittlerweile gibt es Vorwürfe seitens der YPG, dass bei den am 5. April begonnenen Angriffen der Banden der Nationa-len Koalition und des ENKS auf Şêx Maqsud neben schwerem Geschütz wie Raketen auch Chemiewaffen eingesetzt worden seien. Der vermutete Chemiewaf-fenangriff wurde anscheinend von Jaisch al-Islam verübt, wie der ENKS einräumte.

Am 14. April beschoss die türkische Armee das Dorf Hewar in der Nähe von Azaz. Dabei kamen mindestens 25 Zivilpersonen ums Leben.

Die Grenzstadt Girê Spî wurde am 15. April mit türkischer Artillerie beschossen.

Im April 2016 wurde das erste Zentrum der HPC-Jin, also der Frauen-verteidigungskomitees, in Hesekê aufgebaut.


MAI 2016

Im Mai 2016 starteten die SDF eine Operation zur Befreiung von Rakka. Die
Türkei hatte bis Juni 2016 verhindert, dass die USA und SDF eine gemeinsame Operation auf Rakka durchführen. Die USA unterstützten die Operation der SDF nur, weil sie einen militärischen Sieg in Syrien gegen den IS anstreben. All ihre Bemühungen, selbst eine Anti-IS-Truppe aufzustellen, waren gescheitert. Beide Seiten sind sich bewusst, dass die Beziehungen rein taktischer Natur sind.


AUGUST 2016

Anfang Juni 2016 starteten die SDF eine umfangreiche Befreiungsoperation für die seit Januar 2014 vom IS kontrollierte Region Manbij, zwischen Kobanî und Afrîn gelegen, unter dem Namen »Abu Leyla« im Gedenken an einen der arabisch-stämmigen, sehr beliebten Kommandanten, der in der Befreiung von Kobanî eine wichtige Rolle gespielt hatte.

The Story of Abu Layla


Faisal Abu Layla (1984 – 5 June 2016) was a commander of the Free Syrian Army and the Syrian Democratic Forces. He was regarded by some Kurds as a hero in the battle against Islamic State. Abu Layla was born near Kobanî to Kurdish and Arab parents; he died in a hospital in Sulaymaniyah, Kurdistan Region, Iraq. His death was caused by sniper bullet to the head he received in the Abu Qelqel village during an offensive against the Islamic State in Manbij on 5 June 2016. He was at that time a prominent commander within the Syrian Democratic Forces.

73 Tage dauerte die Befreiung der überwiegend arabischen Stadt. Innerhalb weniger Tage konnten mehr als 100 Dörfer sowie die wichtige Verbindungsstraße zwischen Jarablus und Rakka unter Kontrolle gebracht werden. Die strategisch bedeutsame Stadt Manbij war seit Januar 2014 in der Hand des DAIŞ. Mehr als 200 Kämpfer*innen verloren ihr Leben. Nach wochen-langen Gefechten wurde der IS am 12. August in dieser Stadt vollständig besiegt. Die Bevölkerung begann umgehend mit dem Aufbau der Selbstverwaltung.

Heseke wurde von Truppen des syrischen Regimes angegriffen, welche den Rückzug der SDF aus der Stadt forderten. Erstmals bombardierte die syrische Luftwaffe die Stadt. Nach einer Woche zogen sich aber die Regime-Truppen aufgrund der hohen Verluste und einer Vielzahl an Desertationen aus den
eigenen Reihen zurück.

Der MIT (türkischer Geheimdienst) tötete am 22. August den Kommandanten
der SDF, welcher für die Befreiung der Stadt Cerablus vom IS verantwortlich ist. Zwei Tage später marschierte die türkische Armee mit der Operation „Schutzschild Euphrat“ erstmals in Syrien ein und eroberte Cerablus. Erklärtes Ziel der Operation war es ein „zusammenhängendes Kurdengebiet“ zu verhindern.


NOVEMBER 2016

Die SDF begannen mit der Operation Xezeba Firatê zum Sturm auf Rakka.


