Chronologie des Krieges in Nord- und Ost-Syrien und der Revolution in Rojava (2011)


Zu allen Abkürzungen und Namen von Organisationen findet ihr eine kurze Beschreibung in der Übersicht zu kurdischen Organisationen und anderen Parteien in Kurdistan oder in der Übersicht zu faschistischen Organisationen in Kurdistan.


DER ARABISCHE FRÜHLING UND SYRIEN

Die Revolution in Rojava ist nicht ohne den Kontext des syrischen Aufstands von 2011 zu erklären. Anfang 2011 begannen Aufstände in zahlreichen Ländern Nord-afrikas und des Nahen und Mittleren Ostens. Die Ereignisse und Entwicklungen in der Region wurden unter der Bezeichnung »Arabischer Frühling« bekannt. Vor allem die Ereignisse in Tunesien und Ägypten können als Volksaufstände gegen
die Diktaturen im eigenen Land bezeichnet werden. Sie öffneten auch die Türen
für ähnliche Entwicklungen in den anderen Ländern der Region. Dort setzte sich
die Opposition, auf die innere Dynamik bauend, für einen demokratischen Wandel
ein, was wiederum für die umliegenden Länder zur Inspirationsquelle wurde.

In Syrien begannen die Auseinandersetzungen, als die syrische Polizei in Dara‘ā zwei Jugendliche, die Parolen gesprüht haben sollen, inhaftierte und misshandelte. Angaben zufolge wurde einer dieser Jugendlichen in Gewahrsam zu Tode gefoltert. Es kam zu Protesten und Demonstrationen, denen sich große Teile der Bevölker-ung anschlossen. Die Forderungen gingen über die Freilassung der beiden Jugendlichen hinaus. Es wurden ein Ende der Korruption, soziale Veränderungen und politische Reformen gefordert. Polizei und Geheimdienst griffen die Demonstrationen mit Waffengewalt an. Sie eröffneten das Feuer, woraufhin mehrere Demonstrant*innen starben. Die Beerdigung der Getöteten am nächsten Tag ließ eine noch größere Demonstration folgen.

Demonstrant*innen in Daraa, März 2011, Tage nach der Inhaftierung von Bashir Abazad

Diese Proteste weiteten sich über das ganze Land aus. Das Regime bemühte sich darum, zu beschwichtigen, aber die Demonstrationswelle ließ sich nicht mehr aufhalten. Die Kritik am Vorgehen in Dara‘ā fand auf allen Ebenen statt, sie kam sogar aus der regierenden Baath-Partei selbst. Der Sicherheitsapparat ließ die Situation aber weiter eskalieren und unterließ es selbst entgegen anders lautenden Befehlen nicht, auf die Demonstrant*innen zu schießen. Dieses Vorgehen trieb die Bevölkerung in einen militärischen Konflikt.


MÄRZ 2011

In Westkurdistan, das zu dieser Zeit noch vom syrischen Staat kontrolliert wurde, fanden in Kobanê und Afrin die ersten Demonstrationen gegen das Regime statt. Besonders am 12. März, in Gedenken an die Unruhen in Qamischli von 2004, bei denen das Regime mindestens 30 Menschen ermor-dete, 160 Weitere verletzte und hunderte Menschen, überwiegend Kurd*innen, verhaften ließ, gingen die Menschen auf die Straßen. Ebenso am 21. März (Newroz, wichtigster kurdischer Feiertag) demonstrierten viele Menschen in Westkurdistan gegen die Regierung. Die PKK hatte, als die Revolution in Syrien begann, schon 30 Jahre lang Organi-sierungsarbeit geleistet. Schon vor den Aufständen in Syrien gab es in den kurdi-schen Gebieten erste Räte und Komitees. Außerdem wurde damit begonnen, eine radikaldemokratische Organisierung zunächst der gesamten kurdischen Bevölker-ung von Rojava voranzutreiben. Im Aufstand gegen das Regime von 2011 zeigt sich deutlich die Stärke der Organisierung der Bevölkerung und es wird sichtbar, dass die Bevölkerungsmehrheit bereit ist, das Assad-Regime zu vertreiben.

Am 15. März wurde schließlich die Revolution in Rojava ausgerufen. Dann hat die PYD („Partei der demokratischen Union“) den Volksrat (MGRK) aufgebaut. In ganz Rojava wurden Wahlen durchgeführt und 300 Personen in den Volksrat gewählt, um die Politik von Rojava zu gestalten. Mit dem Beginn des syrischen Aufstandes im März 2011 entschied sich die PYD, in Rojava und Syrien systematisch Räte-strukturen und in den verschiedenen Sektoren der Gesellschaft Massenorgani-sationen aufzubauen. Ab 2011 gelang es binnen weniger Monate, in allen Gebieten Rojavas und in Aleppo eine relativ gut funktionierende Selbstverwaltungs-struktur zu errichten. Die Rätestrukturen bildeten sich als eine Parallelstruktur zum Staat heraus, der diese zunächst gewähren ließ.


JULI UND AUGUST 2011

Die Freie Syrische Armee (FSA) gab ihre Gründung am 29. Juli 2011 bekannt und wurde zu einem rasant wachsenden Bündnis verschiedenster Kräfte. Die FSA proklamierte kein anderes Projekt als den Sturz von Assad.

Im Juli wurde die Bewegung für eine demokratische Gesellschaft (TEV-DEM) ins Leben gerufen. Wenig später im August 2011 kamen insgesamt 300 Delegierte aus allen Gebieten Rojavas und den organisierten Teilen Syriens zusammen, um den Volksrat Westkurdistans (MGRK) zu gründen. Es wurde ein System von mehreren Ebenen, also Kommunen, Volksräten und Kommissionen mit diversen Verbin-dungen untereinander geschaffen, was als eine Kombination von Basis- und Rätedemokratie betrachtet werden konnte.

Im Sommer und Herbst 2011 schwächte sich langsam die Position des syrischen Staates in Rojava. Doch die staatliche Verwaltung organisierte immer noch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und die öffentliche Daseinsvorsorge. Diesen schrittweisen Bedeutungsverlust füllte sukzessiv die TEV-DEM aus. So übernah-men die Komitees immer mehr Aufgaben in den Straßenzügen, Stadtteilen und Dörfern. Sie entwickelten sich langsam zu einer Alternative zum Staat und die Bevölkerung wandte sich zunehmend an die Räte zur Problem- und Konfliktlösung. Dies geschah zunächst vor allem in Fragen von Rechtsprechung und Sicherheit.


HERBST 2011

In Qamischli fanden größere Demonstrationen im Nachgang der Ermordung des kurdischen Politikers Maschaal Tammo (Zukunftsbewegung Syriens) statt.

Shooting claims at Syrian opposition funeral (english) euronews, Oct 8 – 2011


Syrian activists say mourners at the funeral of a murdered opposition leader came under fire in Qamishli in the north east of the country. The Syrian Observatory for Human Rights, which is based in the UK, said 50,000 people had turned out to bury Mashaal al-Tammo, a charismatic Kurdish opposition leader who was a critic of President Assad and his Kurdish rivals.

In der zweiten Hälfte des Jahres 2011 begannen sich die Gegner des Assad-Regimes verstärkt zu bewaffnen und gegen die regulären Streitkräfte zu kämpfen. Ehemalige Soldaten gründeten die besonders von der sunnitischen Mehrheit Syriens getragene Freie Syrische Armee (FSA), die sich als bewaffneter Arm der syrischen Opposition sieht. Die FSA stand von Beginn an unter starkem Einfluss westlicher und türkischer Geheimdienste und versuchte, die Dominanz über die Verteidigungskomitees in den verschiedenen syrischen Städten zu erlangen. Der Iran, die libanesische Hizbullah und Russland unterstützten gleich von Anfang das Baath-Regime. Damit wurde Syrien zu einem Austragungsort des Hegemonial-konflikts zwischen den NATO-Staaten mit ihren sunnitischen Verbündeten auf der einen Seite und Russland, China, Iran und Syrien mit ihren schiitischen Verbündeten auf der anderen Seite.