DEZEMBER 2016

Das Regime besiegte die islamischen Rebellen in Aleppo und stellte der YPG/YPJ ein Ultimatum, sich bis Jahresende aus der Stadt zurück zu ziehen. YPG und YPJ kamen dieser Forderung aus taktischen Gründen nach.


FEBRUAR UND MÄRZ 2017

Im Frühling 2017 kam es zu immer stärkeren und verlustreicheren Kämpfen zwischen der türkischen Armee und der SDF. Die türkische Armee und die mittlerweile mit ihr verbündeten Teile der FSA konnten die Verbände der SDF sowohl in Minbic als auch in Tall Rifaat aufhalten und kamen ihnen mit der Eroberung von Al-Bab zuvor. So verhinderten sie den Zusammenschluss
der Kantone Efrîn und Kobanê.

Anfang 2017 etablierten Internationalist*innen, unterstützt von der Jugend-bewegung in Rojava (YCR/YJC), die „Internationalistische Kommune“
von Rojava. Diese widmet sich seitdem der Durchführung von Bildungen, Delegationsreisen, Sprachkursen und dem Aufbau der ersten zivilen
Akademie für Internationalist*innen in Rojava.

Am 10. März 2017 begann in der Nähe der Stadt Serêkaniyê der Bau des Frauendorfes Jinwar im Kanton Cizîrê. Ziel ist es, einen Ort jenseits vom
Patriarchat zu schaffen, an dem sich Frauen auf der Basis ökologischer Landwirtschaft selbst versorgen.


MAI 2017

Die SDF eroberten Anfang Mai die Tabqa-Talsperre (40 km westlich von Rakka) von DAIŞ. Im Laufe des Monats befreiten die SDF nahezu alle Dörfer im Norden Rakkas vom IS. Gegen Ende des Monats standen die ersten SDF-Truppen an
der Stadtgrenze zu Rakka.


JUNI BIS OKTOBER 2017

Am Morgen des 6. Juni begannen die SDF mit US-Luftunterstützung mit der Stürmung der Stadt Rakka. Am 29. Juni hatten SDF-Verbände schließlich den
Ring um die Stadt komplett geschlossen. Anfang September gelang es den SDF, die Altstadt von Raqqa zu befreien. Die SDF befreien in den bis dahin schwersten Kämpfen des Syrischen Bürgerkriegs, Straße um Straße und Stadtteil für Stadtteil von DAIŞ. An den Kämpfen beteiligten sich in den Reihen der SDF ca. 500 Internationalist*innen aus der ganzen Welt.

Inside The Fight To Retake Raqqa From ISIS (HBO)
(Vice News, Sep 2017)

Da sich im August das nahende Ende der Kämpfe in Rakka abzeichnet, werden
die meisten Truppen außerhalb der Stadt für eine neue Offensive gegen DAIŞ in Deir ez Zor zusammengezogen. Am 2. September beginnt die Offensive gegen die letzte Hochburg des IS. Am 17. Oktober meldet die Kommandantur der SDF die vollständige Befreiung der Stadt. Auch in Rakka werden anschließend Volksräte gegründet und die Selbstverwaltung aufgebaut.

Soli-Arbeit: Praktische Unterstützung für Rojava

Was kann ich tun, um meiner Solidarität mit der Bevölkerung Rojavas im Krieg der Türkei, einer einzigartigen Revolution und allen verfolgten Freund*innen der Freiheitsbewegung Ausdruck zu verleihen?


#RiseUp4Rojava – Die Revolution in Rojava verteidigen!