Durch die Zuspitzung der Auseinandersetzung hin zu einem Bürgerkrieg und massiven Massakern durch die syrische Regierung bekam die FSA immer stärkeren Zulauf. Nachdem sich ihr im September 2011 die Bewegung
Freier Offiziere angeschlossen hatte, war die FSA zur größten bewaffneten
Oppositionsbewegung geworden. Sie rekrutierte sich vor allem aus ehemaligen Militärs, aber auch aus Kämpfern aus der Türkei, Arabien, dem Maghreb und vielen anderen Regionen. Die Muslimbrüder gelten als am besten organisierte Kraft in den Reihen der FSA. Die syrische Muslimbruderschaft steht besonders stark in der Tradition des militanten Islamismus. Immer wieder war die FSA mit Angriffen seitens der syrischen Regierung niedergeschlagen worden und immer wieder ging sie als Reaktion darauf mit Massakern und Terrorakten vor.

Auch aufgrund dieser Entwicklungen gündeten einige hundert kurdische und arabische Jugendliche über ganz Rojava verteilt die „Volks-Selbstverteidigungs-Einheiten“ YXG (Yekîtiya Xweparastina Gel, Anfang 2012 Umbenennung in YPG („Volks-Verteidigungs-Einheiten“)).

YPG (Symbolbild)

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Übersicht: Kurdische Organisationen und andere Parteien in Kurdistan

Quellen: Civaka Azad, „Revolution in Rojava“ – Flach u.A.

Mit der Auflösung des Osmanischen Reiches und der Gründung der Republik Türkei im Jahre 1923 wurde das kur­dische Siedlungsgebiet von den Sieger-mächten des 1. Weltkriegs auf vier Länder aufgeteilt: Türkei, Syrien, Irak und Iran. Wir geben hier einen kurzen Überblick über Organisationen und Parteien in den verschiedenen Teilen Kurdistans sowie ausgewählte türkische Parteien.

Kurdische Bevölkerung in der Geografie Kurdistans, Januar 2019


1. TÜRKEI / BAKUR / NORDKURDISTAN

PKK = Partiya Karkerên Kurdistanê‎ – Arbeiterpartei Kurdistans
gegründet 1978; kämpft für die Selbstbestimmung und demokratischen Rechte der Kurd*innen in der Türkei, in Syrien, im Iran und Irak. Die PKK begann 1984 den bewaffneten Kampf gegen den türkischen Staat. Seit Beginn der 1990er Jahre ist die PKK intensiv um eine politische Lösung bemüht. Gründer und Vorsitzender: Abdullah Öcalan, 1999 mithilfe ver­schiedener Geheimdienste aus Kenia in die Türkei verschleppt, zum Tode verurteilt, aufgrund internationa­ler Proteste in lebens-lange Freiheitsstrafe umgewandelt und befindet sich seitdem auf der Gefängnis-insel Imrali im Marmarameer, wo er 10 Jahre lang als einziger Gefangener von 1 000 Soldaten bewacht wurde. Sitz und Zentrum der PKK sind die Kandil-Berge im Nordirak. In der Türkei ist sie als terroristische Organisation eingestuft und verbo-ten. In Deutschland wurde die Tätigkeit für die PKK am 26. November 1993 ver-boten. Im September 2017 fällte das Brüsseler Berufungsgericht die Entscheidung, dass die PKK keine Terrororganisation, sondern eine Kriegspartei sei.

YJA-Star = Yekîtîya Jinên Azad Star – Einheiten der freien Frauen
autonome Frauenarmee der PKK, gegründet 1995. Als Frauenarmee wird die Gesamtheit der ausschließlich aus Frauen bestehenden Einheiten der kurdischen Volksverteidigungskräfte (HPG) bezeichnet. Bei diesen Organisationen handelt es sich um Kampfverbände der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK).