(Perspektive Kommunismus, 30.10.19)

1. UNTERSTÜTZE ODER SCHAFFE LOKALE STRUKTUREN

In vielen Städten gibt es bereits Menschen und Strukturen, die Öffentlichkeitsarbeit durchführen, sie organisieren zum Beispiel Demos, Kundgebungen oder andere Veranstaltungen. Damit diese auch nachhaltig und langfristig aufrechterhalten werden können, bedarf es Menschen, die sich aktiv einbringen und Aufgaben übernehmen. Schließe dich an! Du kannst an Treffen von Gruppen in deiner Gegend teilnehmen und mit ihnen Ideen erarbeiten, um lokale Öffentlichkeitsarbeit zu leisten und langfristige Unterstützungsstrukturen aufzubauen.

„Women Defend Rojava – Call for worldwide action!“
(Women Defend Rojava, August 2019)

Als Frauenbewegung in Nord- und Ostsyrien (Kongra Star) rufen wir alle Frauen und freiheissuchende Genoss*innen auf der ganzen Welt dazu auf, aktiv zu werden, um die Frauenrevolution zu verteidigen! // „As Kongra Star women’s movement in North and East Syria we are calling to women and freedom-seeking comrades all around the world to take actions to defend the women’s revolution!“


2. DEMONSTRATIONEN

In vielen Städten finden regelmäßig Demonstrationen statt, die du auf verschiedene Weise unterstützen kannst: Sei Ordner*in, verteile während einer Demo Flyer an Passant*innen oder hilf vorab bei der Mobilisierung, indem du deinen Freund*innen und Bekannten davon erzählst und Veranstaltungen auf sozialen Medien teilst. Du kannst auch Plakate und Transparente basteln/malen und diese mitbringen und an Teilnehmer*innen vor Ort bzw. Organisator*innen geben, die diese dann für dich verteilen. Oder du gehst einfach mit deiner Gang zu der Demo und verleihst deiner Empörung Gehör!

„International Resistance Day for Rojava“
(Women Defend Rojava, November 2019)

Aktionen und Demonstrationen auf der ganzen Welt, anlässlich des „International Resistance Day for Rojava“ am 2. November // „Actions and demonstrations all over the world for the International Resistance Day for Rojava on 2 November“


3. ÖFFENTLICHKEITSARBEIT

Neben Demos können auch andere Veranstaltungen genutzt werden, um Öffentlichkeit zu schaffen. Infoabende, bei denen Filme gezeigt oder Vorträge gehalten werden, können helfen, um mehr Menschen über die Situation vor Ort aufzuklären. Du kannst auch im Internet Plakate und/oder Flyer bestellen und in deiner Stadt verteilen, um Aufmerksamkeit und Bewusstsein für dieses Thema zu schaffen. Besonders wichtig ist natürlich mediale Aufmerksamkeit.


4. SOLI-VERANSTALTUNGEN

Du kannst auch Parties oder Konzerte veranstalten, um beispielsweise Spendengelder zu sammeln, die den Menschen direkt vor Ort zu Gute kommen. Möglichkeiten, um direkt nach Kurdistan zu spenden, findest du unter Punkt 10.


5. EIGENSTÄNDIGE RECHERCHE UND ANALYSE

Es ist wichtig, neben der eigenen Recherche eine eigenständige, umfassende und kritische Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Widersprüchen, dem demokratischen Projekt der Föderation Nord- und Ost-Syrien und der deutsch-türkischen Partnerschaft zu entwickeln. Die Durchführung von Forschungs- und Schulprojekten, die Organisierung von Konferenzen und die Veröffentlichung diesbezüglicher Literatur kann helfen, die Grundlage für eine selbstbestimmte Intervention in öffentliche Diskurse zu schaffen.


6. SOLIDARITÄT MIT DER KURDISCHEN BEWEGUNG

Kurdische Aktivist*innen sind von alltäglicher Repression betroffen. Verbote von kurdischen Veranstaltungen, Verlagen und Symbolen sind neben der Aushebelung des Versammlungsrechts tiefgehende Einschnitte in demokratische Grundrechte. Zeige Verständnis und Empathie für die Akte des zivilen Ungehorsams der kurdischen Community und beteilige dich daran.