PAJK = Partiya Azadiya Jinan a Kurdistanê –
Partei der Freiheit der Frauen Kurdistans

HPG = Hêzên Parastina Gel – Volksverteidigungskräfte
Selbstverteidigungseinheiten/Guerilla, bewaffnete Einheiten der PKK, gegründet 2000, verstehen sich als Nachfolger*innen der ARGK (Artêşa Rizgariya Gelê Kurdistan – Volksbefreiungsarmee Kurdistans, 1986-2000) und bezeichnen sich
als legitime Verteidigungskraft; HPG und YPG/YPG retteten 2014 Zehntausende Ezid*innen aus dem Sindschar-Gebirge vor dem sicheren Tod durch den IS.

KCK = Koma Civakên Kurdistan – Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans; überstaatlicher Zusammenschluss der Gemeinschaften Kurdistans, in dem sich im Idealfall die radikaldemokratisch selbstverwalteten Strukturen zusam-menfinden. Verfügt über ein System der Gewaltenteilung und dient der Umsetzung der Konzepte des Demokratischen Konföderalismus und der Verteidigung der kur-dischen Bevölkerung. Die KCK wurde 2007 gegründet und ist hervorgegangen aus der PKK. Seit April 2009 wurden unzählige politische Aktivist*innen in der Türkei festgenommen, wegen angeblicher KCK-Mitgliedschaft und Unterstützung einer terroristischen Organisation angeklagt und zu langjährigen Freiheitsstrafen verurteilt – unter ihnen Bürgermeister*innen der HDP, Journa-list*innen, Anwält*innen und Gewerkschafter*innen.

HDP = Halkların Demokratik Partisi – Demokratische Partei der Völker
Linke, prokurdische, gesamttürkische Partei, konnte erstmals bei den Parla-mentswahlen am 7. Juni 2015 die 10%-Wahlhürde mit 13% überspringen und in Fraktionsstärke ins Parlament einziehen. Auch in den nachfolgenden Wahlen konnte die HDP, trotz enormer staatlicher Repressionen, stets die Wahlhürde nehmen und ihre Wähler*innen im Parlament vertreten.

DBP = Demokratik Bölgeler Partisi – Demokratische Partei der Regionen
gegründet 2014; sie arbeitet zusammen mit HDP, ist allerdings als politische
Partei lediglich in den kurdischen Provinzen aktiv.

DTK = Demokratik Toplum Kongresi – Demokratischer Gesellschaftskongress; Dachorganisation der Volksratsstrukturen
und der Zivilgesellschaft in Nordkurdistan

KJA = Kongreya Jinên Azad – Kongress der freien Frauen
ist die Dachorganisation der autonomen Frauenstrukturen in Nordkurdistan


2. SÜDKURDISTAN / BASÛRÊ / NORDIRAK

Seit dem 1. Golfkrieg wurde diese Region wegen seines Öl- und Wasser-vorkommens sowie seiner geostrategi­schen Bedeutung wichtig. Die Definition dieses Teils Kurdistans als „safe heaven“ gilt heute noch. Nach dem Fall Saddam Husseins 2003 konnte die ihre Autonomie waren. 2005 wurde sie zur „Kurdistan Re­gion of Iraq“ erklärt, verankert in der irakischen Verfassung.

KRG = Kurdish Regional Government; Regierung von Südkurdistan/Nord irak.

PDK = Partiya Demokratiya Kurdistanê – Demokratische Partei Kurdistans
Regierungspartei in der Kurdischen Autonomie Region im Nordirak, vorwiegend
im Kurmancî-Gebiet, gegründet 1946. Seitdem wird dieser Teil Kurdistans vom Barzanî-Clan dominiert. Die Strukturen sind autokratisch; die Regierung pflegt engste Kontakte mit der Türkei. Verfügt über eigene Sicherheitskräfte und Militär – 16 000 Peschmergas („Die dem Tod ins Auge sehen“) bilden Barzanîs Armee. Die PDK kontrolliert die Region um Hewlêr (Erbil) und verfügt über Ableger in Ostkur-distan (Iran), Rojava (Syrien) und Nordkurdistan (Türkei). Die deutsche Bundes-regierung unterstützt die Autonomiere­gion politisch, rüstet die Peschmergas im „Kampf gegen ISIS“ mit deutschen Waffen aus und leistet militäri­sche Ausbildungs-hilfe. Die PDK befürwortet die Angriffe der türkischen Armee seit Ende Juli 2015 auf die PKK und lehnt die kurdische Autonomieregion Rojava ab.

YNK / PUK = Yekîtiya Nîştimanî ya Kurdistanê – Patriotische Union Kurdistans; wurde 1975 als Ergebnis der Spaltung von der PDK im Exil gegründet und teilt sich weitgehend die Macht mit der PDK in Südkurdistan, vorwiegend im Soranî-Gebiet. Sie verfügt über Militär und Polizei und kontrolliert die Soranî sprechende Region um die Stadt Sulemaniyya (Hauptsitz). Die YNK hat sich mit Rojava solidarisch erklärt und unterstützt die Kurden im Südosten der Türkei.

Bzutinewey Gorran = Bewegung für Wandel
Die Partei GORAN existiert seit 2010 als Abspaltung von der PUK und fand
2013 großen Zuspruch, insbe­sondere für die von ihr propagierte Bekämpfung
von in Südkurdistan bestehender Korruption und Vettern­wirtschaft.

YBŞ = Yekîneyên Berxwedana Şengalê‎ – Widerstandseinheiten Şengals
Bewaffneten Selbstverteidigungseinheiten der ezidischen Region Şengal.
Die YBŞ wurde 2015 als Reaktion auf das Genozid des IS im an der
ezidischen Bevölkerung im August des Vorjahres gegründet.

YJŞ = Yekinêyen Jinên Şengalê‎ – Fraueneinheiten Şengals
Bewaffnete autonome Fraueneinheiten der ezidischen Region Şengal


3. ROJAVA / WESTKURDISTAN / NORDSYRIEN

Im Jahre 2012 hat die kurdische Bevölkerung in Syrien mit der Umsetzung des Modells des Demokratischen Konföderalismus und der Demokratische Autonomie in Rojava begonnen. Rojava bestand anfangs aus den drei Kantonen: Efrîn im Westen, Kobanê im Nor­den und Cizîrê im Osten. Die AKP-Regierung unter Präsident Recep Tayyip Erdoĝan will mit allen Mitteln eine Etablierung dieses Projektes verhindern. Deshalb hat die türkische Armee gemeinsam mit ihren dschihadistischen Partnern 2018 Efrîn und seit Oktober 2019 weitere Gebiete im Kanton Cizîrê besetzt. Im Zuge des Kampfes gegen den sogenannten Islamischen Staat ist es den Selbstverteidigungskräften Nordsyriens gelungen weitere Gebiete zu befreien. Heute wird das radikaldemokratische Gesellschaftsmodell nicht allein in den kurdisch-dominierten Gebieten Nordsyriens praktiziert, sondern auch in mehrheitlich arabischen Regionen wie Raqqa und Deir ez-Zor umgesetzt.

DFNS = Demokratische Föderation Nordsyrien (früherer Name der Selbstverwaltung in Rojava), jetzt Rêveberiya Xweser a Bakur û Rojhilatê Sûriyeyê – „Autonome Administration von Nord- und Ostsyrien – Rojava“

QSD / SDF = Quwetên Suriya Dimokratîk – Demokratische Kräfte Syriens – Syrian Democratic Forces; militärisches Bündnis zur Verteidigung der selbst-verwalteten Gebiete in Rojava und Syrien. Militärbündnis von YPG/YPJ sowie mehren arabischen, christlichen, turkmenischen, assyrischen und ezidischen Milizen, offizieller Bestandteil der internationalen Anti-IS Koalition und die einzige Kraft, die am Boden gegen DAIŞ kämpft. Sie sind der Autonomieverwaltung von Nord- und Ost-Syrien unterstellt. Das Militärbündnis SDF besteht derzeit aus den kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) und den Frauenverteidigungs-einheiten (YPJ),der Kurdischen Front (Dschabhat al-Akrād), der kurdisch-turkmenischen Einheit Katāʾib Schams asch-Schimāl, der sunnitisch-arabischen Armee der Revolutionäre (Dschaisch ath-Thuwwar), der sunnitisch-arabischen Schammar-Stammesmiliz Quwat as-Sanadid und der sunnitischen Rebellen-brigade ar-Raqqa (Liwa Thuwar al-Raqqa), den Al-Dschasira-Brigaden und der Lîwai 99 Muşat sowie dem assyrisch-aramäischen Militärrat der Suryoye (MFS).