7. SCHUTZ DER MENSCHENRECHTE

Beteilige dich an der Organisation und Durchführung von Menschenrechtsbeobachtungen in der Türkei und Nordsyrien, Es ist notwendig, eine große internationale Öffentlichkeit zu schaffen, um Druck auf die türkische Regierung aufzubauen sowie rechtliche Verfolgung von Menschenrechtsverletzungen zu ermöglichen.


8. EINE STARKE ANTI-KRIEGS-BEWEGUNG

Beteilige dich am Aufbau breiter und handlungsfähiger zivilgesellschaftlicher Bündnisse, die schnell und effektiv den gesamtgesellschaftlichen Unmut über deutsche Waffenexporte und die Zusammenarbeit mit kriegstreiberischen Regierungen auf die Straße tragen können.


9. ZIVILER UNGEHORSAM

Das Konzept des zivilen Ungehorsams stellt den bewussten Verstoß gegen geltende Gesetze, Regeln oder Normen dar, um öffentlich Ungerechtigkeiten zu thematisieren und Widerstand zu leisten, fernab dessen, was der Staat als legitimen Protest festlegt. Formen des zivilen Ungehorsams sind vielfältig. Sie sind nicht nur ein wirksames Mittel der Zivilgesellschaft, um öffentlichkeitswirksam Widerstand gegen die Willkür des Staates und gesetzlich legitimierte Ungerechtigkeiten zu leisten, sondern auch notwendig, um Grundrechte wie Meinungsfreiheit zu garantieren und aufrecht zu erhalten. Sie begründen sich in dem Bewusstsein, dass das eigene moralische Empfinden und damit die Erkenntnis von Unrecht, über dem Befolgen von Regeln und Gesetzen steht. Informiere dich über mögliche Aktionsformen und beteilige dich an deren Planung und Durchführung. Beachte dabei, dass die Kriminalisierung von Aktivist*innen bei solchen Aktionen besonders stark sein kann und sorge im Vorfeld und danach für aktivistischen Selbst- und Kollektivschutz. Auf den Internetseiten des „Legal Teams“ bzw. EA (Ermittlungsausschuss) und der roten Hilfe findest du hilfreiche Informationen:

https://rote-hilfe.de/


10. SPENDENMÖGLICHKEITEN

Für Spendenquittungen bitte Namen/Oganisation und Adresse in den Verwendungszweck dazu schreiben!

KURDISTAN HILFE E. V.
DE40 2005 0550 1049 2227 04 / HASPDEHHXXX / HAMBURGER SPARKASSE
VERWENDUNGSZWECK: SOLIDARITÄT MIT ROJAVA
(zur Unterstützung der Selbstverwaltungsstrukturen in Nordsyrien)

„Operation Quelle des Friedens“ oder der Vernichtungsfeldzug der Türkei gegen Rojava (2019)

Ausführliche Informationen folgen in kürze.

Widerstand in Bakur gegen den türkischen Faschismus


Zu allen Abkürzungen und Namen von Organisationen findet ihr eine kurze Beschreibung in der Übersicht zu kurdischen Organisationen und anderen Parteien in Kurdistan oder in der Übersicht zu faschistischen Organisationen in Kurdistan.

Ausführliche Informationen folgen in kürze.

PKK Youth Fight for Autonomy in Turkey (YDG-H)
(Vice News, Feb 2016)

On January 6, a 14-year-old Kurdish boy named Ümit Kurt was shot dead by Turkish special forces in the Syrian border town of Cizre in southeast Turkey. Ümit Kurt was killed as he walked home through an area controlled by the Patriotic Revolutionary Youth Movement (YDG-H), the militant youth wing of the outlawed Kurdistan Workers‘ Party (PKK). The YDG-H has been acting as a paramilitary force in Cizre for the past few months and has closed off several Kurdish neighborhoods with their armed checkpoints and patrols. VICE News gained exclusive access to members of the YDG-H, mostly in their teens and early twenties, who give their story on why gun battles broke out between them and the Turkish security forces, leading to some of the worst fighting in Cizre since the 1990s.

Hinter den Barrikaden – Eine Reise durch Nordkurdistan im Krieg
(Lower Class Magazine, Sep 2016)

Zwischen Januar und Juni 2015 hielten sich Journalisten des lower class magazine mehrere Monate in verschiedenen Teilen Kurdistans auf. In Bakur (Nordkurdistan, Südosttürkei) bereisten sie die Kriegsschauplätze in Städten wie Diyarbakir, Nusaybin, Cizre und Yüksekova. In Basur (Südkurdistan) hatten sie die Gelegenheiten, Führungspersonen der kurdischen Guerilla in Kandil zu treffen.

Das Buch „Hinter den Barrikaden – Eine Reise durch Nordkurdistan im Krieg“ könnt ihr hier bestellen.

Warum führt die Türkei einen Krieg gegen Rojava ?


Zu allen Abkürzungen und Namen von Organisationen findet ihr eine kurze Beschreibung in der Übersicht zu kurdischen Organisationen und anderen Parteien in Kurdistan oder in der Übersicht zu faschistischen Organisationen in Kurdistan.


HINTERGRÜNDE DES TÜRKISCHEN ANGRIFFSKRIEGES AUF DIE DEMOKRATISCHE FÖDERATION NORD- UND OSTSYRIEN / ROJAVA


1. Zunehmende Destabilisierung der türkischen Innenpolitik

Die türkische Regierungspartei AKP (türk. für „Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung“) und deren Vorsitzender Recep Tayyip Erdoğan stehen vor großen innenpolitischen Herausforderungen. Seit den Protesten um den Gezi-Park in Istanbul im Sommer 2013 und spätestens dem sog. Putschversuch des türkischen Militärs am 15./16. Juli 2016 schlägt die zunächst wirtschaftsliberale und national-konservative AKP einen zunehmend nationalistischen, autoritären und autokratischen Kurs ein. In der gesamten Zeit seit Juli 2016 gehen die türkischen Behörden willkürlich und mit brutaler Härte gegen Regimekritiker*innen und Oppositionelle vor. Alleine in den ersten Monaten wurden unzählige Menschenrechtsverleungen durch türkische und internatinaie NGOS dokumentiert. Im Zuge seiner politischen Säuberungsaktionen ließ Erdoğan tausende Menschenrechtler*innen, Akademiker*innen und Journalist*innen suspendieren und viele von ihnen inhaftieren. Auch gegen Polizeikräfte, Richter*innen sowie Staatsanwält*innen wurde gleichermaßen vorgegangen. An deren Stelle setzte Erdoğan AKP-treue Funktionäre und Mitarbeiter*innen ein, die weitreichende Zensur öffentlicher Medien und hohe Kontrolle über die politische Meinungsbildung, Legislative und Exekutive ermöglichten. Erdoğan gelang es also mittels eines faktisch 2 Jahre lang andauernden politischen Ausnahmezustands in der Türkei die Gewaltenteilung des Staates aufzuheben und an sich zu reißen. Das wurde mittels der verfassungsändernden Reform zur Einführung des sog. Präsidialsystems im Jahr 2018 post factum legalisiert und gesetzlich verankert.

2. Wirtschaftliche Krise der Türkei

Zudem befindet sich die Türkei seit 2018 in einer tiefen Wirtschaftskrise, die zur Entwertung der türkischen Lira und hoher Staatsverschuldung führte. Aufgrund nicht absehbarer Entwicklung der wirtschaftlichen Lage hat Erdoğan die für das Jahr 2019 anstehenden Präsidentschaftswahlen auf das Jahr 2018 vorverlegt. Dabei hat sich die AKP auf eine Koalition mit der ultranationalistischen MHP (türk. für „Partei der Nationalistischen Bewegung“) eingelassen.