YPG = Yekîneyên Parastina Gel – Volksverteidigungseinheiten
Verteidigungskraft von Rojava. Verteidigen mittlerweile auch die ezidische Bevölkerung auf den Şengal-Bergen, besteht aus Frauen und Männern.
Die YPG ist Teil der QSD.

YPJ = Yekîneyên Parastina Jinê – Frauenverteidigungseinheiten
Verteidigungskraft von Rojava. Wie auch die YPG verteidigen mittlerweile
auch sie die ezidische Bevölkerung auf den Şengal-Bergen. Die YPJ ist
als reine Frauenarmee Teil der QSD.

YBŞ = Yekîneyên Berxwedana Şengalê – Widerstandseinheiten Şengals

YJÊ = Yekîneyên Jinên Êzîdxan – Einheiten der ezidischen Frauen

HRE = Hêzên Rizgariya Efrînê – Befreiungskräfte Efrîns – Afrin
Liberation Forces
; erstmalig im Dezember 2018 in Erscheinung getreten,
mit der Ankündigung, eine neue Taktik im Kampf gegen die tükisch-
dschihadistische Besatzung Êfrins anzuwenden. Seitdem haben diverse erfolgreiche Aktionen in Şehba und Efrîn stattgefunden.

IFB = International Freedom Bataillon – Internationaler Freiheitsbataillon
autonome Einheit innerhalb der YPG als Verband aller sich den Kämpfen anschließenden Internationalisten*innen

HPC = Hêzên Parastina Cewherî – Selbstschutzeinheiten
Aufgaben sind bspw., die Straßen und Stadtviertel zu kontrollieren. In den HPC
sind Zivilist*innen aller Altersstufen. Sie unterstützen die Asayîş (polizeiähnliche Schutzkräfte der Selbstverwaltung mit ca 15.000 Mitarbeiter*innen) und sind Teil des systematischen Verteidigungsnetzes Rojavas. Die autonome Frauenstruktur bei den HPC sind die HPC-Jin (Frauenverteidigungskomitees).

MFS = Mawtbo Folhoyo Suryoyo – Militärrat der Suryoye
Verteidigungskraft von Rojava, assoziiert mit YPG und YPJ.

TEV-DEM = Tevgera Cîvaka Dimokratîk – Bewegung für eine demokratische Gesellschaft ist die Organisierung der Selbstverwaltung (Kommunen, Räte, Koordination) sowie ihrer Exekutivinstitutionen in Rojava und das koordinierende Organ des Volksrats Westkurdistan (MGRK). Die TEV-DEM gibt es auf der Gebietsebene und für ganz Rojava. Sie umfasst auch die sie unterstützenden politischen Parteien, diverse NGOs, soziale Bewegungen und Berufsverbände.

MGRK = Meclîsa Gel a Rojavayê Kurdistanê – Volksrat Westkurdistan
im Jahr 2011 gegründete Rätestruktur in Rojava und Syrien. Die Initiative ging
von der PYD aus, inzwischen unterstützen mindestens fünf weitere Parteien
den MGRK. Der MGRK besteht aus vier Ebenen. Die TEV-DEM ist seine
Koordination auf den beiden oberen Ebenen.

Kongreya Star = Dachorganisation der autonomen Frauenstrukturen in Nordsyrien/Rojava; 2005 gegründet unter dem Namen Yekîtiya Star
(Verband der Frauen Star); Frauenorganisation in Rojava, welche die
Frauenräte organisiert, Frauenakademien und andere Fraueneinrichtungen
betreibt (Organisationsmuster wie TEV-DEM).

YCR / YJC = Jugendbewegung in Rojava

PYD = Partiya Yekitîya Demokrat – Partei der demokratischen Einheit
aktiv in Rojava/Westkurdistan-Nordsyrien; 2003 gegründet. Die PYD ist
die größte politische Partei der Kurd*innen in Rojava/Syrien und ist eine
Vertreterin der Demokratischen Autonomie.