3. Konstruktion von Feinbildern

Um den Machterhalt zu sichern wird neben der Diffamierung und Liquidierung oppositioneller Kräfte seites der Regierung massiv nationalistische und rassistische Stimmung gegen die vor allem im Süd-Osten der Türkei sowie in Nordsyrien lebenden Kurd innen gemacht. Die rassistischen Mobilisierungen betreffen jedoch nicht nur Kurd*innen, auch gegen syrische Geflüchtete wird massiv und offen u.a. von Erdoğan persönlich gehetzt. Die unter Erdoğan erneut entflammte völkisch-patriotische Politik des türkisch-zentralistischen Nationalstaats sieht keinen Platz für Menschen anderer ethnischer und kultureller Hintergründe vor und nutzt sie zu- gleich als Feindbild, um den Zustand und die Gründe der sozialen und ökonomischen Krise zu verschleiern.

4. Errichtung einer „Sicherheitszone“ in syrischem Grenzgebiet

Neben systematischen Bombardierungen kurdischer Gebiete im Nordirak und fortlaufender Assimilierungs-, Vertreibungs- und Umsiedlungspolitik in Süd-Ost-Anstolien, legitimierte Erdoğan mit dem Vorand der sog. Terrorismus-Bekämpfung im Winter 2018 einen völkerrechtswidrigengriffskrieg sowie anschließende Besetzug des hauptsächlich von Kurd*innen bevölkerten nord-syrischen Kantons Afrin. Das hat zu Vertreibung und Flucht der Zivilbevölkerung sowie Destabilisierung lokaler basisdemokratischer Strukturen geführt. Durch die Ansiedlung islamistischer Kämpfer, urkeitreuer Milizen und deren Familien in Nnn wird neben direkter Bedrohung dort dinmen auch ein Wiedererstarken des IS und weitere Hürden für den Friedensprozess in Syrien in Kauf genommen. Die Türkei nutzt die in Nordsyrien bereits besetzte Region Afrin auch um, mit Zuspruch und Subventionierung der EU, Schutzsuchende aus verschiedenen Teilen Syriens dorthin abzuschieben. Die sogenannte „Sicherheitszone“ – das neue außenpolitische Projekt Erdoğans gezielte Umgestaltng der Demografie und die Zwangsvertreibung kurdischer Bevölkerung weiterhin ermöglichen.

5. Imperialistischer Größenwahn der AKP

Die im März 2019 stattgefundenen Kommunalwahlen in der Türkei haben trotz massiver Repression gegenüber Oppositionellen gezeigt, dass die Regierung unter Führung Erdoğans weder nicht widerspruchslos hingenommen wird. Doch Erdoğan hält weiterhin an seinem Expansionismus unter nationalistischen Linie fest und hofft damit die Bevölkerung hinter sich zu einen. Mit „Vision 2023″, einer politischen Strategie der AKP-MHP Regierung, will er an das historische Erbe Atatürks anknüpfen. Im Jahr 2023 jährt sich das 100. Jubiläum des Lausanner Vertrags, demnach die nach Ende des 1. Weltkriegs verhandelten Staatsgrenzen der Türkei neu verhandelt werden könnten. Das Osmanische Reich soll also wieder auferstehen und eine Großmacht im mittleren Osten werden, wenn den Kurd*innen ihr Existenzrecht immer wieder abgesprochen wird. Um sich besser Argumentationsgrundlagen bedienen zu können, will Erdoğan mit dem Angriffkrieg weitere Teile Nordsyriens besetzen und somit auch die seit 100 Jahren andauernde Kolonisierung Kurdistans durch die Türkei aufrechterhalten und ausdehnen.

6. Rojavas Utopie als Gefahr für die Legitimation der türkischen Diktatur

Einer der ausschlaggebenden Gründe für den aktuellen Angriffskrieg auf Nordsyrien ist die dort seit der Ausrufung der Revolution 2012 bestehenden demokratischen Selbstverwaltung der lokalen Bevölkerung, die auf Prinzipien des multikulturellen, multireligiösen und multiethnischen Zusammenlebens beruht, statt auf Nationalismus zu basieren. Weder innen- noch außenpolitisch lässt sich eine solche Nachbarschaft mit Erdoğans Ideologie in Übereinstimmung bringen.

Weiterhin setzt die Türkei alles daran, die internationale Anerkennung der Selbstverwaltungsstrukturen und in ihnen vorhandenes Potential zur Demokratisierung Syriens zu unterbinden. So konnte mit dem Veto der Türkei die Teilnahme der Vertreter*innen der nord-ost-syrischen Selbstverwaltung an der Verfassungskommission für Syrien vorerst verhindert werden.

7. Plädoyer

Diese Auflistung ist nicht annähernd in der Lage, den Umfang und die Komplexität des Verhältnisses zwischen Türkei und Kurd*innen in Nord- und Westkurdistan darzustellen. Die „Kurdische Frage“ ist seit Jahrzehnten ein bedeutender Teil der politischen Agenda in der Türkei. Rojava ist der geographische Kern der Freiheitsbewegung Kurdistans und auch im türkischen Teil Kurdistans organisiert sich die Bevölkerung nach Prinzipien des demokratischen Konföderalismus. Was in Rojava geschieht, beeinflusst die Völker in der Türkei und die aggressive Vernichtungspolitik Erdoĝans in diesem Krieg, zeigt einmal mehr seine Entschlossenheit, für imperialistische Machterhaltung und -ausweitung bis zum Äußeren zu gehen. Doch was soll das Äußere sein?

Abdullah Öcalan und die Kurden-Frage, Arte 2015

https://www.youtube.com/watch?v=DMKJPkPkkxE

Immer mehr Menschen auf der ganzen Welt sehen eine funktionierende Perspektive in dem Demokratischen Konföderalismus, der Frauenbefreiung und den ökologischen Prinzipien der Revolution und eine Möglichkeit der Organisierung von Mensch und Natur als Ausweg aus der kapitalistischen Krise. Auch westliche Demokratiesysteme können die kurdische Freiheitsbewegung als Bedrohung wahrnehmen, wenn die sozialen Konflikte in einem Staat ansteigen und die Legitimation der Regierenden infragegestellt wird. Proteste in Europa werden nieder geknüppelt, Aktivist*innen kriminalisiert und abgeschoben und die Medien schweigen. Die faschistische Motivation der Türkei hinter diesem andauernden Genozid und Feminizid in Kurdistan wird von einer handlungsunfähigen Internationalen Gemeinschaft hingenommen, deren Theorie und Praxis ebenso viele Merkmale von Faschismusdefinitionen erfüllen. Der Vorwand Erdoĝans der Terrorismusbekämpfung wird in der BRD und anderen Staaten in anderen Ausmaßen ebenso gegen Oppositionelle und Widerständische eingesetzt, deutsche V-Leute treiben Neonazistrukturen voran, um die Gesellschaft zu spalten und Graue Wölfe erschießen kurdische Aktivistinnen.

Aufgrund all dieser Parallelen, der Verstrickung von Politik- und Handelsbeziehungen mit der Türkei und dem Profit des Krieges ermöglichen die kooperierenden Staaten der zweitgrößte NATO-Armee und ihren dschihadistischen Söldnern, mit schweren Waffen und Chemiebomben Siedlungen zu attackieren, in einem Gebiet, in dem sich ein paar Millionen Menschen ein Stück Wüste erkämpft haben und ihr demokratisches Projekt aufopferungsvoll gegen den Islamischen Staat verteidigen. Der Sieg der YPG/YPJ und der HPG über Daesh [IS] in Rojava durchkreuzte die imperialistischen Pläne der Türkei als eine der Hauptsponsoren und Ankerpunkte des IS gewaltig und dürfte ein weiterer Auslöser der Vernichtungswut Erdoĝans sein. Doch noch ist Rojava nicht gefallen!

Danke YPJ/YPG für die Verteidigung dieser einzigartigen Revolution. Serkeftin!