MSD = Meclîsa Suriya Dimokratîk – Rat des demokratischen Syriens
Politisches Bündnis verschiedener Volks- und Religionsgemeinschaften in Syrien, die sich im Sinne eines demokratischen und föderalen Syriens organisieren.

Jabhat al Akrad = Kurdische Front
Kurdische Verteidigungseinheit, welche die kurdische Bevölkerung außerhalb Rojavas schützen soll und versucht mit der FSA stellenweise zusammen zu arbeiten. Unter anderem bei der Vertreibung des IS aus Azaz. Am 16.8.2013 wurde Jabhat al Akrad wegen der angeblichen Beziehung zur PKK aus dem Militärrat der FSA von Aleppo ausgeschlossen, nachdem FSA und dschihadistische Gruppen eng gegen die Selbstverwaltung in Rojava kollaboriert hatten.

NCC oder NCB = National Coordination Body – Nationales Koordinationskomitee für Demokratischen Wandel
ein Oppositionsblock, der aus zehn linksgerichteten politischen Parteien und drei kurdischen Parteien sowie unabhängigen politischen Aktivist*innen einschließlich von Jugendaktivist*innen besteht. Das NCC und der SNC bilden zusammen die zwei Hauptfraktionen der syrischen Opposition. Der NCC steht in Konkurrenz zum SNC und NC, möchte eine friedliche Überwindung des Regimes und stellt sich gegen Konfessionalität und Nationalismus. Insgesamt umfasst das Komitee vor allem säkulare und nationalistische Gruppen, unabhängige Dissidenten und kurdi-sche Parteien, die alle ihre Basis innerhalb Syriens haben. Zu jenen gehören die PYD und ein Ableger der Syrischen Kommunistischen Partei.

ENKS = Encûmena Niştimanî ya Kurdî li Sûriyeyê – Kurdischer Nationalrat in Syrien; im Oktober 2011 gegründetes Bündnis, das von der PDK Barzanîs und nahestehenden Parteien dominiert wird.

PDK-S = Partiya Demokrata Kurdistan a Sûriye – Demokratische Partei Kurdistan-Syrien
; gegründet 1956, ist die größte Mitgliedspartei im Kurdischen Nationalrat (ENKS), welche mit der Demokratischen Unionspartei (PYD) Teile Nordsyriens regiert. Derzeitiger Vorsitzender ist Abdulhakim Bashar, welcher
auch im Vorstand der Nationalen Koalition der Syrischen Revolutions- und Oppositionskräfte (NC) ist. Die Partei steht der von Masud Barzani geführten Demokratischen Partei Kurdistans (PDK) im Nordirak nahe.


4. ROJHILAT / OSTKURDISTAN / IRAN


PJAK = Partiya Jiyana Azad a Kurdistanê – Partei für ein freies Leben in Kurdistan
; militante kurdische Untergrundorganisation im Iran mit Stützpunkten im Nordirak; eine Schwesterorganisation der PKK. Sie führt einen bewaffneten Kampf für mehr Autonomie der Kurden im Iran und wurde im April 2004 in den Kandil-Bergen des Nordirak gegründet. Sie ge­hört dem Dachverband der Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans (KCK) an. Sie strebt eine Zusammenarbeit mit der iranischen Opposition an, was sich bis heute schwierig gestaltet. Zahlreiche PJAK-Kämpfer*innen wurden in den vergangenen Jahren zum Tode verurteilt und hingerichtet. 2009 wurde die PJAK auf die US-Terrorliste gesetzt.

KODAR = Demokratische und freie Gesellschaft Ostkurdistans
Organisierung der Selbstverwaltung (Kommunen, Räte, Koordination)
sowie ihrer Exekutivinstitutionen in Ostkurdistan.

5. DIASPORA – Kurdische Gemeinschaft außerhalb von Kurdistan

KNK = Kongreya Neteweyî ya Kurdistanê – Kurdischer Nationalkongress
im Mai 1999 gegründet, Sitz in Brüssel; Bündnis Kurdischer Parteien, zivilgesellschaftlicher Organisationen und Exilorganisationen.